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Aus Liebe zum Imperium: Um als Afrikaner afrikanische Kunst zu sehen, müssen sie nach Europa reisen

Zwei Filme von Peter Heller erinnern an den deutschen Kolonialismus als Teil des europäischen Kolonialismus in Afrika: Eins seiner Resultate bis heute wird im Film über die Masken geschildert

Die Liebe zum Imperium

Im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts gingen abenteuerlustige Männer daran, in fremden Erdteilen Ländereien für Deutschland zu erwerben. Sie waren von der Notwendigkeit überzeugt, für das deutsche Volk Raum in der Welt schaffen zu müssen. Der wachsenden Industrie sollten Rohstoffe und Absatzmärkte nach britischem und französischem Vorbild beschafft werden. Der Film zeigt am Beispiel des deutschen Kolonialeroberers Dr. Carl Peters, der die Kolonie Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) gründete, welche Ungerechtigkeiten in dieser Zeit geschahen.

Der Film verarbeitet dieses Buch:

Hans Paasches Forschungsreise in das Innerste Deutschlands

von Wolfgang Schlott Mehr als hundert Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Briefe Hans Paasches über die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara in das Land der Wasungu ist das Interesse an diesem schmalen Bändchen augenscheinlich ungebrochen. Zahlreiche Auflagen in unterschiedlichen Verlagen beweisen es. Worin besteht die außergewöhnliche Erzählerperspektive in den neun Briefen der vorliegenden Publikation? Es sind die Beobachtungen eines fiktiven Zeitzeugen, der auf Wunsch seines Königs Ruoma ins kaiserliche Deutsche Reich reiste, um seine visuellen Eindrücke von einer modernen, hochindustriellen und militarisierten Gesellschaft zu übermitteln. Sie bedienen sich dabei der satirisch-verfremdenden Sichtweise des deutschen Autors, einem Marineoffizier, der nach seinen Eindrücken von der grausamen Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstands in Ostafrika (1905/06) durch deutsche Kolonialtruppen zum Pazifisten wurde. Trotz seiner ethisch-moralischen Abkehr von der Gewalt meldet er sich 1914 freiwillig zum Militärdienst. Zwei Jahre später wird er wegen Befehlsverweigerung aus dem Dienst entlassen. In den folgenden Kriegsjahren verfolgt ihn die Reichsjustiz, weil er in Aufrufen und Schriften gegen die Fortführung des Kriegs protestiert. Im Herbst 1918 unterstützt er die streikenden Matrosen, kurz nach Kriegsende tritt er in die KPD ein und gerät immer mehr ins Visier der Reichswehr. Am 20. Mai 1920 wird er unter dem Vorwand, er würde auf seinem Gut „Waldfried“ jenseits der Oder, unweit des heutigen Krzyż Wielkopolski, Waffen verstecken, von einem Angehörigen des Reichswehr-Schutzregiments 4 heimtückisch ermordet.

Worin besteht der besondere Wert der Briefe des Lukanga? Nach Ansicht von Paasche legte der fremde Mann „an die Zustände in Deutschland seinen Maßstab. […] Seine Beobachtungsgabe und die Nacktheit seines Urteils bringen es mit sich, dass er bedeutend über Dinge sprechen kann, denen wir selbst gar nicht einmal unbefangen gegenüberstehen können.“ Und welche Urgestalt verbirgt sich hinter dem Erzähler? Laut Franziskus Hähnel, der das Vorwort zu dieser Ausgabe beisteuerte, sei es ein Negerbursche gewesen, „den Hans Paasche zur Bedienung hatte, als er seine Hochzeitsreise mit seiner Frau Ellen nach den Nilquellen machte.“ Auf dieser Reise verstärkt sich Paasches positiver Eindruck von seinen Gastgebern, die er als „kluges Negervolk“ bezeichnet. Zugleich verdichtet sich sein Widerwille gegenüber den „Kulturerrungenschaften“ seines eigenen Volkes. So klagt er im zweiten Brief über die schädlichen Auswirkungen der Industrialisierung, über den Rauch im Dunst, der in „langen, steinernen Röhren“ zum Himmel geleitet wird. Er beklagt, dass der Sungu (junger Mensch) einem Konsumzwang ausgesetzt sei, der ihn krank mache. Er macht sich lustig über den Kleiderzwang, dem die Wasungu ausgeliefert seien, und sehnt sich nach der Nacktheit seiner Artgenossen. Im fünften Brief macht er sich über die Wasungu lustig, weil sie statt essen nur schlucken: „… alles, was sie in den Mund hineintun, ist dazu vorbereitet, das es hinuntergeschluckt und nicht gegessen werde.“ Auch die Sauflust der Wasungu und ihre komischen Trinksitten verspottet er beim Besuch von Kneipen, in denen sich Studenten in schlagenden Verbindungen treffen .Er wundert darüber, dass sie sich dort Narben ins Gesicht schneiden, die sie auch noch schön finden würden. Ebenso komisch ist die Beschreibung des Rauchens in der Gesellschaft von Männern und Frauen. Zigaretten oder Zigarren sind Rauchrollen, die ganze Prozedur nennt sich Rauchstinken. Und das sei sehr schädlich, weil die Rauchstinker früher sterben, was auch für die Volkswirtschaft von Nachteil sei. Nur die Anwesenheit von Frauen könnte diese schädlichen Sitten eindämmen.

