In Ghana gibt es wieder eine Schuldenkrise, wie schon oft in den vergangenen Jahren und auch in vielen anderen Ländern. Wir werden uns damit befassen, um unsere Freunde um den Journalisten und Medienproduzenten Godwin Kweku zu unterstützen. Hier sind ein Artikel zur aktuellen Situation und zwei ältere Artikel zu den Ursachen der Schulen Ghanas.
GHANA
HAT GHANA EIN SCHULDENPROBLEM? Ghana musste kurz vor Jahresende 2022 die Zahlungen an seine bilateralen Gläubiger einstellen und befindet sich nun im Zahlungsausfall. Zuvor hatten anhaltende Leistungsbilanzdefizite einige Schuldenindikatoren dramatisch ansteigen lassen.
DIE WICHTIGSTEN SCHULDENINDIKATOREN (STAND 2021) IndikatorAusprägungGrenzwertAuslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)47,840Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)245,5150Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)21,915Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)90,749Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)642,4200Auslandsschuldenstand (US-Dollar)36,181 Mrd.–Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)3,23 Mrd.–
Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten siehe unten 1 Ghanas Auslandsschulden bestehen fast ausschließlich auf Seiten des Staates. Ghanaische Banken und Unternehmen sind (ohne staatliche Garantie) nur minimal im Ausland verschuldet.
WER SIND DIE GLÄUBIGER VON GHANA?
Erklärung der Schuldenkategorien (sieh unter dem Artikel)
Vor allem durch die stark ausgeweitete Platzierung von Anleihen an den internationalen Kapitalmärkten sind private Geldgeber inzwischen die wichtigste Gläubigergruppe Ghanas. Als eines der ersten unter der Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) entlasteten Länder platzierte Ghana schon 2007 eine öffentliche Anleihe in Höhe von 750 Millionen US-Dollar am Kapitalmarkt. Seit 2013 ist Ghana in großem Stil am Anleihemarkt aktiv. Platzierte Staatspapiere stiegen bis 2018 auf mehr als 5 Milliarden US-Dollar und haben sich bis Ende 2021 noch einmal mehr als verdoppelt. Die Zinssätze auf die ausstehenden Anleihen liegen in der Größenordnung von 10 Prozent und sind damit auch im afrikanischen Vergleich hoch. Die Anleihezeichner lassen sich wegen des beständigen Handels auf dem Sekundärmarkt nicht verlässlich einzelnen Ländern zuordnen. Bei den etwas weniger umfangreichen Bankschulden ist dies indes möglich: Ghana hat Schulden bei Banken aus nicht weniger als 18 verschiedenen Ländern, durchweg pro Land im zwei- oder dreistelligen Millionenbereich. Die umfangreichsten Forderungen halten deutsche Banken mit insgesamt 626 Millionen US-Dollar, gefolgt von britischen und belgischen Instituten. Größter multilateraler Geber ist die Internationale Entwicklungsorganisation, eine Unterorganisation der Weltbank-Gruppe, mit mehr als 3 Milliarden US-Dollar an konzessionären und rund 1,5 Milliarden US-Dollar an nicht-konzessionären Forderungen. Nur die Afrikanische Entwicklungsbank hält mit 1,2 Milliarden US-Dollar Forderungen in vergleichbarer Größenordnungen. Fünf weitere multilaterale Institutionen halten deutlich kleinere Beträge. Unter den bilateralen Gläubigern hat sich in den letzten Jahren eine bedeutende Verschiebung weg von Entwicklungshilfekrediten und hin zu kommerziellen Finanzierungen ergeben. Die bedeutendsten Inhaber nicht-konzessionärer Forderungen an Ghana sind drei Schwellenländer, die gerade in den letzten Jahren kommerzielle Kredite bereitgestellt haben. Mit deutlichem Abstand werden sie angeführt von China (1,44 Milliarden US-Dollar), gefolgt von Indien (442 Millionen US-Dollar) und Ägypten (212 Millionen US-Dollar). Erst danach folgen die USA. Unter den Entwicklungshilfegebern liegen dagegen die traditionellen Geber Deutschland (282 Millionen US-Dollar) und Frankreich (227 Millionen US-Dollar) an der Spitze. Bei den deutschen Forderungen handelt es sich wesentlich um neue Finanzierungen nach der Entlastung Ghanas unter der HIPC-Initiative 2002 und 2005. Nach seiner Graduierung zum Mitteleinkommensland ist Ghana eines der wenigen (Ex-)HIPCs, welche aus Deutschland zinsgünstige Kredite anstelle von Zuschüssen erhalten. Schon Ende 2021 war Ghana gegenüber 10 privaten Gläubigern, 7 bilateralen öffentlichen und einem multilateralen Kreditgeber (der Europäische Investitionsbank) im Zahlungsrückstand. Im Laufe des Jahres 2022 haben sich diese Zahlungsrückstände bis zur teilweisen Zahlungseinstellung in der zweiten Jahreshälfte weiter erhöht.
