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Als 2008 die Nato der Ukraine Mitgliedschaft anbot, war klar, dass Russland das nicht hinnehmen wird

Autorenbild: Wolfgang LieberknechtWolfgang Lieberknecht

Günter Verheugen bemängelt, dass über die Vorgeschichte zum Ukraine-Krieg wird berichtet und diskutiert wird. Die Amerikaner haben in den 1990er-Jahren eine Sicherheitsdoktrin entwickelt, die gesagt hat: Nirgendwo auf der Welt darf es eine Macht geben, die stärker ist als wir; wir wollen überall die Nummer eins sein. Der Wiederaufstieg Russlands zu einem globalen Rivalen musste verhindert werden. Hinzu kommt, dass man in Washington sehr misstrauisch ist, wenn Deutsche und Russen sich verständigen. Wir haben das Potenzial, eine unabhängige Stimme in der Völkergemeinschaft zu sein. Wir können sehr viel mehr, als wir zur Zeit leisten. Das ist „nur“ eine Frage des politischen Willens.

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Vorgeschichte zum Ukraine-Krieg wird nicht beachtet


Verheugen:

Ich vermisse die schonungslose Auseinandersetzung mit der Vorgeschichte.


Ich bin überzeugt, dass im Jahr 2008 mit dem Angebot an die Ukraine, Nato-Mitglied zu werden, willentlich und wissentlich eine Linie überschritten wurde, und dass dies für Russland wegen seiner Sicherheitsinteressen nicht hinnehmbar war.


Obama hat Russland als eine Regionalmacht verspottet.


Die EU hat den Beitritt der Ukraine vorangetrieben, ohne mit dem Nachbarn Russland zu reden. Russen und Ukrainer haben aber vielfache kulturelle, wirtschaftliche und soziale Bindungen. Bei der Ost-Erweiterung der EU haben wir Russland kein Mitspracherecht eingeräumt, aber es gab Themen, die wir mit den Russen besprechen mussten – die Frage der russischen Minderheiten in den baltischen Staaten, Kaliningrad – natürlich haben wir mit den Russen darüber geredet, und zwar mit Erfolg. Die Vereinbarungen mit Russland, die wir geschlossen haben, haben alle gehalten.


Es gab kein einzelnes Ereignis. Aber die Amerikaner haben in den 1990er-Jahren eine Sicherheitsdoktrin entwickelt, die gesagt hat: Nirgendwo auf der Welt darf es eine Macht geben, die stärker ist als wir; wir wollen überall die Nummer eins sein.


Der Wiederaufstieg Russlands zu einem globalen Rivalen musste verhindert werden. Hinzu kommt, dass man in Washington sehr misstrauisch ist, wenn Deutsche und Russen sich verständigen.


Bezüglich der Ukraine wurde leider der Fehler gemacht, dass die EU gesagt hat, das Land müsse sich entscheiden zwischen EU und Eurasischer Union.

Das war falsch, denn mit der Ukraine als Scharnier hätte die Idee eines Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok verwirklicht werden können.


Deutschland muss gemeinsam mit Frankreich eine EU schaffen, die bereit und in der Lage ist, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Das ist kein Selbstzweck, sondern eine Bedingung dafür, dass wir in der Welt überhaupt noch eine Rolle spielen.


Dazu müssen wir auch unsere Einstellung zu den Ländern des globalen Südens grundlegend ändern. Diese Länder sind es leid, von uns ständig belehrt zu werden.

Als gleichberechtigter Akteur auf der internationalen Bühne, ohne jede Supermachtambition, könnte die EU auf Augenhöhe bei der Lösung der globalen Probleme mitwirken, statt nachvollziehen zu müssen, was andere beschließen.


Wir haben das Potenzial, eine unabhängige Stimme in der Völkergemeinschaft zu sein. Wir können sehr viel mehr, als wir zur Zeit leisten. Das ist „nur“ eine Frage des politischen Willens.


 
 
 

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