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Nach dem Sanktions-Eigentor gegen Russland, droht Europas Elite ein zweites gegen China zu schießen

Denn bei allen Eigentoren sind es nicht Europa US-Integrierte Eliten, sondern die europäischen Bürger:innen, die dafür die Lasten tragen müssen, während die USA die Profiteure sind


Mit Investitionsverboten gegen China

(Bild von Christian Lue auf Unsplash)

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dringt auf Beschränkungen und Verbote bei Investitionen europäischer Unternehmen in China – auch auf Druck aus den USA.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dringt auf Beschränkungen bei Investitionen europäischer Unternehmen in China. Können bisher nur Übernahmen deutscher bzw. EU-Firmen durch chinesische Investoren behördlich überprüft und, sofern gewünscht, verboten werden, so soll es in Zukunft möglich sein, Investitionen auch deutscher Konzerne in der Volksrepublik per Amtsentscheid zu untersagen. Damit sollen Know-how zurückgehalten und Chinas Aufstieg gebremst werden. Deutsche Unternehmen protestieren energisch dagegen. Schon die Einschränkungen für chinesische Übernahmen in der EU haben die Geschäftsbeziehungen zur Volksrepublik klar geschädigt; 2022 wurden in Deutschland nur noch 26 Übernahmen (Transaktionswert: 290 Millionen US-Dollar) von Firmen aus China getätigt, 242 hingegen von Firmen aus den USA. Von den neuen Kontrollen betroffen wären unter anderem Forschungsabteilungen, die deutsche Konzerne in China ansiedeln, um den Anschluss an die Weltspitze nicht zu verlieren. Massiver Druck, die Kontrollen einzuführen, kommt aus den USA, deren Einfluss auf Berlin und Brüssel im vergangenen Jahr erheblich gewachsen ist.

Handels- und Investitionskontrollen Außenhandels- und Investitionskontrollen sind in Deutschland und der EU grundsätzlich nicht neu und in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschärft worden – zumeist mit dem Ziel, chinesische Unternehmen abzuwehren. Altbekannt sind Beschränkungen beim Export von Rüstungsgütern und bei der Ausfuhr sogenannter dual use-Produkte, die sowohl zivil wie auch militärisch genutzt werden können. Wer sie ins Ausland verkaufen will, muss dazu Genehmigungen einholen. Strikt reguliert wird inzwischen auch die Übernahme von Anteilen deutscher Unternehmen durch auswärtige Investoren; dazu sind in den vergangenen Jahren mehrmals Gesetze bzw. Verordnungen neu und schärfer gefasst worden.[1] In der Praxis trifft es vor allem chinesische Firmen. So untersagte es die Bundesregierung im November zwei chinesischen Unternehmen, die Chipfertigung der Dortmunder Firma Elmos beziehungsweise das bayrische Unternehmen ERS Electronic zu erwerben.[2] Auch die EU kann inzwischen bei auswärtigen Investitionen intervenieren, aber kein eigenständiges Verbot aussprechen; sie darf nur Vorschläge dazu an die Mitgliedstaaten weiterreichen. Diese entscheiden dann in eigener Hoheit, ob sie die betreffende Übernahme durch eine ausländische Firma genehmigen oder untersagen.

Nur noch auf Platz zwölf Die zunehmenden Restriktionen gegen chinesische Unternehmen zeigen Wirkung – nicht nur, weil Firmen- und Anteilsübernahmen immer häufiger untersagt, sondern auch, weil sie von Unternehmen aus China oft gar nicht mehr angestrebt werden. Hinzu kommt laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und -beratungsgesellschaft EY, dass chinesische Bieter oft gar nicht erst zu Gesprächen eingeladen werden, wenn die Übernahmekandidaten Standorte in den Vereinigten Staaten unterhalten und deshalb mit einer Ablehnung des Vorhabens durch US-Behörden rechnen müssen.[3] Der EY-Studie zufolge ist die Zahl chinesischer Übernahmen in Deutschland und Europa auf äußerst niedrigem Niveau angelangt. So ist etwa die Zahl erfolgreicher chinesischer Übernahmen in Deutschland von 35 im Jahr 2021 auf 26 im Jahr 2022 zurückgegangen; der Wert der Transaktionen fiel von 2,0 Milliarden US-Dollar auf knapp 290 Millionen US-Dollar. Zum Vergleich: Deutsche Unternehmen investierten 2022 rund 11,5 Milliarden Euro in China.[4] Die Anzahl chinesischer Übernahmen in Europa sank zugleich von 155 auf 139; der Transaktionswert fiel von 12,4 auf 4,3 Milliarden US-Dollar. Die Volksrepublik, zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, rangiert auf der Rangliste der auswärtigen Investoren in Deutschland nach Platz vier im Jahr 2016 heute nur noch auf Platz zwölf.