TREND Ghanas Auslandsschulden haben sich von 2010 bis 2021 vervierfacht und sind seither noch weiter angestiegen. Dabei sind die Verbindlichkeiten gegenüber allen Gläubigergruppen deutlich gestiegen. Innerhalb der Gruppe der bilateralen öffentlichen Gläubiger hat es – vor allem infolge kommerzieller Finanzierungen aus China – eine starke Verschiebung von konzessionären zu marktmäßigen Finanzierungen gegeben. Die deutlich steigenden Schulden haben sich nur deshalb nicht schon vor 2022 in stärker steigenden Schuldenindikatoren niedergeschlagen, weil der Ölboom vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie und dann wieder nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hohe Ölpreise zur Folge hatte.
BISHERIGE SCHULDENERLEICHTERUNGEN FÜR GHANA Ghana wurde 2002 in die multilateralen HIPC-Initiative aufgenommen. Nominale 7,4 Milliarden US-Dollar wurden 2004 unter der HIPC-Initiative und im darauffolgenden Jahr unter der Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI) gestrichen, was den zweitgrößten nominalen Schuldenerlass aller HIPC-Länder bedeutet. Zuvor hatte Ghana den 1996 bei Verhandlungen im Pariser Club der Gläubiger unter Classic Terms eine Umschuldung ohne Teilerlass und 2001 eine kleinere Umschuldung mit einem Erlasselement von 67 Prozent (Naples Terms) auf die relativ bescheidenen umgeschuldeten Fälligkeiten erhalten. China hat 2003 bis 2007 in drei Schritten insgesamt rund 240 Millionen US-Dollar Forderungen an Ghana gestrichen, und damit in etwa seinen Beitrag zur HIPC-Entschuldung erbracht. Nach der HIPC-Entlastung lagen bis 2017 alle Auslandsschuldenindikatoren Ghanas im unkritischen Bereich. 2018 stieg der Schuldendienstquotient dann erstmal und sprunghaft wieder über die kritische Grenze von 15 Prozent. Das gleiche geschah 2020 mit dem Quotienten aus Schuldenstand und Exporteinnahmen. Ghana hatte schon 2020 eine Beteiligung an der Moratoriumsinitiative der G20 (Debt Service Suspension Initiative, DSSI) abgelehnt und dadurch im kritischen Jahr 2021 rund 516 Millionen US-Dollar geleitstet, die auch hätten aufgeschoben werden können.
AKTUELLE RISIKEN FÜR DIE SCHULDENTRAGFÄHIGKEIT Der Internationale Währungsfonds (IWF) bescheinigt Ghana ein hohes Überschuldungsrisiko und auch der Schuldenreport 2022 von erlassjahr.de bewertet die Verschuldungssituation des Landes als „kritisch“. Ghana weist mit mehr als 600 Prozent ein dramatisch hohes Niveau der öffentlichen Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen auf. Die Regierung gibt an, dass 2021 mehr als 70 Prozent aller öffentlichen Einnahmen für den Zinsdienst an heimische und externe Gläubiger aufgewendet wurden. Seit Dezember 2022 ist das Land auch offiziell im Zahlungsausfall. Am 19. Dezember 2022 stellte die ghanaische Regierung die Bedienung ihrer Eurobonds, privaten Bankschulden und der meisten Schulden bei öffentlichen bilateralen Gläubigern ein, nachdem es kurz zuvor eine Finanzierung durch den IWF hatte aushandeln können. Bereits zuvor hatte die ghanaische Regierung von den heimischen Gläubigern einen Schuldentausch mit Abschlag vom ursprünglichen Wert erzwungen. Der IWF hatte Schuldenrestrukturierungen mit den bilateralen Gläubigern zu einer Bedingung für seinen zugesagten Kredit in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar gemacht Ghana hatte sich nach seiner Entlastung durch die HIPC -Initiative eine bemerkenswerte politische Stabilität unter anderem auch durch relativ hohe öffentliche Ausgaben erkauft, welche besonders in Wahljahren regelmäßig stark angestiegen sind. Aktuell liegen die gesamten öffentlichen Schulden im deutlich kritischen Bereich und in jedem Wahlzyklus weist der IWF erneut (meist vergeblich) auf die Gefahren für die fiskalische Stabilität durch eine allzu großzügige Ausgabenpolitik hin.
POLITISCHE EMPFEHLUNGEN Von den meisten Gläubigern und Beobachtern war der Zahlungsausfall von Ende 2022 erwartet worden. Auf der privaten Seite hat sich relativ schnell ein Gläubigerkomitee unter Beteiligung der wichtigsten Investmentfonds, welche ghanaische Anleihen halten, gebildet. Unter den Investoren ist man vorsichtig optimistisch, dass eine Umschuldung zügiger ausgehandelt werden kann als in anderen Ländern, die aktuell im Zahlungsausfall sind, da China in Ghana nicht ganz so dominant vertreten ist wie beispielsweise in Sambia. Die ghanaische Regierung muss verhindern, dass etwa unter Hinweis auf die gerade wieder gestiegenen Ölpreise ein notwendiger Schuldenerlass kleingerechnet wird, wie das jüngst im Tschad geschehen ist. Es wird auch nach einem Schuldenerlass weiterhin eine höchst verwundbare extraktivistische Ökonomie sein, die durch Preisveränderungen für seine Rohstoffe, auf die es kaum Einfluss hat, immer wieder in Schwierigkeiten geraten kann. Ein nunmehr auch in den Augen der Gläubiger unvermeidlicher teilweiser Schuldenerlass muss deshalb weitgehend genug sein, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Andernfalls wird er sich schnell als nur das erste Glied in einer neuen Kette serieller Umschuldungen erweisen.
