Öko-Imperialismus: Der neue Kampf um die Bodenschätze der Ukraine. Zahlen statt Hysterie: Was Russland wirklich kann – und was nicht.
- Wolfgang Lieberknecht

- 11. März
- 5 Min. Lesezeit
Die Ukraine ist reich an strategischen Rohstoffen. Um diese Schätze ringen Russland, die USA und die EU. Doch die wahren Drahtzieher sitzen woanders. (Teil 1)

Die Ukraine ist zum Spielball neoimperialer Interessen geworden. Insbesondere die ukrainischen Rohstoffe stehen im Fokus eines manifest werdenden Ökoimperialismus, der vorgeblich im Kampf für Freiheit und Demokratie geführt wird. Im Hintergrund steht die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen. Gleichzeitig wird die Welt der internationalen Beziehungen, wie wir sie kannten, gezielt zerstört.
Die Welt konnte im Fernsehen verfolgen, wie in einer abgekarteten Reality-Show der ukrainische Präsident von Trump und Vance gedemütigt und schließlich aus dem Weißen Haus geworfen wurde. Ziel der Show war es, bessere Verhandlungsbedingungen für den Rohstoffdeal zwischen der Ukraine und den USA zu erreichen und die Kriegsschuld von Putin auf Selenskyj zu verlagern.
Kurz erklärt: Rohstoffreiche Ukraine
Selenskyj wollte den Vertragsentwurf für die US-Ausbeutung der ukrainischen Rohstoffvorkommen an Sicherheitszusagen der USA knüpfen. Dies wollte die US-Regierung jedoch nicht, da sie wusste, dass sich Selenskyj in einer von ihr abhängigen Position befand. Entsprechend demütig ging Selenskyj bereits in den nächsten Tagen wieder auf die USA zu, bedauerte den Streit und versprach, das vorliegende Rohstoffabkommen zu unterzeichnen.
In der Zwischenzeit hatte sich die Russische Föderation mit ihrer militärischen Großinvasion in die Ukraine und der Eroberung von Teilen der Ostukraine bereits die dortigen erheblichen Rohstoffvorkommen gesichert.
Aggressiv reagierte Trump auch auf Selenskyjs Vorwürfe gegen Putin ("ein Killer"). Hier – und dann auch im Abstimmungsverhalten in der UN-Generalversammlung und im UN-Sicherheitsrat – zeigte sich eine Annäherung zwischen der russischen und der US-amerikanischen Regierung. In der Austragung dieses öko-imperialen Konflikts, in dem die Ukraine zum Spielball neoimperialistischer Interessen wurde, zeigte sich auf dramatische Weise, welche Rolle die Drohung mit Atomwaffen spielt.
Und es wird deutlich, dass eine Welt der internationalen Beziehungen, wie wir sie seit Jahrzehnten kannten, in Auflösung begriffen ist. Hier stellt sich die Frage nach neuen Bündnisstrukturen im Zusammenhang mit einer veränderten internationalen Sicherheitsstruktur und Kontrollmechanismen.
Die strategische Bedeutung der ukrainischen Rohstoffe
Die Ukraine verfügt über bedeutende Ressourcen (Erdöl, Erdgas, Uran, Lithium, Kohle, Aluminium, Titan und andere Seltene Erden), was die geostrategische Bedeutung des Konflikts zusätzlich unterstreicht. Der ehemalige US-Präsidentenberater und Autor internationaler Konfliktanalysen Zbigniew Brzezinski schrieb in seinem 1997 erstmals erschienenen und 2025 neu aufgelegten Buch Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft:
Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Transformation Russlands beiträgt.Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Imperium mehr. Es kann immer noch nach einem imperialen Status streben, aber es wäre dann ein vorwiegend asiatisches Imperium, das höchstwahrscheinlich in lähmende Konflikte mit aufständischen Zentralasiaten verwickelt würde, die den Verlust ihrer gerade erst erlangten Unabhängigkeit nicht hinnehmen wollen und von den anderen islamischen Staaten im Süden unterstützt werden.Auch China würde sich angesichts seines wachsenden Interesses an den jüngst unabhängigen Staaten dieser Region wahrscheinlich gegen eine Neuauflage russischer Dominanz in Zentralasien aussprechen. Sollte es Moskau jedoch gelingen, die Ukraine mit ihren 52 Millionen Einwohnern, ihren bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum Schwarzen Meer wieder unter seine Kontrolle zu bringen, würde Russland automatisch die Mittel erhalten, ein mächtiges Europa und Asien zu schaffen.mächtiges, Europa und Asien umspannendes Imperium zu werden. Wenn die Ukraine ihre Unabhängigkeit verlöre, hätte dies unmittelbare Auswirkungen auf Mitteleuropa und würde Polen zu einem geopolitischen Angelpunkt an der Ostgrenze eines vereinten Europas machen.Brzezinski 1997, S. 74 f.
Die Ukraine ist aus westlicher Sicht eine geostrategische Brücke nach Zentralasien und aus US-amerikanischer Sicht ein Hindernis zwischen dem rohstoffreichen Russland und dem industrialisierten Westeuropa.
Nicht nur die USA und Russland sind an den ukrainischen Rohstoffen interessiert
