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Europa gleitet einem Abgrund aus Konfrontation, Militarismus und Krieg entgegen. Es ist höchste Zeit für Diplomatie – bevor es zu spät ist.

Als der Ukraine (und Georgien) im April 2008 in Bukarest die Nato-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt wurde, warnte der stellvertretende russische Außenminister Grigorij Karasin: „Der Beitritt der Ukraine zur Nato würde eine tiefe Krise in den russisch-ukrainischen Beziehungen auslösen, die die gesamte europäische Sicherheit beeinträchtigen würde. Daher muss auch der Westen eine Entscheidung darüber treffen, welche Art von Beziehung zu Russland in seinem Interesse liegt.“

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Später gesellten sich noch andere Faktoren hinzu, darunter nach 2012 die Moskauer Hinwendung zu einem neotraditionellen Nationalismus und einer repressiven Innenpolitik. Letztlich jedoch signalisierte die Bukarester Erklärung 2008 das Bekenntnis des politischen Westens zu einer Politik, von der man wusste, dass sie Russland befremden würde. Wladimir Putin soll dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush damals privat gesagt haben: „Wenn die Ukraine der Nato beitritt, dann ohne die Krim und die östlichen Regionen. Sie wird einfach auseinanderfallen.“

Das Versprechen der Nato-Mitgliedschaft beschleunigte das Ausfransen der europäischen Sicherheitsordnung. Die atlantischen Mächte räumten zwar ein, dass eine Mitgliedschaft der Ukraine in den kommenden Jahrzehnten unwahrscheinlich sei. Dennoch wurde die Weigerung, Moskaus Bedenken zu akzeptieren, zum Bestandteil westlicher Politik. Spielräume für Diplomatie gab es kaum, da das Problem nicht anerkannt wurde.

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Weltweit sind etwa 120 Länder bündnisfrei; sechs EU-Mitglieder waren traditionell neutral. Die neutrale Option hätte die Ukraine weder an souveräner, demokratischer Staatlichkeit noch an der EU-Mitgliedschaft gehindert. Dennoch beharrten die atlantischen Mächte auf einem Prinzip, das sie in der Vergangenheit selbst abgelehnt hatten. 1959 hatte die UdSSR in Reaktion auf die Stationierung von Nato-Raketen in der Türkei Raketen nach Kuba verlegt. Es kam zur Kubakrise 1962, als Washington auf der Entfernung der sowjetischen Raketen bestand und die Konfrontation fast zum Atomkrieg führte. Die Krise wurde durch geschickte Staatskunst beider Seiten entschärft.

Verglichen damit eskalierte die europäische Krise unserer Tage in einen unnötigen, vermeidbaren Krieg. Pragmatische Diplomatie hätte entschärfend wirken können, aber keine Seite war kompromissbereit. Der ehemalige Präsident Bill Clinton argumentiert, der russische Einmarsch stelle die Erweiterungspolitik nicht in Frage, sondern sei vielmehr der Beweis ihrer Notwendigkeit. Auf die Weise rechtfertigt er die Nato-Erweiterung ex post mit dem russischen Einmarsch – ein Argument, das auf der Unterstellung basiert, die russische Politik sei ihrem Wesen nach aggressiv und hätte viel früher durch die Militarisierung Osteuropas eingedämmt werden müssen.

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Der Trugschluss liegt auf der Hand: Die Nato-Erweiterung hat ein europäisches Sicherheitsdilemma ausgelöst, auf das Russland mit Gewalt reagierte. Der Krieg hat gezeigt, dass man die russischen Bedenken ernster hätte nehmen müssen.

Auch zwei Jahre nach der russischen Invasion dominiert eine ausgeprägt binäre Sichtweise. Der Kontinent hat es nicht geschafft, den Krieg zu verhindern, und die Interessen Russlands und des Westens klaffen weiterhin auseinander. Der Kriegsverlauf hat diese Unvereinbarkeit offenbart und vertieft. Europa gleitet einem Abgrund aus Konfrontation, Militarismus und Krieg entgegen. Es ist höchste Zeit für Diplomatie – bevor es zu spät ist.


Richard Sakwa, Jg. 1953, ist emeritierter Professor für russische und europäische Politik an der Universität von Kent. Er hat mehrere Bücher zu sowjetischen, russischen und postkommunistischen Themen veröffentlicht, beispielsweise „Frontline Ukraine“ (2015).




Hören Sie sich an, wie der vielseitige Chronist der jüngeren russischen Geschichte, Richard Sakwa, beschreibt, wie der Frieden nach dem Kalten Krieg durch das Streben der USA nach Unipolarität unter dem moralischen Banner „Liberalismus im Wettstreit mit Autokratie“ „verloren“ ging. Sakwa untersucht sowohl die Kontinuitäten als auch die Diskontinuitäten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, insbesondere aber seit 1990, rund um diese Spannung zwischen einer im Westen zentrierten Sicherheitsordnung einerseits und einer auf der UN-Charta und einem souveränen Internationalismus basierenden Ordnung andererseits. Ist nach dem jüngsten Ausbruch kalter und heißer Kriege, die aus dieser Spannung entstanden sind, eine Friedensagenda möglich und realistisch?

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