START » INFORMIEREN » LÄNDER – INDIKATOREN
ERLÄUTERUNG DER LÄNDERINDIKATOREN Bei der „Messung“, wie kritisch die Verschuldungssituation eines Landes ist, wird sich auf folgende Verschuldungsindikatoren bezogen: Hat die ganze Volkswirtschaft gegenüber dem Ausland mehr Zahlungsverpflichtungen als ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entspricht?Der Auslandsschuldenstand wird ins Verhältnis zur gesamten Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft gesetzt. Zu den Auslandsschulden gehören die Verbindlichkeiten sowohl des öffentlichen Sektors als auch des Privatsektors eines Landes gegenüber ausländischen Gläubigern. Der Indikator weist auf die gesamtwirtschaftliche Belastung hin, das heißt ob eine Volkswirtschaft genug Güter und Dienstleistungen produziert, um ihren Schuldendienst leisten zu können. Ist der Staat im In- und Ausland stärker verschuldet als es der Leistungsfähigkeit der ganzen Volkswirtschaft entspricht?Ist der Staat im In- und Ausland so hoch verschuldet, dass seine Einnahmen den aktuellen Schuldendienst nicht mehr gewährleisten können?Die öffentlichen Schulden sind die expliziten und impliziten Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand – von der Zentralregierung bis hin zu öffentlichen Unternehmen. Zu den öffentlichen Schulden gehören aber auch die Schulden privater Unternehmen, für die der Staat eine Garantie ausgesprochen hat. In vielen Entwicklungsländern aber vor allem in Schwellenländern nimmt die inländische Verschuldung stetig zu und stellt mittlerweile einen signifikanten Anteil an der Verschuldung der öffentlichen Hand dar. Durch die Betrachtung der öffentlichen Verschuldung wird versucht, eine fiskalische Gefährdung zu identifizieren, also eine Belastung des Staatshaushalts. Es wird also geschaut, ob der Staat prinzipiell genug Einnahmen generiert, um die Staatsschulden zu bedienen. Sind die Auslandsschulden von Staat, Bürger/innen und Unternehmen so hoch, dass durch Exporte nicht dauerhaft genug Devisen erwirtschaftet werden können, um die Schulden zu bezahlen?Auslandsschulden können in den meisten Fällen nicht in Landeswährung zurückbezahlt werden. Die Leistung des Schuldendienstes erfordert die Erwirtschaftung von Devisen durch Exporte, Überweisungen von Migrant/innen oder neue Verschuldung. Ist der laufende Auslandsschuldendienst von Staat, Bürger/innen und Unternehmen so hoch, dass durch Exporte aktuell nicht genug Devisen erwirtschaftet werden können, um im laufenden Jahr Tilgung und Zinsen zu bezahlen?Dieser Indikator setzt die jährlichen Zahlungen für Tilgung und Zinsen ins Verhältnis zu den Exporteinnahmen. Er lässt erkennen, ob der jährliche Schuldendienst – unabhängig vom gesamten Schuldenstand – die aktuelle Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft in einem gegebenen Jahr überfordert.
Erklärung der Schuldenkategorien 2
Vor allem durch die stark ausgeweitete Platzierung von Anleihen an den internationalen Kapitalmärkten sind private Geldgeber inzwischen die wichtigste Gläubigergruppe Ghanas. Als eines der ersten unter der Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) entlasteten Länder platzierte Ghana schon 2007 eine öffentliche Anleihe in Höhe von 750 Millionen US-Dollar am Kapitalmarkt. Seit 2013 ist Ghana in großem Stil am Anleihemarkt aktiv. Platzierte Staatspapiere stiegen bis 2018 auf mehr als 5 Milliarden US-Dollar und haben sich bis Ende 2021 noch einmal mehr als verdoppelt. Die Zinssätze auf die ausstehenden Anleihen liegen in der Größenordnung von 10 Prozent und sind damit auch im afrikanischen Vergleich hoch.
Die Anleihezeichner lassen sich wegen des beständigen Handels auf dem Sekundärmarkt nicht verlässlich einzelnen Ländern zuordnen. Bei den etwas weniger umfangreichen Bankschulden ist dies indes möglich: Ghana hat Schulden bei Banken aus nicht weniger als 18 verschiedenen Ländern, durchweg pro Land im zwei- oder dreistelligen Millionenbereich. Die umfangreichsten Forderungen halten deutsche Banken mit insgesamt 626 Millionen US-Dollar, gefolgt von britischen und belgischen Instituten.
Größter multilateraler Geber ist die Internationale Entwicklungsorganisation, eine Unterorganisation der Weltbank-Gruppe, mit mehr als 3 Milliarden US-Dollar an konzessionären und rund 1,5 Milliarden US-Dollar an nicht-konzessionären Forderungen. Nur die Afrikanische Entwicklungsbank hält mit 1,2 Milliarden US-Dollar Forderungen in vergleichbarer Größenordnungen. Fünf weitere multilaterale Institutionen halten deutlich kleinere Beträge.
