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Antonio Gramsci und Paulo Freire: Was können wir von ihnen für unsere Emanzipation lernen?


Paulo Freire (* 19. September1921 in Recife; † 2. Mai1997 in São Paulo) war ein in Theorie und Praxis einflussreicher brasilianischerPädagoge und weltweit rezipierter Autor. Paulo Freire – Wikipedia


Pädagogik der Unterdrückten

1970 erschien Paulo Freires befreiungspädagogisches Hauptwerk – Pädagogik der Unterdrückten. Dieses Buch wurde in 18 Sprachen übersetzt. Zwar weist Paulo Freire nicht explizit darauf hin, dass dieses Buch auf den Erfahrungen aufbaut, die er in der Alphabetisierungskampagne gemacht hat, aber implizit findet man die Grundstruktur wieder.


Die Analyse des herrschenden Schulsystems – „Bankiers-Methode“

Die vorherrschende Unterrichtsmethode nennt Paulo Freire „Bankiers-Methode“. Er macht seine Kritik deutlich, indem er den Positivismus seiner Zeit kritisiert. So behauptet er, dass die Anhänger des Positivismus glauben, dass das „menschliche Bewusstsein etwas leeres und passives ist, in dem es nichts gibt, was bewusst gemacht werden sollte.“[8] So schreibt Paulo Freire: „Das Bankiers-Konzept beruht auf der Voraussetzung einer Spaltung zwischen Mensch und Welt: der Mensch ist nur in der Welt, aber nicht mit der Welt oder mit anderen. Der Mensch ist Zuschauer, nicht Neuschöpfer. In dieser Sicht ist der Mensch nicht ein bewusstes Wesen, vielmehr ist er Besitzer eines Bewusstseins: eines leeren Sinnes, der dem Empfang von Einlagen an Wirklichkeit aus der Außenwelt passiv offen steht.“[9]

In der Bankiers-Methode wird Erziehung zu einem Akt der Spareinlage. Der Lehrer macht Einlagen in die Köpfe der Schüler. Die Aufgabe des Lehrers ist es, die Köpfe der Schüler „mit den Inhalten seiner Übermittlung zu füllen“ – mit Inhalten, die von der Wirklichkeit losgelöst sind, ohne Verbindung zu einem größeren Ganzen, das sie ins Leben rief und ihnen Bedeutung verleihen könnte.[10] „Je vollständiger er die Behälter füllt, ein desto besserer Lehrer ist er. Je williger die Behälter es zulassen, dass sie gefüllt werden, um so bessere Schüler sind sie.“[10] Paulo Freire behauptet, dass diese Bankiers-Methode die Schüler passiv macht. Sie nehmen die ihnen präsentierte Welt hin und passen sich der scheinbaren Realität an. So entwickelt sich nach Paulo Freire kein kritisches Bewusstsein.


Die Alternative – „problemformulierende Bildung“

„In der problemformulierenden Bildung entwickeln die Menschen die Kraft, kritisch die Weise zu begreifen, in der sie in der Welt existieren, mit der und in der sie sich selbst vorfinden. Sie lernen die Welt nicht als statische Wirklichkeit, sondern als eine Wirklichkeit im Prozess sehen, in der Umwandlung.“[11]

Paulo Freires Konzept sieht vor, den Lehrer-Schüler-Widerspruch, wie er in der „Bankiers-Methode“ vorherrscht, aufzuheben. So bezeichnet er sie konsequenterweise als „Lehrer-Schüler“ bzw. als „Schüler-Lehrer“. Durch wahren Dialog der „Schüler-Lehrer“ und der „Lehrer-Schüler“ sollen beide die Wirklichkeit enthüllen. Dialog kann „nicht existieren, wo es an der tiefen Liebe für Welt und Menschen fehlt“;[12] wo es nicht „einen intensiven Glauben an den Menschen, einen Glauben an seine Macht, zu schaffen und neu zu schaffen, zu machen und neu zu machen, Glauben an seine Berufung, voller Mensch zu sein"[13] fehlt; "ohne dass sich die Dialogpartner auf kritisches Denken einlassen.“[13]

Nach Paulo Freire entdeckt man bei der Analyse des Dialogs, „was das Wesen des Dialogs ausmacht: das Wort“.[14] Das Wort ist mehr als ein Instrument, das den Dialog ermöglicht. In ihm entdeckt Paulo Freire zwei konstitutive Elemente: Reflexion und Aktion. Für ihn beruht Praxis auch auf Reflexion und Aktion.

Wenn im Unterricht nur theoretisch reflektiert wird, fehlt die Aktion. Dies bezeichnet Paulo Freire als „Verbalismus“. Wenn andererseits das Gewicht mehr auf Aktion gesetzt wird, fehlt die Reflexion. Dies bezeichnet er als „Aktionismus“. Ein guter Unterricht muss also ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Reflexion und Aktion anstreben.


Kommunikation, Bewusstseinsbildung und Autonomie

Da nur ein Teil von Freires Gesamtwerk ins Deutsche übersetzt wurde, konzentriert sich die Rezeption in Deutschland auch stark auf diese Werke (v. a. Pädagogik der Unterdrückten). Dies führte u. a. dazu, dass Freire zunehmend in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Dabei wird leicht übersehen, wie umfassend sein Gesamtwerk ist. Insbesondere Werke wie die Pedagogia da autonomia (Pädagogik der Autonomie), Pedagogia da Esperanca (Pädagogik der Hoffnung), A educacao na cidade (Die Bildung in der Stadt) oder der Aufsatz Education and Community Involvement besitzen eine hohe Aktualität sowohl für Diskussionen um Bürgerpartizipation und Zivilgesellschaft, aber auch zum technologischen Wandel. Freires Pädagogik ist eine Pädagogik der Kommunikation, denn durch die Kommunikation erfolgt eine Reflexion und damit Bewusstseinsbildung. Durch diese Bewusstseinsbildung ist es dem Menschen möglich, Autonomie zu erlangen. Die Aktualität dieser Konzepte zeigt sich schon durch neue Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten, die den Menschen vor neue Herausforderungen stellen. So kann Freires Pädagogik wichtige Impulse liefern für die Medienpädagogik (Schwinger 2005).

Seit 2007 liegt auch ein Teil des Spätwerks auf Deutsch vor.

Antonio Gramsci [anˈtɔːni̯o ˈgramʃiAntonio Gramsci?/i] (* 22. Januar1891 in Ales auf Sardinien; † 27. April1937 in Rom) war ein italienischerSchriftsteller, Journalist, Politiker und marxistischer Philosoph. Er gehört zu den Begründern der Kommunistischen Partei Italiens (Partito Comunista Italiano), deren Generalsekretär (Vorsitzender) er von 1924 bis 1927 war. Vom 6. April 1924 bis zu seiner Verhaftung durch Faschisten am 8. November 1926 war er Abgeordneter im italienischen Parlament. Während seiner Zeit im Gefängnis verfasste Gramsci Texte mit philosophischen, soziologischen und politischen Überlegungen, die 32 Hefte füllen. Sie sind als Gefängnishefte bekannt geworden und bilden ein bedeutendes Werk marxistischen Denkens; Gramscis Analysen werden bis heute in der Politischen Theorie rezipiert.














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