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FJ-Strauss-Preis: Gorbatschows 2011 ignorierter Protest gegen neue US-Raketen an russischer Grenze

Aktualisiert: 4. Sept. 2022

Wenn Gorbatschow dem Westen gab, was der Westen wollte, wurde er gelobt. Wenn er den Westen kritisierte und vor den inneren und internationalen Folgen westlicher Politik warnte, wurde er ignoriert. Wenn er berichtete, dass die Behauptungen des Westens seit 1947, dass die Sowjetunion den Westen angreifen wolle, nicht stimmt, wurde das nicht aufgegriffen: Diese Behauptung war ideologische Grundlage des westlichen Bündnisses: mit ihre wurden die Bürger des Westens in Angst versetzt und die westlichen Aufrüstung und seine Kriege gegen die Ausbreitung des Kommunismus, etwa in Vietnam gerechtfertigt. Warum hat das Vertrauen in Gorbatschow nicht zur kritischen Überprüfung des eigenen Weltbildes geführt. Er warnte 2011 in München davor, dass es wieder zum Kalten und heißen Krieg kommen könne und forderte die Politiker auf das zu verhindern. Seine damalige Rede und die darin enthaltenen Warnungen wurde uns nicht von den Medien berichtet. Leider zeigt sich am Sterben in der Ukraine, wie richtig er 2011 mit seinen Warnungen lag.




Auszüge aus seiner Rede als Franz-Josef-Stauss-Preisträger in der Hans-Seidel-Stiftung am 10. Dezember 2011. Unten der Link zur ganzen Rede.


Gorbatschow fragt nach dem Sinn, wieder US-Raketen gegen Russland in Europa zu stationieren. Alles Gegenteilige mutet nur als Geschwafel und Rauchschleier zur Verdeckung der Wahrheit an.


"Es ist gut, dass es keine Berliner Mauer mehr gibt. Aber es entstehen leider schon wieder neue Spaltungslinien. Worüber sich die heutigen Politiker in ganz Europa einschließlich in Mittel- und Osteuropa Gedanken machen sollten, so über ihre Pflicht, eine neue Konfrontation unter keinen Umständen zuzulassen. Anfangs war ich der Ansicht, dass unsere Politiker in Russland auf die europäische Raketenabwehr und deren geplante Stationierung in Europa übermäßig scharf reagieren. Nun frage ich mich heute immer wieder nach dem Sinn des ganzen Vorhabens. Denn es sieht danach aus, dass das Raketenabwehrsystem der USA als ein Verteidigungsschild gegen Russland angedacht worden sei. Alles Gegenteilige mutet nur als Geschwafel und Rauchschleier zur Verdeckung der Wahrheit an. Die russische Regierung hat schließlich erklärt: „Wir stationieren auch entsprechende Verteidigungs- und Abwehrmittel, und wir sind bereit, Waffen einzusetzen, die unsere Sicherheit gewährleisten.“ Und was heißt das unterm Strich? Das heißt, dass die Möglichkeit eines neuen Krieges nicht auszuschließen sei. Stehen Russland und die USA einander feindlich gegenüber, wird die ganze Sache über den Rahmen eines lokalen Konflikts unausweichlich hinauswachsen."


Gorbatschow: Die Sowjetunion hatte nie vor, die USA anzugreifen- Kritik der US-Stützpunkte in aller Welt


"Keiner hat im 20. Jahrhundert so viele Kriege führen müssen wie wir. Unser Volk musste viel Leid über sich ergehen lassen. Es sei in diesem Zusammenhang gesagt, dass nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges wir keinerlei Pläne hatten, gegen die USA Kriegshandlungen zu beginnen. Das weiß ich ganz genau. Nun kommt es erneut zu einer Zuspitzung der Lage. Erinnern Sie sich an jene zwei- bzw. dreihundert Militärstützpunkte der USA, die zur Zeit des Kalten Krieges überall in der ganzen Welt verstreut wurden. Haben sie jemandem auch irgendeinen Nutzen gebracht?"


Gorbatschow sieht die Militarisierung als Konsequenz und den versuchten Ausweg aus den schweren Mängeln - einer radikalen Marktphilosophie - des westlichen Wirtschaftssystems:


"Ich habe den Eindruck, dass mit diesem Fragenkomplex auch die heutige globale Wirtschaftssituation in Zusammenhang stehe. Einer der schwerwiegenden Mängel des Wirtschaftssystems, in dem die westliche Welt heute existiert und dessen Urheberschaft in vielerlei Hinsicht Washington gehört, ist mit dem zu radikalen Charakter der Marktphilosophie verbunden. Es hat sich herausgestellt, dass dieser Weg nicht produktiv sein kann! Was haben wir im Endeffekt erhalten? „Blasen“! Und diese „Blasen“ platzen nun eine nach der anderen. Es ist an der Zeit, endlich zu begreifen, dass der Ausweg nicht über das Wettrüsten und nicht über die Militarisierung der Welt und der Wirtschaft liegt. Indes wird auch heute immer noch viel Geld sinnlos ausgegeben."