Unter den bilateralen Gläubigern hat sich in den letzten Jahren eine bedeutende Verschiebung weg von Entwicklungshilfekrediten und hin zu kommerziellen Finanzierungen ergeben. Die bedeutendsten Inhaber nicht-konzessionärer Forderungen an Ghana sind drei Schwellenländer, die gerade in den letzten Jahren kommerzielle Kredite bereitgestellt haben. Mit deutlichem Abstand werden sie angeführt von China (1,44 Milliarden US-Dollar), gefolgt von Indien (442 Millionen US-Dollar) und Ägypten (212 Millionen US-Dollar). Erst danach folgen die USA.
Unter den Entwicklungshilfegebern liegen dagegen die traditionellen Geber Deutschland (282 Millionen US-Dollar) und Frankreich (227 Millionen US-Dollar) an der Spitze. Bei den deutschen Forderungen handelt es sich wesentlich um neue Finanzierungen nach der Entlastung Ghanas unter der HIPC-Initiative 2002 und 2005. Nach seiner Graduierung zum Mitteleinkommensland ist Ghana eines der wenigen (Ex-)HIPCs, welche aus Deutschland zinsgünstige Kredite anstelle von Zuschüssen erhalten.
Schon Ende 2021 war Ghana gegenüber 10 privaten Gläubigern, 7 bilateralen öffentlichen und einem multilateralen Kreditgeber (der Europäische Investitionsbank) im Zahlungsrückstand. Im Laufe des Jahres 2022 haben sich diese Zahlungsrückstände bis zur teilweisen Zahlungseinstellung in der zweiten Jahreshälfte weiter erhöht.
WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN UND MATERIALIEN:
Rollenspiel “Ghana – ein für alle Mal ein Musterland?” in “Schuldenkrisen treffen Menschen – Aktivitäten für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit”
Schuldenreport
Auf einen Blick Im Kontext der Corona-Pandemie hat sich die weltweite Verschuldungssituation weiter verschärft. Länder in allen Weltregionen werden mit einer untragbaren Verschuldung aus der Pandemie gehen. Flächendeckende Zahlungseinstellungen konnten 2021 zwar vermieden werden. Doch dies gelang in vielen Fällen nur durch rigorose Sparmaßnahmen und Neuverschuldung. Verschuldung weltweit: 135 von 148 untersuchten Staaten im Globalen Süden sind kritisch verschuldet. Im Vergleich zur Prognose im Schuldenreport 2021 sind damit drei Länder hinzugekommen. Besonders kritisch verschuldet sind 39 Länder, mehr als dreimal so viele wie noch vor der Pandemie. Darunter sind Länder aller Einkommenskategorien und Weltregionen. Mehr als die Hälfte der besonders kritisch verschuldeten Länder sind von bisherigen Entschuldungsmaßnahmen der G20 ausgeschlossen. Die bisherigen Maßnahmen der G20 haben keine substanziellen Schuldenerlasse ermöglicht. In vielen Ländern kann der Schuldendienst daher nur auf Kosten öffentlicher Dienstleistungen aufrechterhalten werden. Bereits 2021 wurden in 83 Niedrig- und Mitteleinkommensländern öffentliche Ausgaben gekürzt, um den Schuldendienst weiter bedienen zu können. Die massive Ausweitung von multilateralen Krisenfinanzierungen erlaubt es privaten Gläubigern, sich aus den Schuldnerländern zurückzuziehen, ohne selbst Verluste hinnehmen zu müssen. 58 Niedrig- und Mitteleinkommensländer zahlten 2020 mehr an Zins- und Tilgungszahlungen an private Gläubiger im Ausland, als sie im gleichen Zeitraum von diesen an neuen Krediten zur Verfügung gestellt bekamen. Anstatt die Krise rasch zu überwinden, werden private Forderungen damit auf die öffentlichen Haushalte abgewälzt. Gleichzeitig wurde die Atempause, die durch das Schuldenmoratorium DSSI der G20 und die massiven Liquiditätshilfen geschaffen wurde, nicht für überfällige Reformen der Schuldenarchitektur genutzt. Empfehlungen an die Bundesregierung Die deutsche G7-Präsidentschaft 2022 fällt in eine schuldenpolitisch wichtige Zeit, in der entscheidende Weichen für die Schaffung nachhaltiger Lösungen der globalen Schuldenkrise gestellt werden können. Anstatt abzuwarten, ob das G20-Umschuldungsrahmenwerk Common Framework in seiner bisherigen Form Früchte trägt, sollte die Bundesregierung folgende Maßnahmen ergreifen: Als Mitglied der G7, der G20 sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF) sollte die Bundesregierung den politischen Druck erhöhen, damit private Gläubiger in Umschuldungsverhandlungen einbezogen werden. Im Rahmen der G7 sollte sie sich für die rechtliche Absicherung von Umschuldungen einsetzen, indem sie die Schaffung von nationalen Gesetzen anstößt, die das Unterlaufen von multilateralen Umschuldungsvereinbarungen erschweren – etwa nach dem Vorbild des britischen Anti-Geierfonds-Gesetzes. Bei Umschuldungsverhandlungen sollte die Bundesregierung sich dafür stark machen, dass in der Auseinandersetzung mit blockierenden Privatgläubigern Zahlungseinstellungen für Schuldnerländer möglich werden. Dies könnte etwa durch ein klares Signal des IWF für die konsequente Anwendung seiner entsprechenden Kreditvergabepolitik und durch eine öffentliche Verpflichtung der G20 zur finanziellen und politischen Unterstützung des Schuldners geschehen. Im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft sollte Deutschland gezielt den Dialog mit Staatengruppen und Regierungen suchen, die sich ebenfalls für faire und effiziente Entschuldungsverfahren einsetzen. Dazu gehören etwa die Vulnerable Twenty (V20). Zudem sollte die Bundesregierung die im neuen Koalitionsvertrag verankerte Absicht zur Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens zeitnah angehen und sich proaktiv für einen zwischenstaatlichen Verhandlungsprozess auf Ebene der Vereinten Nationen einsetzen Schuldenreport: SR22-online.pdf (erlassjahr.de)
Ghana: Eine Schuldenkrise, die ihre Wurzeln im Kolonialismus hat
Mehr als 60 Jahre ist es her, dass Ghana seine Unabhängigkeit erlangte. Doch die vom Kolonialismus geprägte Wirtschaft steckt in einer Schuldenkrise, und Spekulanten ziehen weiterhin große Gewinne aus dem Land.
