Diese Frage haben wir nach der Dreier-Diskussion der Kanzlerkandidaten noch nachgeschickt an die Direktkandidaten im Wahlkreis 169. Auch eine Antwort eines Nicht-Direkt-Kandidaten haben wir bisher bekommen. Weitere Antworten können wir noch anfügen.
Frage des Forums 169 an die Direktkandidat:innen im Wahlkreis 169: und alle Bürger:innen
"Wissen Sie, dass die UNO-Charta Staaten und Staatenbündnissen, wie der EU, oder Militärbündnissen, wie der NATO, den Einsatz von Gewalt und Krieg verbietet. Wissen Sie, dass nach dem Völkerrecht nur der UN-Sicherheitsrat den Einsatz von Gewalt beschließen darf. Wissen Sie dass nach der Verfassung dieses Völkerrecht für die deutsche Politik und deutsche Politiker bindend ist. Was halten Sie vor diesem Hintergrund von der Ankündigung von Olaf Scholz Militäreinsätzen unter EU- und Nato-Mandat mittragen zu wollen?"
Michael Roth, Direktkandidat der SPD im Wahlkreis 169:
"Deutschland bekennt sich klar zu einer regelbasierten internationalen Ordnung. Das allgemeine Gewaltverbot, das in Artikel 2 Nr. 4 der Charta der Vereinten Nationen festgelegt ist, ist ein zentraler Eckpfeiler dieser Ordnung. Es verbietet den Mitgliedstaaten in ihren internationalen Beziehungen grundsätzlich die Androhung und Anwendung militärischer Gewalt. Ausgenommen davon sind Zwangsmaßnahmen des UN-Sicherheitsrates (Kapitel 7 UN-Charta), das Recht auf Selbstverteidigung bei einem bewaffneten Angriff (Art. 51 UN-Charta) oder eine Intervention mit Zustimmung des Beistand ersuchenden Staates.
Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 in seinem Grundsatzurteil drei wesentliche Leitplanken für Auslandseinsätze der Bundeswehr festgelegt: Völkerrechtlich muss jeder Auslandseinsatz auf einem Mandat, d.h. einer Resolution, des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen beruhen. Zweite Voraussetzung ist die Notwendigkeit eines multilateralen Handlungsrahmens, d.h. der Einsatz muss im Rahmen von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit wie den Vereinten Nationen, der NATO oder der EU erfolgen. Nationale Alleingänge sind daher für die Bundesrepublik im internationalen Krisenmanagement ausgeschlossen. Und schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil auch einen Parlamentsvorbehalt formuliert: D.h. keine Bundesregierung kann im Alleingang entscheiden, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten in bewaffnete Auslandseinsätze entsandt werden, sondern dies bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Deutschen Bundestages. Deshalb spricht man bei der Bundeswehr auch von einer "Parlamentsarmee".
In der Aussage von Olaf Scholz im zweiten TV-Triell kann ich beim besten Willen keinen Widerspruch zu dieser bisherigen außen- und verteidigungspolitischen Praxis in der Bundesrepublik Deutschland erkennen: Olaf Scholz hat mit Blick auf die Regierungsfähigkeit der Linkspartei deutlich gemacht, dass sich Parteien, die in Deutschland regieren wollen, unmissverständlich zur transatlantischen Zusammenarbeit, zur NATO und zur Europäischen Union bekennen müssen. Dazu gehöre u.a. auch, dass ein Regierungsbündnis in der Lage sein müsse, gegebenenfalls die notwendigen Entscheidungen über eine Beteiligung deutscher Soldatinnen und Soldaten an Auslandseinsätzen des Bundeswehr im UN-, NATO- oder EU-Rahmen zu treffen. Tatsächlich sind Auslandseinsätze der Bundeswehr in der Regel ja sogar mehrfach mandatiert - etwa bei der Beteiligung an einer EU-Mission durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, einen Beschluss des EU-Ministerrats sowie einen Beschluss des Deutschen Bundestages. An dieser ständigen Staatspraxis in Deutschland wird sich selbstverständlich auch unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz nichts ändern."
Heidi Schmidt, Direktkandidatin der MLPD im Wahlkreis 169:
"Das ist ja nichts Neues, damit setzt Scholz eine neue Tradition fort:
Im März 1999 griffen die Nato-Luftstreitkräfte das Gebiet Jugoslawiens an. Mehr als 70 Flugzeuge und 100 Marschflugkörper waren im Einsatz. In der ersten Angriffsreihe befanden sich auch 4 Tornados der Bundeswehr. Für die Bundeswehr war dies der erste direkte Kriegseinsatz seit dem 2. Weltkrieg. - Und das unter einer Rot-Grünen Bundesregierung.
Wie sagte Kanzler Schröder bezüglich des Kosovo-Einsatzes? „Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.“
Diese Bombardierung Jugoslawiens geschah ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates. Der von 14 NATO-Staaten geführte Krieg verstieß gegen das Gewaltverbot da es sich nicht um einen Fall von Selbstverteidigung handelte und war damit völkerrechtswidrig. Das hat aber die NATO nicht gejuckt."
Von anderen Direktkandidaten haben wir bisher keine Antwort erhalten oder nur eine allgemeine Antwort, wie vom CDU-Kandidaten, Wilhelm Gebhardt: Antworten der Direktkandidaten zum Bundestag im Wahlkreis 169 auf die Fragen des Forums 169 (internationale-friedensfabrik-wanfried.org)
Beiträge von Nicht-Direkt-Kandidaten, Politiker:innen und Bürger:innen aus dem Wahlkreis 169: Sie können vor und nach der Wahl gern noch Beiträge schicken, wir werden sie hier veröffentlichen: forum@gmx.net
Andreas Heine, Landeslistenkandidat DKP-Hessen aus dem Wahlkreis 169
"Wenn Kanzler-Kandidat Scholz im TV-Triell erklärt, dass er Militärein-sätze unter NATO- oder EU-Mandat befürwortet und Baerbock und Laschet das widerspruchslos zur Kenntnis nehmen, ist dies die Propagierung und Zustimmung zu weiterem Völkerrechtsbruch. Denn weder EU noch NATO sind hierzu ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates legitimiert. Wenn Frau von der Leyen in ihrer jüngste Rede sagt: „Man kann die am weitesten entwickelten Streitkräfte der Welt haben – doch wenn man nie bereit ist sie einzusetzen, wozu sind sie dann gut?“ und was die EU bisher zurückgehalten habe, seien „nicht nur fehlende Kapazitäten, sondern auch fehlender politischer Wille“, dann wird auch hier deutlich, dass mehr Krieg und Gewalt befürwortet und gefordert werden. Offenbar hat man aus dem Afghanistan-Desaster nichts gelernt!"
Antworten auf die zehn Friedensfragen: https://www.internationale-friedensfabrik-wanfried.org/post/antworten-der-direktkandidaten-zum-bundestag-im-wahlkreis-169-auf-die-fragen-des-forums-169
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