Wie Frankreich in Afrika scheiterte
Artikel von Johannes Dieterich, Frankfurter Rundschau

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Das klägliche Ende der Grande Nation in Afrika: Vor dem Quartier der französischen Truppe in Nigers Hauptstadt Niamey haben sich erneut Tausende von Demonstranten eingefunden, um wie derzeit fast täglich den Abzug der ausländischen Soldaten zu fordern. „Verzieht euch!“, steht auf ihren Plakaten, oder: „Nieder mit Frankreich“.
Frankreichs Kolonialzeit ging auch in den 60 Jahren seit der Unabhängigkeit seiner Kolonien insgeheim weiter – ökonomisch, militärisch und finanzpolitisch. Paris zementierte den Einfluss seiner Mineralöl- oder Bergbaukonzerne und schloss Sicherheitsverträge mit seinen afrikanischen „Partnern“ ab. Das sicherte die Präsenz französischer Soldaten, den Verbleib unbeliebter Potentaten im Präsidentenamt und drängte die jungen Staaten zum Festhalten an einer Währung, die an den Euro gekoppelt ist. Das nützt Frankreich und schadet den afrikanischen Staaten, die den Geldverkehr nicht ihren eigenen Bedürfnissen anpassen können. Dass das System der „Françafrique“ so lange gut ging, erreichte Paris mit seiner Unterstützung selbst der fragwürdigsten Autokraten und mit korrupten Machenschaften, die hin und wieder das wirtschaftliche und politische Establishment Frankreichs erschütterten, etwa unter Giscard d’Estaing. Die Françafrique ging solange „gut“, wie es für die Ex-Kolonien keine Alternative zu dem einzigartigen System gab: Europa und die USA mischten sich nicht ein. Seit zwei Jahrzehnten dehnt jedoch China seinen wirtschaftlichen Einfluss in Afrika aus – und Russland will auf militärischem Gebiet nachziehen. Plötzlich bieten sich Westafrikas Staatschefs Alternativen an.