Internationales Recht - Warum ein NATO-Beitritt Österreichs ein Rechtsbruch wäre. Er würde ein weiteres Mal zeigen, dass der Westen sich nicht an internationale Verträge hält
- Wolfgang Lieberknecht

- 30. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
In Österreich fordern einige Politiker den NATO-Beitritt des Landes, was in Russland kritisiert wird, weil das ein weiteres Mal zeigen würde, dass der Westen sich nicht an internationale Verträge hält. Neben anderen Folgen könnte der Schritt daher auch künftige Verhandlungen zwischen dem Westen und Russland erschweren.
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Neutralität
Neutralität
Im österreichischen Recht bezieht sich der Begriff „Neutralität“ primär auf die immerwährende Neutralität der Republik Österreich, die im Staatsvertrag von Wien 1955 festgelegt und im Verfassungsrecht verankert ist. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet sich insbesondere im Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs, das am 26. Oktober 1955 erlassen wurde. Dieses Bundesverfassungsgesetz erklärt, dass Österreich im Falle eines Krieges nicht einer der kriegführenden Parteien beitreten wird. Diese Verpflichtung zur Neutralität umfasst sowohl militärische als auch politische Aspekte, bedeutet also, dass Österreich keine militärischen Bündnisse eingeht und keine fremden Militärbasen auf seinem Territorium zulässt.
Die Neutralität Österreichs ist somit ein zentrales Element der österreichischen Außenpolitik und Sicherheitsstrategie. Sie verpflichtet das Land, sich in internationalen Konflikten neutral zu verhalten und gleichzeitig alles zu unternehmen, um die eigene Neutralität unter allen Umständen zu bewahren. Österreich engagiert sich aktiv in der Friedensförderung und internationalen Vermittlung, was im Einklang mit seiner Neutralität steht.
Das Konzept der Neutralität in Österreich ist auch eng mit der Europapolitik des Landes verbunden. Obwohl Österreich Mitglied der Europäischen Union ist, achtet es darauf, dass seine Neutralitätsverpflichtungen nicht beeinträchtigt werden. Die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen, die keine militärischen Verpflichtungen enthalten, ist mit der Neutralität vereinbar, wie es das Beispiel der EU-Mitgliedschaft zeigt.
Zusammenfassend ist Neutralität in Österreich ein umfassendes rechtliches und politisches Prinzip, das tief in der österreichischen Verfassung verwurzelt ist und einen wesentlichen Teil der nationalen Identität und der internationalen Rolle des Landes bildet.
60 Jahre Neutralität: Wie es dazu kam
Der Beschluss des Neutralitätsgesetzes im Nationalrat jährt sich am 26. Oktober zum 60. Mal. Damals kennzeichnete die Neutralität den Schlusspunkt der Bemühungen zur Wiedererlangung der österreichischen Unabhängigkeit.
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Wie aber war es dazu gekommen? Letztendlich ist der Beschluss der österreichischen Neutralität mit den Verhandlungen um den österreichischen Staatsvertrag eng verknüpft.
Die Ausgangsposition
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Wiederrichtung der Republik war Österreich durch die vier Siegermächte USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion besetzt. Schon 1946 starteten Bundesregierung und Nationalrat ihre Bestrebungen, die vollständige staatliche Selbstständigkeit wiederzuerlangen.
Einen ersten Vertragsentwurf dazu gab es bereits 1949. Die sich mittlerweile feindlich gegenüberstehenden Alliierten blockierten jedoch die Verhandlungen. Ein Vertragsabschluss rückte in weite Ferne. Im Herbst 1952 kam dann erstmals das Stichwort „Neutralität“ in Gesprächen zwischen österreichischen und sowjetischen Diplomaten auf den Tisch. Damit sollte ein Beitritt Österreichs zum westlichen Militärbündnis NATO ausgeschlossen werden. Die westlichen Alliierten waren demgegenüber entsprechend skeptisch eingestellt, wollten sie Österreich doch weiterhin westlich orientiert wissen.
Neutralisierung, militärische Blockfreiheit oder immerwährende Neutralität?
