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Sturz von Fassaden-Demokratien in Afrika, die eher früheren Kolonialmächten als den Bürgern nutzen

Die Putsch-Welle in Afrika zeigt: Die internationale Gemeinschaft muss umdenken. Sonst stabilisiert sie weiter gewählte Autokratien.


Frankfurter Rundschau, Ghadafi Saibu, Auszügen: Die jüngste Welle von Staatsstreichen in Afrika verbreitete sich wie ein unkontrollierbares „Harmattan-Feuer“ in fünf Ländern im frankophonen Zentral- und Westafrika. Während diese Putsche einen besorgniserregenden Trend in Afrika markieren, stoßen sie bei der afrikanischen Bevölkerung auf breite Unterstützung. Nun, da es den Anschein hat, dass sich der Staub gelegt hat, sollten internationale Akteur:innen, denen an einer Demokratisierung gelegen ist, daraus ihre Lehren ziehen, um weitere Putsche zu vermeiden.

Gegenwärtig sind viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent langjährige Wahlautokratien (Hybridregime), die sich hinter der Fassade von Wahlen als Demokratien ausgeben. Das (Nicht-)Handeln der internationalen Akteur:innen, die Demokratien in Afrika fördern wollen, lässt jedoch darauf schließen, dass sie diese Hybridregime kompromisslos unterstützen, statt sich für demokratischere Regimeformen einzusetzen. Die demnach häufigste Regierungsform in afrikanischen Ländern, die Wahlautokratie, ist also ein de facto Mehrparteiensystem, das aufgrund erheblicher Unregelmäßigkeiten und Einschränkungen des Parteienwettbewerbs nicht demokratischen Standards entspricht.


Die Unterstützung dieser hybriden Regime erweckt den Eindruck, dass sie dem demokratischen Standard entsprechende, funktionierende Demokratien sind. Tatsächlich sind sie jedoch nicht nachhaltig. Die Bürger:innen geben ihre Stimme in der Erwartung ab, dass die von ihnen gewählten Politiker:innen ihre Wahlversprechen erfüllen. Aufgrund der institutionellen Schwächen und Inkohärenz von Wahlautokratien sind die Regierenden jedoch nicht verpflichtet, ihre Versprechen einzuhalten und können ungehindert ihre Macht missbrauchen. So kommt es, dass in vielen afrikanischen Ländern dringend benötigte öffentliche Güter fehlen, während sich korrupte Beamt:innen die Taschen füllen.


Die Bevölkerung, die unter der Unfähigkeit ihrer Regierung leidet, zweifelt zunehmend an der Idee der Demokratie, weshalb andere Regierungsformen wie die Militärherrschaft immer beliebter werden. Menschen in ganz Afrika feierten die Staatsstreiche – nicht etwa, weil sie demokratische Systeme an sich ablehnen, sondern weil sie unzufrieden damit sind, wie die Demokratie funktioniert bzw. nicht funktioniert.


Auch ungerechte (post-)koloniale politische Vereinbarungen zwischen afrikanischen Regierungen und ehemaligen Kolonialmächten spielen eine wichtige Rolle. Sie schüren Feindseligkeiten und begünstigen Staatsstreiche. Dies zeigt der antikoloniale Diskurs gegen Frankreich bei den jüngsten Putschen. Die Bürger:innen kritisieren ungerechte Steuerabkommen, die Monopolstellung von Air France in frankophonen Ländern, die einseitige militärische Zusammenarbeit und die Dominanz französischer Unternehmen, zum Beispiel in den Uranminen. Verstärkt wurden diese Ressentiments durch die Ambitionen konkurrierender Supermächte, sich in der Region Wettbewerbsvorteile und eine Vormachtstellung zu verschaffen.


Hybridregime als gültige Form der Demokratie anzuerkennen erweckt den Eindruck, Wahlautokratien genügten liberalen Standards. Sie sind allerdings eine fragile und defizitäre Form der Demokratie – weitere Schritte zur Demokratisierung sind notwendig. Um dazu die Zustimmung der afrikanischen Bevölkerung zu sichern müssen die post(kolonialen) Beziehungen gerechter gestaltet werden.

Ghadafi Saibu ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) im Forschungsprogramm „Transformation politischer (Un)ordnung“





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