Ghana befindet sich in einer Schuldenkrise. Obwohl dem Land vor zehn Jahren beträchtliche Schulden gestrichen wurden, verliert es jedes Jahr rund 30 % seiner Staatseinnahmen durch Zahlungen für Auslandsschulden. Diese enormen Zahlungen sind nur möglich, weil Ghana mehr Kredite von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) aufnehmen konnte, mit denen die Zinsen für die Schulden bei früheren Kreditgebern bezahlt werden, während der Gesamtbetrag der Schulden steigt.
Die Ursachen der Schuldenkrise liegen in der anhaltenden Abhängigkeit von Rohstoffexporten sowie in einer nicht verantwortungsvollen Kreditaufnahme und -vergabe, was bedeutet, dass neue Schulden nicht genügend Einnahmen generieren, um sie zurückzahlen zu können.
Die Abhängigkeit Ghanas von Rohstoffen geht auf die Kolonialzeit zurück. Die Grenzen des Landes, das heute als Ghana bekannt ist, wurden von den britischen Kolonisten im späten 19. Jahrhundert festgelegt. Die Europäer kamen erstmals Ende des 15. Jahrhunderts an die "Goldküste", um alternative Handelsrouten zur Sahara zu erschließen und so an das Gold der Region zu gelangen. Die Portugiesen, Holländer, Briten, Deutschen, Schweden und Dänen bauten oder besetzten Burgen und Festungen, die als Gefängnisse für den Sklavenhandel genutzt wurden.
Das Ende des Sklavenhandels fiel mit der industriellen Revolution zusammen, als sich die europäischen Mächte wieder mehr für die materiellen Güter Afrikas - Rohstoffe wie fossile Brennstoffe, Metalle und Nutzpflanzen - interessierten als für die gewaltsame Verschiffung seiner Menschen über den Atlantik. Mit dem "Kampf um Afrika" im 19. Jahrhundert dehnten die Briten ihren Einfluss weiter ins Landesinnere aus und strebten die direkte Kontrolle über Gold und andere Ressourcen an.
Obwohl Ghana 1957 als erstes kolonisiertes Land die Unabhängigkeit erlangte, ist die Wirtschaft des Landes auch nach über 60 Jahren noch von der Ausfuhr von nur drei Rohstoffen abhängig - Gold, Kakao und jetzt auch Öl, die zusammen über 80 % der ghanaischen Ausfuhren ausmachen.
Diese Abhängigkeit von Rohstoffen war der zentrale Faktor für die Schuldenkrise, die in den 1980er und 1990er Jahren in weiten Teilen des globalen Südens herrschte. Zu Beginn der 1980er Jahre fielen die weltweiten Rohstoffpreise, wodurch die Auslandsschulden, die nur durch Auslandseinnahmen wie Exporte beglichen werden konnten, rasch anstiegen. Da die Rohstoffproduzenten in aller Welt auf Anraten des IWF und der Weltbank ihre Produktion ausweiteten, um ihre Schulden zu bezahlen, blieben die Rohstoffpreise über 20 Jahre lang niedrig.
Seit Mitte der 1990er Jahre forderte die weltweite Jubilee-Bewegung einen Schuldenerlass, der zur Schaffung und Verbesserung zweier Schuldenerlassprogramme des IWF und der Weltbank führte, der Initiative für hochverschuldete arme Länder und der Multilateralen Entschuldungsinitiative.
Infolge dieses Schuldenerlasses sank die staatliche Auslandsverschuldung Ghanas von 6,6 Milliarden Dollar im Jahr 2003 auf 2,3 Milliarden Dollar im Jahr 2006. In der Folge kam es zu erheblichen Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, die auf Einsparungen und Investitionen sowie auf eine gute Regierungspolitik zurückzuführen sind, die die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen verbessert hat. Der Anteil der Kinder, die die Grundschule abschließen, lag von 1980 bis 2006 konstant bei etwa 60-70 % und hat sich seitdem auf fast 100 % erhöht. Der Anteil der Geburten, bei denen medizinisches Fachpersonal anwesend war, stieg zwischen 1998 und 2006 nur von 44 % auf 47 %, doch in den folgenden acht Jahren erhöhte er sich auf 74 %.