Im Jahr darauf griff die österreichische Politik das Stichwort der „militärischen Blockfreiheit“ auf, um dem Abschluss eines Staatsvertrages näherzukommen. Die Absicht, sich keinem militärischem Bündnis anschließen zu wollen, bekräftigte die Regierung 1954 auf der Außenministerkonferenz in Berlin. Im Zuge dieser Konferenz wurde auch erstmals eine Neutralität Österreichs nach Vorbild der Schweiz ins Spiel gebracht: Während der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow Österreich im Staatsvertrag zu einer „Neutralisierung“ verpflichten wollte, sprach sich sein US-amerikanischer Gegenpart John Foster Dulles für die freiwillige Neutralität nach Schweizer Vorbild aus.
Aber nicht nur auf dem internationalen Parkett war die Neutralität umstritten. Zwar war die Idee der Bündnisfreiheit bzw. der Neutralität bereits seit 1946 immer wieder Thema in Österreich. Die Regierungsfraktionen ÖVP und SPÖ waren sich jedoch uneinig darüber, wie diese ausgestaltet werden sollte. Die SPÖ sprach sich für eine militärische Allianzfreiheit aus, da sie im Falle einer expliziten Neutralität ein Abwenden von den Westmächten fürchtete. Die ÖVP konnte jedoch auch mit dem Begriff der Neutralität gut leben. Im Zuge der Staatsvertragsverhandlungen kristallisierte sich schließlich heraus, dass die UdSSR auf den Begriff der Neutralität bestehen würde. So konnten sich auch die österreichischen Regierungsfraktionen auf diesen Begriff einigen.
Nach weiteren Verhandlungen und einer Vereinbarung über den Abschluss der Neutralität im sogenannten Moskauer Memorandum, war also im Frühjahr 1955 eine Lösung gefunden, die sowohl die Sowjetunion als auch die Westalliierten akzeptieren konnten. Der Weg zum Staatsvertrag war somit frei, ohne, dass dieser eine Klausel zur Neutralität enthielt. Den Staatsvertrag unterzeichneten die Außenminister der vier Besatzungsmächte sowie der österreichische Außenminister Leopold Figl am 15. Mai 1955.
Parlament beschließt Neutralitätsgesetz
Bereits zehn Tage später brachten Abgeordnete aller vier im Parlament vertretenen Parteien einen Antrag zur Erklärung der Neutralität Österreichs ein. Schon in der nächsten Sitzung nahm das Plenum den Entschließungsantrag einstimmig an, in dem es die Regierung zur Übermittlung einer entsprechenden Gesetzesvorlage aufforderte.
Diese Regierungsvorlage lehnte sich stark an den Text des Entschließungsantrages an und traf noch im Juli im Nationalrat ein. Das Plenum befasste sich damit aber erst wieder am 26. Oktober. Dass so viel Zeit vergangen war, begründete Bundeskanzler Julius Raab damit, dass „der letzte Soldat österreichischen Boden verlassen hat, um eindeutig darzutun, dass die Beschlussfassung der legitimen frei gewählten österreichischen Volksvertretung in voller Unabhängigkeit und in voller Freiheit erfolgt.“ Die letzten Truppen der Besatzungsmächte waren erst am Vortag aus Österreich abgezogen.
Hatten im Mai noch alle Fraktionen den Antrag gemeinsam eingebracht, so war der Verband der Unabhängigen (VdU) nun übrigens gegen den vorliegenden Text. Die Abgeordneten störten sich unter anderem an den Worten „aus freien Stücken“ – schließlich wisse jeder, dass die Neutralität nur wegen des sowjetischen Drucks beschlossen werde. Am Ende beschloss der Nationalrat die Regierungsvorlage gegen die Stimmen des VdU. Am 28. Oktober bestätigte der Bundesrat den Beschluss, am 5. November trat das Gesetz nach der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft.
1956 erster „Tag der Fahne“
Nur ein Jahr später, am 26. Oktober 1956, begingen die ÖsterreicherInnen zum ersten Mal den „Tag der Fahne“. Damals galt der Jahrestag des Beschlusses des Neutralitätsgesetzes aber noch nicht als Nationalfeiertag. Diesen Status hat der Jahrestag erst seit einem Gesetzesbeschluss 1965.


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