Deutsche Kriegsschiffe wieder vor China: Kanonenbootpolitik 2.0: Die Militarisierung der deutschen Politik schreitet weiter voran. Diesmal führt das grüne Außenministerium Truppen nach Ostasien.
- Wolfgang Lieberknecht
- 8. Sept. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Kanonenbootpolitik 2.0
The Germans to the front von Carl Röchling: Zeitgenössische Glorifizierung der China-Expedition China-Expedition – Wikipedia
Deutsche Kriegsschiffe vor China
Von Raul Zelik
Bild: Fregatte „Baden-Württemberg“. Quelle: flickr
Die Militarisierung der deutschen Politik schreitet weiter munter voran. Diesmal führt das grüngeleitete Außenministerium die Truppen in den ostasiatischen Raum. Bislang lässt das Außenministerium offen, ob die Fregatte »Baden-Württemberg« und das Versorgungsschiff »Frankfurt« die Meerenge von Taiwan tatsächlich durchfahren werden. Gut gelaunt verkündete der grüne Staatsminister Tobias Lindner bei einem Besuch in Tokio, man sei nicht verpflichtet, Peking um Erlaubnis zu fragen, da es sich um internationale Gewässer handele. Es gelte die »wertebasierte Ordnung« zu verteidigen, erläuterte Lindner. Und der mitgereiste Marine-Inspekteur assistierte, Kriegsschiffe seien zur Sicherung von Handelsrouten unverzichtbar: »No shipping, no shopping.«
Forsch segelt Deutschland damit in Richtung eines neuen brandgefährlichen Konflikts. Denn völkerrechtlich ist in der Taiwan-Frage vieles hochumstritten. Über Jahrhunderte gehörte die Insel zu China, wurde 1895 von Japan besetzt und fiel 1945 zurück an Peking. Nach dem Sieg der Kommunisten 1949 verschanzte sich die rechtsnationalistische Kuomintang-Regierung auf der Insel und beanspruchte zunächst, Gesamt-China zu repräsentieren. Dass eine Mehrheit der Taiwanes*innen heutzutage die Unabhängigkeit befürwortet, ist vermutlich richtig. Aber das Völkerrecht sieht eine Unabhängigkeit wegen mangelnder politischer Freiheiten nicht vor. Verbürgt ist nur das Selbstbestimmungsrecht einer Nation ohne Staat.
Man stelle sich die Sache umgekehrt vor: Die Balearen hätten sich unabhängig erklärt, und die Volksrepublik China würde zum Schutz Mallorcas Kriegsschiffe ins Mittelmeer verlegen. Vermutlich wäre sich die europäische Öffentlichkeit schnell darin einig, dass es sich hierbei um eine inakzeptable Provokation handelt.
Was die Entsendung deutscher Kriegsschiffe angeht, ist die Sache sogar noch eindeutiger. Deutschland war zwischen 1898 und 1919 Kolonialmacht in China und federführend an der Niederschlagung des Boxeraufstands beteiligt. 1900 sorgte Kaiser Wilhelm II. für die Zusammenstellung einer internationalen Strafexpedition, zu der sich Briten, Amerikaner, Russen, Japaner, Franzosen und Deutsche in überraschender Eintracht zusammenfanden. Die Militäroperation kostete mehr als 100 000 Chines*innen das Leben.
Gewiss: Die VR China verhält sich gegenüber ihren Nachbarn nicht minder imperialistisch als die westlichen Verbündeten. Aber die Entsendung deutscher Kriegsschiffe bleibt eine neokoloniale Geste, die an die »Kanonenbootpolitik« der Jahrhundertwende erinnert. Zu den Skurrilitäten der Grünen gehört es, dass sie in Museen zur »De-Kolonisierung« aufrufen, im geopolitischen Konflikt hingegen ganz auf die neoimperiale Karte setzen. Denn in Taiwan geht es genau darum: Der Chip-Hersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing Company produziert die Hälfte aller Halbleiter weltweit. Bei den modernsten Varianten liegt der Weltmarktanteil sogar bei über 90 Prozent. Fiele Taiwan an Peking, würde die Volksrepublik dieSchlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts kontrollieren. Das sind die »Werte«, die hier verhandelt werden.
Erstveröffentlicht im nd v. 31.8. 2024https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184891.taiwan-kanonenbootpolitik.html?sstr=ZelikWir danken für das Publikationsrecht.
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wikipedia: Kanonenbootpolitik 1.o
Das deutsche Zentralamerikanische Geschwader vor Corinto in Nicaragua im
Als Kanonenbootpolitik, Kanonenbootdiplomatie oder Flottendemonstration bezeichnet man das Vorgehen von Seemächten gegenüber kleineren Mächten zur Durchsetzung eigener Interessen mittels eines oder mehrerer Kriegsschiffe. Sie war ein gängiges Mittel der Machtprojektion, vor allem zur Blütezeit des Imperialismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts vor dem Ersten Weltkrieg. Die Kanonenbootpolitik diente neben der Durchsetzung von Wirtschafts- und Machtinteressen auch dem Eintreiben von Forderungen und dem Schutz eigener Bürger – letzteres Argument diente bisweilen nur als Vorwand; es sollte den Kanonenboot-Einsatz legitimieren.
Häufig wurden für diese Aufgaben Kanonenboote eingesetzt: kleinere Kriegsschiffe, die auf Grund ihres geringen Tiefganges bis nahe an die Küste heranfahren und auch in Flüsse hineinfahren konnten, und so mit ihrer Geschützbewaffnung unmittelbar gegen zivile oder militärisch schwach gesicherte Ziele wie Hafenanlagen und Küstenorte eines Gegners Wirkung erzielen konnten. Die meisten Kriegsschiffe waren außerdem in der Lage, aus der Besatzung kleine Landungskommandos zu bilden.
Nach 1945 erlebte die Kanonenbootpolitik eine späte Neuauflage, etwa in Fällen, in denen langjährige Kolonialmächte im Rahmen der Dekolonisation unhaltbar gewordene Positionen und Einflusszonen nicht ohne weiteres räumen wollten.
Das Gegenteil der Kanonenbootpolitik ist die Scheckbuchdiplomatie.
Kiautschou 1897
→ Hauptartikel: China-Expedition
Die Ermordung von zwei deutschen Missionaren war für Kaiser Wilhelm II. der willkommene Vorwand, die Bucht von Kiautschou an der Ostküste Chinas durch das Landungskorps einer Kreuzerdivision zu besetzen und so einen Pachtvertrag über 99 Jahre zu erzwingen.
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