Gorbatschows Warnung vor der Sackgasse von Profitstreben und Konsumismus:


"Das Setzen allein auf Supergewinne und unbegrenzten Konsum führt in eine Sackgasse. Ein Milliardär, der ein privates U-Boot hat und dazu noch ein zweites bauen lassen möchte, wird dadurch nicht glücklicher."


Gorbatschow: Der militärisch-industrielle Komplex gibt den Ton an und übt Druck auf die Politik aus


"Dwight Eisenhower, sagte, der militärisch-industrielle Komplex sei eine überaus gefährliche Sache und man dürfe ihn nie außer Kontrolle lassen. Eisenhower hat diesen Gedanken absolut eindeutig formuliert, keiner vor ihm hatte das getan. Auch ich sage: Er hatte Recht. Der militärisch-industrielle Komplex stellt in unseren gewaltigen Ländern jene Macht dar, die den Ton angibt und auf die Politik Druck ausübt. Ich sehe gut, wie sich dieser Komplex auch bei uns verhält. Er steht auch mir ganz kritisch gegenüber, dies noch seit der Zeit der Perestrojka, weil wir damals das Land von den übermäßigen Militärausgaben befreien konnten. Die Vertreter des militärischindustriellen Komplexes haben es sich angewöhnt, immer die Hauptrolle zu spielen. Nach meiner Meinung soll die Wirtschaft vor allem ein normales Leben der Menschen sichern."


Gorbatschows Kritik der erneuten Militarisierung des Bewusstseins:


"Wir sind schon wieder in einem Wettrüsten verfangen. Es geht tatsächlich um ein neues Wettrüsten. Wir haben dabei nicht nur mit der Militarisierung der Wirtschaft, sondern auch mit der des Bewusstseins zu tun. Wir sind krank, wir alle haben es nötig, behandelt und geheilt zu werden. Es scheint, dass die Generäle wieder zu Helden werden; sie meinen, mit der Abrüstung sei zu weit gegangen. Wenn jemand auf eine militärische Lösung von Problemen setzt, dann ist es ein Fehler."


Gorbatschows Warnung vor den Atomwaffen: "Den Einsatz der nuklearen Waffen wird keiner überleben."


"Zu jener Zeit (1987 WL) wurden auf beiden Seiten in Europa viele Kernwaffen gehortet. Sie waren auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stationiert. Strauß erzählte mir, dass er nach einer seiner Reisen in die USA und dem Gespräch mit dem Verteidigungsminister McNamara den Generalinspekteur der Bundeswehr beauftragt hatte, einen Bericht über die möglichen Auswirkungen eines künftigen Krieges für die Bundesrepublik Deutschland zu verfassen. Die im Bericht formulierte Hauptschlussfolgerung lautete: Den Einsatz der nuklearen Waffen wird keiner überleben. (..) Daraus resultierte unvermeidlich die Frage, wozu wir dann das Billionen Dollar teuere Wettrüsten überhaupt brauchten. Nicht zu vergessen dabei ist, dass 90 Prozent aller Kernwaffen in den USA und in der Sowjetunion stationiert waren."


Krieg ist der Zusammenbruch der Politik


"Beim Konferenzschluss stellten wir nochmals fest: Kriege können keine Probleme lösen. Die Denker der Vergangenheit sagten, dass Kriege notwendig sind, dass Kriege gesellschaftliche Prozesse ankurbeln. Nein, das stimmt nicht: Heute liegt es auf der Hand, dass der Krieg eine Niederlage, einen Zusammenbruch der Politik bedeutet. Greift man zu den Waffen, heißt das, dass die Politiker falsch gehandelt haben."


111210_RM_Gorbatschow
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Kommentar nach der Rede, deren Warnung von den Medien nicht wiedergegeben wurde:

Der frühere sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow ist am Samstag (10. Dezember) in München mit dem Franz-Joseph-Strauss-Preis der Hanns-Seidel-Stiftung ausgezeichnet worden. Die Allgemeinen Medien und Presseagenturen berichteten über das Ereignis bisher nur am Rande. Die Rede, die von Gorbatschow zu diesem Anlass gehalten wurde, bezog sich sehr direkt auf einen bevorstehenden Dritten Weltkrieg und die von der Nato ausgelösten Problematik eines kriegstreiberischen Vorantreiben eines auf Russland ausgerichteten Raketenabwehrschildes. Warum werden solche Informationen von den Medien unterdrückt?




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