Auch die EU hat in ihrem "Critical Raw Material Act" (CRMA) (2023) explizit auf die Bedeutung der ukrainischen Rohstoffe hingewiesen. Der CRMA ist eine Initiative der Europäischen Kommission (März 2023), die die Versorgung der EU mit strategisch wichtigen und kritischen Rohstoffen für die grüne und digitale Transformation sicherstellen soll.
Er soll insbesondere die Abhängigkeit der EU von einzelnen Lieferländern (insbesondere China) verringern und die Lieferketten sichern. Die EU listet darin 34 kritische Rohstoffe (wie Kobalt und Graphit) auf, von denen 17 als strategisch wichtig eingestuft werden (darunter Lithium).
Mit dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine aus dem Jahr 2017 sollen wichtige Handels- und Wirtschaftskooperationen, insbesondere im Bereich des Rohstoffhandels, vertraglich abgesichert werden. Mit dem Memorandum of Understanding von 2021 wurde der Fokus verstärkt auf die "Strategische Rohstoff- und Batteriepartnerschaft" und die Integration ukrainischer Rohstoffe in die Lieferketten der EU gelegt. Die Ukraine ist damit ein wichtiger Teil der EU-Rohstoffinitiative.
In diesem Zusammenhang wurde auch die Global Gateway Initiative der EU ins Leben gerufen, die auf große Infrastrukturprojekte und Investitionen in der Ukraine abzielt, um Rohstoffexporte aus der Ukraine in die EU zu erleichtern. Seit 2023 laufen zudem Gespräche über den "Club der kritischen Rohstoffe", der eine engere Abstimmung der ukrainischen Rohstoffproduktion mit der europäischen Industrie zum Ziel hat.
Zu den Autoren:
Josef Mühlbauer, Politikwissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Empowerment for Peace, Autor und Leiter des Podcasts auf YouTube "Varna Peace Institute".
Karl-Wilhelm Koch, pensionierter Lehrer (Gymn. Oberstufe und Berufsschule, Chemie, Umwelttechnik und Mathematik, Dipl. Ing. (chem.)), Fachbuchautor (u.a. "Störfall Atomkraft"), Verleger und Publizist. Mitglied bei B90/Die Grünen, Vorsitzender des parteiunabhängigen Vereins Grünen Alternative e.V.
Rolf Bader, Dipl. Pädagoge, ehem. Offizier der Bundeswehr, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte/-innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte/-innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW).
Bernhard Trautvetter, u.a. Autor, aktiv im Essener Friedensforum und im Bundesausschuss Friedensratschlag.
Klaus Moegling, habilitierter Politikwissenschaftler, zuletzt apl. Professur am Fb Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel, i.R., Autor von "Neuordnung. Eine friedliche und nachhaltig entwickelte Welt ist (noch) möglich". Frei lesbar in der 6. aktualisierten und erweiterten Auflage.
Zahlen statt Hysterie: Was Russland wirklich kann – und was nicht
09. März 2025 David Goeßmann
Russland bedroht Europa – diese Angst sitzt tief. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Was also steht hinter den Warnungen vor einer Expansion? (Teil 2 und Schluss)
Im ersten Teil der Analyse konnten wir schon sehen, wie die Gespräche zwischen den USA und Russland sowie Trumps Diplomatie-Push für die Ukraine Entsetzen in Europa auslöste. Warum wehren sich die Europäer derart vehement gegen Enspannungspolitik?
Russland kennt keine Grenzen
Das Argument ist seit drei Jahren immer das gleiche, warum man nicht mit Putin verhandeln könne: Russland sei nicht zu trauen und wolle Europa an sich reißen. Dieses Argument ist in den Köpfen derart fest verankert, dass niemand mehr die offensichtlichen Widersprüche und Fehlannahmen in der Anti-Russland-Rhetorik erkennen kann, obwohl sie offen zutage liegen.
In seiner Fernsehansprache am Mittwochabend warnte der französische Präsident Emmanuel Macron, dass die russische Aggression "keine Grenzen kenne", sie nicht bei der Ukraine halt mache und eine direkte Bedrohung für Frankreich darstelle. Es müsse weitergekämpft werden, bis die Ukraine eine solide Basis für Verhandlungen errungen habe.
Schon rund um den Londoner Gipfel am letzten Wochenende hatte Macron erklärt, dass, wenn Putin nicht aufgehalten werde, er "mit Sicherheit nach Moldawien und vielleicht sogar weiter nach Rumänien vorrücken" wird."
Erst die Ukraine, dann Europa
Der Eurasien-Experte Anatol Lieven vom Quincy Institute in den USA fragt, woher Macron das mit "Sicherheit" wisse. "Hat Putin das gesagt? Hat er nicht wiederholt gesagt, dass dies ‚völliger Unsinn‘ sei, und entspricht dies nicht dem offensichtlichen Gleichgewicht zwischen russischen Risiken und Verlusten gegenüber möglichen Gewinnen?"
Sicherlich habe die russische Invasion in der Ukraine den Glauben an territoriale Ambitionen Russlands und Feindseligkeit gegenüber dem Westen genährt, so Lieven. Aber die These vom russischen Expansionismus sei nicht haltbar und in sich wiedersprüchlich.

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