Die Abhängigkeit Ghanas von Rohstoffen hielt jedoch an, und da die Preise stiegen, erhöhte sich die Bereitschaft der Kreditgeber, aufgrund der wachsenden Wirtschaft Kredite zu vergeben. Zwischen 2006 und 2013 wuchs das ghanaische BIP pro Kopf um 44 %. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Menschen, die unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben, jedoch nur um 10 % und damit langsamer als in den vorangegangenen sieben Jahren, in denen das Wachstum weitaus geringer ausgefallen war. Der Grund dafür war, dass ein Großteil der Wachstumsgewinne an die einkommensstärksten Personen ging. Für jeden Anstieg des Einkommens der ärmsten 10 % um 1 GH₵ stiegen die Einkommen der reichsten 10 % um mehr als 9 GH₵.
Dieses rasante Wirtschaftswachstum führte zu einer erhöhten Bereitschaft und dem Wunsch verschiedener Institutionen, Ghana Kredite zu gewähren, mit einer entsprechenden Bereitschaft zur Kreditaufnahme. Die Kreditvergabe stieg von 2008 bis 2011 stetig an. Insgesamt wurden zwischen 2007 und 2015 18,2 Mrd. USD an Auslandskrediten und 9 Mrd. USD an Schuldentilgung aufgenommen, so dass 9,5 Mrd. USD der zusätzlichen Kreditaufnahme für Ausgaben innerhalb Ghanas zur Verfügung standen.
Anfang 2013 fiel der Goldpreis erheblich, ebenso wie der Ölpreis ab Anfang 2014. Zwischen 2013 und 2016 sank der Wert des Cedi gegenüber dem Dollar um 50 %. Dies führte dazu, dass das in Dollar ausgedrückte Volumen der ghanaischen Wirtschaft von 47,8 Mrd. USD im Jahr 2013 auf 36 Mrd. USD im Jahr 2015 zurückging. Da Auslandsschulden in Dollar oder anderen Fremdwährungen geschuldet sind, hat dies wiederum den relativen Umfang der Schulden und Schuldenzahlungen erhöht. Die Auslandsverschuldung ist von 14,7 Mrd. USD im Jahr 2013 auf 21,1 Mrd. USD im Jahr 2016 gestiegen (ein Anstieg von 44 %), doch aufgrund der Abwertung ist die Auslandsverschuldung von 30 % des BIP im Jahr 2013 auf voraussichtlich 56 % im Jahr 2016 gestiegen (ein Anstieg von 87 %).
Auf diese wirtschaftlichen Schocks hat die Regierung unter anderem mit der Aufnahme von mehr Geld reagiert. Die Zinssätze für die neuen Schulden sind hoch, unter anderem 10,75 % für einen Kredit in Höhe von 1 Mrd. USD im Jahr 2015. Für dieses Darlehen hat die Weltbank gegen ihre eigenen Regeln verstoßen, indem sie Zahlungen in Höhe von 400 Mio. USD garantierte, falls die ghanaische Regierung diese nicht leisten kann. Die Weltbank darf solche Garantien nicht für Regierungen geben, die als hochgradig schuldengefährdet eingestuft werden, was für Ghana in den letzten sieben Monaten der Fall war. Der hohe Zinssatz und die Garantie bedeuten, dass die Anleihespekulanten, wenn die ghanaische Regierung bis 2024 jedes Jahr die Zinsen zahlt und dann ab 2025 mit allen anderen Zahlungen, einschließlich des Kapitalbetrags, in Verzug gerät, immer noch 90 Millionen Dollar mehr verdient hätten, als wenn sie der US-Regierung ein Darlehen gegeben hätten. Das bedeutet, dass die Spekulanten Ghana Geld geliehen haben, weil sie davon ausgingen, dass die Wahrscheinlichkeit groß war, dass sie nicht vollständig zurückgezahlt werden würden.
Im Moment werden diese Spekulanten jedoch bezahlt, u. a. weil der IWF seit April 2015 mehr Geld leiht, das für die Begleichung von Schulden verwendet wird, wodurch frühere Kreditgeber effektiv gerettet werden. Im Gegenzug muss die ghanaische Regierung die Staatsausgaben kürzen und die Steuern erhöhen. Nach den derzeitigen Plänen werden die Staatsausgaben pro Person (inflationsbereinigt) zwischen 2012 und 2017 um 20 % sinken.
Die Verschuldung stellt bereits jetzt eine erhebliche Belastung für die ghanaische Wirtschaft und Gesellschaft dar, und es besteht die Gefahr, dass das Land in eine ausgedehnte Schuldenfalle gerät, in der die Wirtschaft stagniert, die Armutsquote möglicherweise steigt und die Ziele für nachhaltige Entwicklung nicht erreicht werden. Die heutige Krise ist auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen: Versäumnisse bei der Diversifizierung weg von den Rohstoffen, Versäumnisse der Regierung und der Kreditgeber bei der produktiven Verwendung der Kredite, weltweit sinkende Rohstoffpreise, insbesondere bei Gold und Öl, und der Opportunismus von Spekulanten, die auf der Suche nach großen Gewinnen Kredite zu hohen Zinssätzen vergeben.