Besonders hinterlistig sind die Kommentare, die Hans Paasche immer dann in die enthüllenden Aussagen seines afrikanischen Erzählers einfügt, wenn dieser dem Leser unverständliche Begriffe zum Beispiel für die Saufrituale verwendet. Auf diese Weise erfährt der Text eine doppelte semantische Brechung, weil die Aufklärung des Lesers durch den Autor kontraproduktiv ist. Eine nicht minder listige und zugleich exotische Art einer afrikanischen Aufklärung wählte der Verleger, indem er Abbildungen afrikanischer Wandmalerei einer bibliophilen Sonderausgabe der Buchdruckerei Brüder Hartmann aus dem Jahre 1955 entnahm wie auch auf fünf weitere Quellen zu griff. Damit gelingt es ihm, gemeinsam mit der markanten Gestaltung des Umschlags (Susanne Burghardt), den authentischen Charakter eines Berichts aus der Feder eines afrikanischen Augenzeugens zu untermauern. Umso wichtiger ist deshalb auch die Kommentierung der widersprüchlichen Rezeption der Briefe in der deutschen Presselandschaft. Ihr sind die Beiträge von Iring Fetscher und Helmut Donat gewidmet, unter denen vor allem die grundlegende Auseinandersetzung des Verlegers und Publizisten mit der Bewertung der Briefdokumente in der Bundesrepublik Deutschland nach 1981 hervorzuheben ist.

Einen besonderen Akzent erhält die Würdigung des Werkes von Hans Paasche durch den Abdruck eines zehnten Briefes aus der Feder von Kamila Jaworska. Als Schülerin am Gymnasium in Krzyż Wielkopolski, also jenem Ort, in dessen Nähe Hans Paasche 1920 ermordet wurde, schreibt sie 2007 im Zuge der Wiederentdeckung der Werke und Taten des Pazifisten auch in Polen an den König Omukama. Mit dem Wissen einer aufgeklärten Fernsehkonsumentin beklagt sie das wirtschaftliche Elend in den Ländern der so genannten Dritten Welt und die Arroganz der Bewohner in den reichen Ländern. Ist damit die Botschaft des widerständigen Aufklärers Paasche in der Gegenwart angekommen? Im Prinzip ja, aber nur wenn der Leser, angeregt von den unermüdlichen Aktivitäten der Friedensbewegung, davon überzeugt wird, dass die Bemühungen von Sisyphus nicht umsonst sind. Hans Paasche: Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins Innerste Deutschlands, Donat Verlag, Bremen 2016, 167 Seiten, 12,80 Euro.


und nun zum Filmer Peter Heller (* 1946 in Prag) ist ein deutscher Dokumentarfilmer und Produzent.

Peter Heller absolvierte die Hochschule für Fernsehen und Film in München. Nach Arbeiten beim Fernsehen in Lateinamerika und Asien begann er in Deutschland als unabhängiger Autor, Regisseur und Produzent Dokumentarfilme zu drehen. Ein wichtiger Teil seiner Arbeiten dokumentiert Probleme, die in Afrika entstanden sind. Vor allem aber die Auseinandersetzung mit der deutschen Kultur und Gesellschaft ist ihm Thema: „Wir sollten über die Slums von Lagos sprechen, aber jene von Köln dabei nicht vergessen. Wir müssen über uns selbst reden mit Lust auf die Entdeckung der Wirklichkeit.“ Viele von Hellers Filmen erhielten internationale Auszeichnungen, Anerkennungen und Preise. Seinem dokumentarischen Filmschaffen wurden Retrospektiven in Amsterdam, München, Calcutta, Atlanta, Chicago, Washington und im Kulturkanal „eins plus“ gewidmet. Den höchsten europäischen Fernsehpreis, den „Prix Europa“, erhielt er 1998 zusammen mit Sylvie Banuls.



Innerhalb von 200 Jahren wurde Afrika unzähliger bedeutender Kulturschätze beraubt. Zu Tausenden gehortet findet man sie heute in Museen, privaten Sammlungen und Galerien wieder. Und gerade deutsche Völkerkundemuseen verbergen im Fundus die reichsten Kollektionen aus Afrika. Der Kunsthistoriker Romuald Tchibozo aus Benin und die Politologin und Panafrikanistin Aissa Halidou aus Niger sind Experten auf diesem Gebiet. Sie hinterfragen die Motive der Europäer, den "Blick der Weißen", von der Vergangenheit bis in die Gegenwart. Neue Ausgrabungen in Nigeria, im Lande der Nok, zeugen von jahrtausendealter Kunst in Königreichen, die ohne Schriftkultur in Vergessenheit geraten waren. Die reichen Funde aus dem Lande der Nok erstrahlen heute in Museen von Boston bis Brüssel und sogar in Tirol. Sie wurden zu Investmentgütern von Spekulanten und Anreiz für Fälscher. Masken wie Skulpturen sind heute zu hochpreisigen Spekulationsobjekten auf dem Kunstmarkt verkommen. Die Dokumentation verfolgt den Kunstraub von Afrikas Vergangenheit bis in die Gegenwart. Sie führt zu Voodoo-Ritualen in Togo, zu kultischen Riten in Benin und zur Messe für primitive Kunst in Europa. Das Kamerateam sieht am Drehkreuz der Zwischenhändler in Togo zu. An der Grenze zu Benin gibt es eine regelrechte Fälscherwerkstatt: Dort schaffen geschickte Schnitzer Repliken und Nachahmungen teurer Kunstwerke der Sammlungen - Urkundenfälscher in Europa beurkunden die Kopien erst zu Fälschungen. Vom armen Holzschnitzer in Mali bis zu renommierten Auktionen in Paris und New York wird die Wertsteigerung verfolgt: Den Rekordpreis von mehr als 12 Millionen US-Dollar erzielte erst kürzlich eine wunderschön geschnitzte Frauenstatue der Senufo aus Westafrika. In Afrika leben heute fast eine Million Menschen von der Herstellung und dem Handel mit Repliken.

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