Outbound Investment Screening Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern ankündigte, plant die EU jetzt auch Beschränkungen bei Investitionen europäischer Unternehmen in China. Damit soll, so lautet die offizielle Begründung, verhindert werden, dass europäisches Know-how genutzt wird, um „die militärischen und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten derjenigen zu stärken, die für uns auch systemische Rivalen sind“.[5] Faktisch geht es um einen Beitrag dazu, Chinas Entwicklung zur High-Tech-Macht durch das Vorenthalten im Westen verfügbarer Technologien zumindest zu bremsen, nach Möglichkeit sogar zu verhindern. Seit geraumer Zeit bereiten die Vereinigten Staaten solche Investitionskontrollen vor; diskutiert wird noch, ob Investitionsverbote nur in Einzelfällen ausgesprochen oder ob ganze Branchen blockiert werden sollen.[6] Berichten zufolge dringt Washington seit einiger Zeit darauf, dass alle G7-Staaten dem noch in diesem Jahr erwarteten US-Vorstoß folgen. Würde das sogenannte Outbound Investment Screening in der EU eingeführt, dann müssten alle Unternehmen, die im Ausland in bestimmten Sektoren investieren wollen, dies bei den staatlichen Behörden melden. Diese würden das jeweilige Vorhaben umfassend prüfen und es anschließend genehmigen oder auch untersagen. Leitmarkt für Elektromobilität Die Bundesregierung stand dem Plan Berichten zufolge ursprünglich skeptisch gegenüber; das habe sogar, heißt es, für das Bundeswirtschaftsministerium gegolten, dessen Chef Robert Habeck für seinen hart antichinesischen Kurs bekannt ist. Die deutsche Industrie lehnt das Ansinnen ab; Einschränkungen bei Investitionen in China würden als „gravierender Eingriff“ betrachtet und zurückgewiesen, heißt es.[7] Hintergrund ist nicht nur prinzipielle Abneigung gegen Restriktionen bei der eigenen Geschäftstätigkeit. Seit geraumer Zeit – „seit etwa drei Jahren“, heißt es im Handelsblatt – gehen deutsche Unternehmen in wachsendem Maße dazu über, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in China zu eröffnen. Der Grund: In einigen Branchen hat die Volksrepublik inzwischen zur Weltspitze aufgeschlossen bzw. gilt – etwa bei der Elektromobilität – als globaler Leitmarkt, an dem kein Konzern von Weltgeltung mehr ohne erheblichen Schaden vorbeikommt. VW etwa will mit Forschungskapazitäten in China dem Problem abhelfen, dass der Konzern dort beim Absatz von Elektroautos stark zurückfällt.[8] Zu den Firmen, die in der Forschung auf China setzen, zählt auch Bosch.[9] Der Konzern hat zu Jahresbeginn mitgeteilt, er werde 950 Millionen Euro in ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Suzhou investieren; es gehe um Bauteile für die E-Auto-Industrie.

Transatlantische Abhängigkeit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat sich, im Widerspruch etwa zu den vorsichtigeren Positionen der Bundesregierung, auf die Forderung nach einem Outbound Investment Screening festgelegt – nach der Rückkehr von Gesprächen mit US-Präsident Joe Biden am 10. März in Washington. Grundsätzlich haben Berlin und Brüssel ein eigenes Interesse daran, Beijing nicht weiter erstarken zu lassen: Eine Weltmacht China verringerte den globalen Einfluss nicht nur der Vereinigten Staaten, sondern auch Deutschlands bzw. der EU. Allerdings muss die Bundesregierung dabei einen Kurs steuern, der das Interesse der deutschen Wirtschaft am überaus lukrativen Chinageschäft in Rechnung stellt.[10] Dem liefe die Einführung eines Outbound Investment Screening diametral zuwider. Dass Berlin und Brüssel sich womöglich dennoch darauf einlassen müssen, ist auch eine Konsequenz daraus, dass der Ukraine-Krieg den US-Einfluss in Deutschland und der EU stark hat steigen lassen. So dominieren die Vereinigten Staaten nicht nur die Kriegführung in der Ukraine und die beschleunigte Aufrüstung der NATO-Staaten, sondern – besonders nach dem Anschlag auf die Nord Stream-Pipelines – auch die Erdgasversorgung der EU; zudem ziehen sie mit ihren milliardenschweren Investitionsprogrammen Fabrikbauprojekte aus Europa ab. Der Ausfall des Russland-Geschäfts und die politischen Risiken des Chinageschäfts haben die Bedeutung der USA als Exportziel und Investitionsstandort zusätzlich steigen lassen.[11] Damit nimmt allerdings auch die transatlantische Abhängigkeit zu. [1] Investitionsprüfung. bmwk.de. [2] Dana Heide, Joachim Hofer, Dietmar Neuerer, Julian Olk: Bundesregierung stoppt weitere chinesische Übernahme von deutscher Halbleiterfirma. handelsblatt.com 09.11.2023. [3] Chinesische Firmenübernahmen in Deutschland und Europa rückläufig. ey.com 21.02.2023. [4] Dana Heide: Deutsche Unternehmen investieren so viel wie nie in China – wo die größten Abhängigkeiten bestehen. handelsblatt.com 30.03.2023. [5] Rede von Präsidentin von der Leyen zu den Beziehungen zwischen der EU und China vor dem Mercator Institute for China Studies und dem European Policy Centre. Brüssel, 30. März 2023. [6], [7] Dana Heide, Moritz Koch, Martin Greve, Annett Meiritz, Julian Olk: Berlin und Brüssel erwägen neue Kontrollen für europäische Investitionen im Ausland. handelsblatt.com 10.03.2023. [8] S. dazu Deindustrialisierung in der Autobranche. [9] Martin-W. Buchenau: Bosch investiert eine Milliarde US-Dollar in China. handelsblatt.com 13.01.2023. [10] S. dazu Machtkampf und Profit und Einstieg in den Abstieg. [11] S. dazu Machtkämpfe hinter der Front, Machtkämpfe hinter der Front (II) und Im „Systemwettbewerb“ mit den USA.


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