Die Menschen in Ghana sollten nicht das ganze Leid einer Krise tragen müssen, die durch die Politik der Regierung, unverantwortliche Kreditgeber und globale wirtschaftliche Schocks verursacht wurde, insbesondere wenn Spekulanten weiterhin große Gewinne aus dem Land ziehen.
Lesen Sie mehr:
Der Fall und der Aufstieg von Ghanas Schulden: Wie eine neue Schuldenfalle aufgestellt wurde (Oktober 2016)
Der Fall und Aufstieg
der ghanaischen Schulden: Wie eine
neue Schuldenfalle entstanden ist
.
9 Okt 2016
Gerechtigkeit in der Verschuldung
Ghana befindet sich in einer Schuldenkrise. Nachdem dem Land vor zehn Jahren beträchtliche Schulden gestrichen wurden, verliert es jedes Jahr rund 30 % seiner Staatseinnahmen durch Zahlungen für Auslandsschulden.
Ghanas Krise ist das Ergebnis einer allmählichen Zunahme der Kreditvergabe und -aufnahme aufgrund der Entdeckung von Öl und der hohen Rohstoffpreise. Nach dem Preisverfall bei Öl und anderen Rohstoffen seit 2013 wurden weitere Kredite aufgenommen, um die Auswirkungen des Preisverfalls bei den Rohstoffen aufzufangen, während der relative Umfang der Schulden auch wegen des Wertverlusts der ghanaischen Währung, des Cedi (GH¢), gegenüber dem Dollar ($) zunahm.
Gegenwärtig werden alle Kosten der Krise von der ghanaischen Bevölkerung getragen und nicht von den Kreditgebern. Das ist ungerecht. Die Kreditgeber sollten ihren Teil der Kosten für die unverantwortliche Kreditvergabe und die durch den Verfall der Rohstoffpreise verursachte Veränderung der Umstände tragen.
Außerdem sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um eine Wiederholung der Krise in Ghana zu verhindern. Dazu gehören Änderungen seitens der Regierung und der Kreditgeber, um sicherzustellen, dass die Kredite gut genutzt werden und dass ein größerer Teil der von der Wirtschaft erwirtschafteten Einnahmen durch Steuern in Staatseinnahmen umgewandelt wird.
Lesen Sie den Bericht in Englisch (32 Seiten) oder die Kurzfassung (4 Seiten).
Ghanas Schuldensituation verschlechtert sich, da die Kreditgeber weiterhin gerettet werden
21. MAI 2018
TIM JONES
- IWF-Prognosen für Schulden, Einnahmen und Zinsen sind zu optimistisch
- Öffentliche Ausgaben werden jedoch stärker gekürzt als ursprünglich geplant
- Schuldenkrise wird voraussichtlich die nächsten zwanzig Jahre andauern, selbst wenn es ein hohes Wirtschaftswachstum gibt
Das IWF-Rettungsprogramm für Ghana in Höhe von 1,1 Mrd. USD läuft seit drei Jahren, und die Schuldenindikatoren sind jetzt in allen Bereichen schlechter als zu Beginn des Programms im Jahr 2015 erwartet.
Ghanas Auslandsverschuldung liegt jetzt bei 46 % des BIP, während der IWF für 2018 einen Wert von 40 % erwartet hatte. Die Gesamtverschuldung des Staates sollte 2018 bei 61 % liegen, laut IWF wird sie nun 71 % betragen. Am dramatischsten ist, dass der externe Schuldendienst des Staates zu Beginn des Rettungsprogramms für 2018 mit 21 % der Staatseinnahmen veranschlagt war, nun aber mit 56 % mehr als doppelt so hoch sein wird. Mittelfristig wird erwartet, dass der Auslandsschuldendienst im Bereich von Mitte 30 % der Einnahmen liegen wird, gegenüber Mitte 20 % zu Beginn des Programms.
Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass die Schuldensituation Ghanas und insbesondere die Schuldenzahlungen jetzt schlechter sind als vom IWF zu Beginn seines Kreditprogramms erwartet. Erstens ist das reale BIP-Wachstum in den letzten drei Jahren insgesamt um 3 % niedriger ausgefallen als 2015 vorhergesagt.
Noch wichtiger ist, dass sich die Erhebung der Staatseinnahmen dramatisch verschlechtert hat. Laut IWF-Programm sollten die Einnahmen von 17,8 % des BIP im Jahr 2014 auf 20,3 % im Jahr 2018 steigen. Tatsächlich sind sie jedoch leicht auf 17,6 % zurückgegangen. Und die Zinskosten für Auslandsschulden sind weitaus höher. Der IWF hatte erwartet, dass der durchschnittliche nominale Zinssatz für Fremdwährungsschulden von 6,2 % im Jahr 2014 auf 4,4 % fallen würde. Tatsächlich ist er aber auf 6,9 % gestiegen.
In unserem Bericht von 2016 warnte die Jubilee Debt Campaign, dass die Wachstumsprognosen des IWF und die Erwartung, dass Ghana neben dem hohen Wachstum auch die Steuereinnahmen steigern könnte, optimistisch seien. Wir sagten auch, dass es schwierig sein würde, die nominalen Zinssätze zu senken. Bislang haben sich diese Einschätzungen als richtig erwiesen, nicht aber die des IWF.
Das Einzige, was nicht dazu beigetragen hat, dass sich die Schuldensituation schlechter als erwartet entwickelt hat, sind die öffentlichen Ausgaben, die stärker gekürzt wurden als ursprünglich geplant. Im Jahr 2013 beliefen sich die ghanaischen Staatsausgaben (ohne Zinsen) auf 21 Mrd. GH₵ (zu Preisen von 2013), was 820 GH₵ pro Person entsprach. Für 2017 wurde mit 21,8 Mrd. GH₵ (in Preisen von 2013) gerechnet, was einen Rückgang auf 770 GH₵ pro Person bedeutet hätte.
Im Jahr 2017 beliefen sich die Ausgaben jedoch tatsächlich auf 19,3 Mrd. GH₵ (in Preisen von 2013), d. h. 680 GH₵ pro Person. Natürlich könnte die Ausgabenkürzung um 17 % pro Person ein Grund dafür sein, dass das Wachstum geringer ausgefallen ist als erwartet.
Ghana steht nun vor einer tieferen und länger andauernden Schuldenkrise. Selbst bei prognostizierten jährlichen Realwachstumsraten von durchschnittlich 6 % rechnet der IWF damit, dass die Auslandsschulden bis in die späten 2030er Jahre über 30 % der Einnahmen ausmachen werden.
Außerdem könnte sich die Situation für Ghana noch verschlimmern. In den drei Wochen seit Abschluss der IWF-Prüfung ist der ghanaische Cedi gegenüber dem Dollar um 4 % gefallen, was den relativen Umfang der Schuldenzahlungen in Fremdwährungen erhöht. Die Renditen der ghanaischen Anleihen (die den Zinssatz für künftige Kreditaufnahmen angeben), die seit 2016 gesunken sind, haben zu steigen begonnen. Die Rendite der ghanaischen Anleihe, die zwischen 2028 und 2030 fällig wird, ist von 5,9 % im Januar auf jetzt 7,5 % gestiegen (und die Zahlungen für diese Anleihe werden teilweise von der Weltbank garantiert, so dass der Zinssatz für künftige Kreditaufnahmen tatsächlich höher sein wird). Weitere Zinserhöhungen in den USA könnten diese beiden Zahlen noch verschlechtern.
Das IWF-Programm Ghanas läuft im April 2019 aus. Sowohl die ghanaische Regierung als auch der IWF sollten sich fragen, warum das ghanaische Volk und die IWF-Kredite weiterhin die hohen Zinsen an ausländische Kreditgeber zahlen sollen, und stattdessen eine Umschuldung in Betracht ziehen, um die enorme Schuldenlast zu bewältigen.
In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE [bundestag.de] hat die Bundesregierung Stellung zu ihrer internationalen Schuldenpolitik genommen. Das Entschuldungsrahmenwerk Common Framework der G20 sei “ein wichtiger Fortschritt und eine große Errungenschaft in der internationalen Schuldenarchitektur”. Da der Vorschlag eines kodifizierten Staateninsolvenzverfahrens “derzeit nicht zeitnah realisierbar” sei, strebe die Bundesregierung “eine effektivere Umsetzung” des Common Framework an. In der Anfrage hatte die Fraktion nach Maßnahmen zur Lösung der Schuldenkrise im Globalen Süden und zur Beteiligung privater Gläubiger an Schuldenerlassen gefragt.
Staateninsolvenzverfahren nicht absehbar
Haushalt/Antwort - 30.01.2023 (hib 73/2023)
Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung sieht zeitnah keine Möglichkeit für die Einigung auf ein wirkungsvolles kodifiziertes Staateninsolvenzverfahren auf internationaler Ebene. Vielmehr setze man auf die Umsetzung des von den G 20-Staaten gebilligten sogenannten „Common Framework“ (CF), heißt es in der Antwort der Bundesregierung (20/5297) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/4853). Das „Common Framework“ sei eine „große Errungenschaft in der internationalen Schuldenarchitektur“. Seine Prinzipien basierten auf denen des Pariser Clubs: der Notwendigkeit der vergleichbaren Einbindung privater Gläubiger sowie einer verbindlichen Gläubigerkoordination, dem Erfordernis eines Programms des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Voraussetzung von Schuldentransparenz. Mit „Common Framework“ könne ein geordneter und fairer internationaler Umgang mit Überschuldungsfällen erreicht werden.
Als aktuelle CF-Fälle werden in der Antwort die Länder Tschad, Sambia und Äthiopien genannt. Weiter berichtet die Bundesregierung, dass sie dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages 2022 Schuldenumwandlungen für Ägypten, Tunesien, Honduras und Kamerun in Höhe von insgesamt bis zu 89 Millionen Euro vorgeschlagen habe. Dieser Vorschlag sei Ende November 2022 vom Haushaltsausschuss positiv beschieden worden. Auf dieser Basis könne nun in die Umsetzung der vorgeschlagenen Schuldenumwandlungen eingestiegen werden.
Die Fraktion Die Linke hatte in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage darauf hingewiesen, dass sich die Verschuldungssituation über die letzten drei Jahre in vielen Ländern des Globalen Südens dramatisch verschärft habe.
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