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AutorenbildWolfgang Lieberknecht

Droht der nächste Krieg: Guyana, Venezuela, ESSO, US-Militär, Rohstoffe, koloniale Grenzziehungen

Seit einigen Tagen macht der Konflikt um die Esequibo-Region zwischen der früheren spanischen und britischen Kolonie Schlagzeilen, weil er sich zuspitzt. Einmal mehr geht es um Rohstoffe, einmal mehr sind US-Konzerne beteiligt. Zur ersten Orientierung hier zwei Artikel aus dem Standard und vom Amerik21. Friedensforscher Johan Galtung hatte einmal in einem ähnlichen Streit vermittelt und eine gemeinsame Nutzung umstrittener Regionen vorgeschlagen. Kann man die Konfliktparteien dazu ermutigen, statt wieder das Blut junger Menschen zu vergießen und die Region für die dort schon vor der Invasion der Europäer lebenden Völker zum Kriegsgebiet zu machen? Auch eine Aufgabe von Friedensaktiven und Menschen mit Beziehungen in die Region. Wir brauchen eine viel stärkere Lobby für friedliche Konfliktlösungen, den die Kräfte, die von Kriegen und Zwist profitieren sind stark. (WL)


Venezuela: Mehrheit in Referendum für Teilannexion Guyanas

Die venezolanische Bevölkerung stimmte unter anderem darüber ab, ob ein neuer Bundesstaat namens Guayana Esequiba geschaffen werden soll

Caracas – In einem Referendum hat die Bevölkerung Venezuelas nach Angaben der autoritären Regierung den Anspruch ihres Landes auf die rohstoffreiche Region Essequibo im Nachbarstaat Guyana bestätigt. Knapp 96 Prozent der Teilnehmer bejahten am Sonntag die Frage, ob ein neuer venezolanischer Bundesstaat namens Guayana Esequiba geschaffen und die dortige Bevölkerung die venezolanische Staatsbürgerschaft bekommen soll, wie die Wahlbehörde CNE am Abend (Ortszeit) mitteilte.

Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen (IGH) hatte am Freitag Venezuela angewiesen, "jede Handlung zu unterlassen, die die gegenwärtige Lage in dem strittigen Gebiet ändern würde". Guyanas Regierung hatte das Referendum als Bedrohung seiner Sicherheit und des Friedens bezeichnet. Das rund 160.000 Quadratkilometer große Gebiet Essequibo macht etwa zwei Drittel von Guyanas Territorium aus.

Die derzeitigen Grenzen des Gebiets wurden 1899 in einem Schiedsspruch eines Tribunals in Paris festgelegt, den die USA und Großbritannien veranlasst hatten. Venezuela beruft sich auf ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von 1966 - wenige Monate, bevor die damalige Kolonie Britisch-Guayana unabhängig wurde. Dieses sah eine Verhandlungslösung des Disputs vor. Der Grenzkonflikt verschärfte sich, als 2015 vor der Atlantikküste Essequibos große Ölvorräte gefunden wurden. Guyana, eines der ärmsten Länder Südamerikas, erteilte dem US-Ölkonzern Exxon Mobil Förderlizenzen.


Der Standard.at: Mit einem Plebiszit bekräftigt Venezuela am Sonntag seinen Anspruch auf mehr zwei Drittel des Staatsgebietes von Guyana, der ehemals britischen Kolonie am Ostzipfel Südamerikas. Die sogenannte Esequibo-Region, benannt nach dem größten Fluss Guyanas, ist eine extrem diverse, noch weitgehend vom Menschen unberührte Gegend mit tropischen Wäldern, wasserreichen Savannen und Tafelbergen. Dort leben vor allem Indigene. Geostrategisch interessant ist sie, weil sich dort Öl, seltene Erden, Bauxit, Mangan, Diamanten und Goldvorkommen befinden.


Der Konflikt geht zurück auf eine unklare Grenzziehung zwischen den Kolonialmächten Großbritannien und Spanien. Georgetown verteidigt eine Grenze, die auf Betreiben der USA 1899 von einem Schiedsgericht festgelegt wurde. Caracas argumentiert, dass der Fluss die natürliche Grenze sei, so wie es 1777 der Fall war, als Venezuela noch Generalkapitanat des spanischen Reiches war. Es beruft sich auf das Genfer Abkommen, das 1966 vor der Unabhängigkeit Guyanas vom Vereinigten Königreich unterzeichnet wurde und das den früheren Schiedsspruch aufhebt und die Grundlage für eine Verhandlungslösung schafft.


Guyana rief nach ersten Erdölfunden 2018 den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag an und forderte die Richter auf, den Grenzbeschluss von 1899 für gültig und verbindlich zu erklären. Der IGH nahm den Fall an, obwohl Venezuela die Zuständigkeit des Gerichts bestreitet. Ein Urteil dürfte jedoch erst in einigen Jahren ergehen. Im Vorfeld des Referendums forderte der IGH Maduro auf, den Konflikt nicht zu verschärfen und erklärte, das Plebiszit habe keinerlei juristische Wirkung.

In den Konflikt mit Guyana könnten auch die USA mit hineingezogen werden. Denn der US-Ölkonzern ExxonMobil fördert an der Spitze eines Konsortiums in der umstrittenen Region seit 2018 Öl und hofft, sich weitere Konzessionen zu sichern. Bis 2035 könnte das Land rund 1,7 Millionen Barrel Öl täglich fördern. Weil diese Ölkonzessionen äußerst intransparent und unvorteilhaft für Guyana sind, bezeichnet Maduro Guyanas Präsidenten Irfaan Ali als "Sklave von ExxonMobil". Der wiederum entgegnete, er erwäge den Bau von US-Militärbasen an der Grenze. Die Eskalation beunruhigt auch das Nachbarland Brasilien. Dessen Militär verstärkte am Wochenende seine Truppen an der gemeinsamen Grenze im Dreiländereck.


Spannungen zwischen Venezuela und Guyana verschärfen sich

Regierung von Guyana bereitet militärische Verteidigung des umstrittenen Esequibo-Gebiets mit Unterstützung der USA vor. Venezuela spricht von Provokation und mahnt diplomatische Lösung an

Von Andreína Chávez Alava, Redaktion venezuelanalysis, amerika21

Caracas/Georgetown. Auf harsche Kritik sind in Venezuela jüngste Äußerungen und Aktivitäten der Regierung von Guyana im Konflikt um den ölreichen Esequibo-Streifen gestoßen. Guyanas Vizepräsident Bharrat Jagdeo erklärte am Freitag, zur Verteidigung des umstrittenen Gebietes würden "alle Optionen geprüft" und die Militärkooperation mit den USA verstärkt. Geplant seien auch "Operationsbasen mit ausländischer Beteiligung" im Esequibo. Zwei Teams des US-Verteidigungsministeriums würden in der nächsten Woche erwartet, im Dezember folgten weitere. In der Nacht zuvor sorgte Guyanas Präsident Irfaan Ali für Zündstoff: Gemeinsam mit Militärs hisste er über dem von Venezuela beanspruchten Gebiet auf dem Berg Pakarampa, nur wenige Kilometer vom venezolanischen Bundesstaat Bolívar entfernt, die guyanische Flagge und sagte den nationalen Treueeid auf. Dieses Auftreten des Präsidenten und die "Einladung" an das US-Südkommando, eine Operationsbasis in dem Gebiet einzurichten, seien eine Provokation, sagte Venezuelas Verteidigungsminister Vladimir Padrino. Auf die Art sei der Konflikt nicht zu lösen: "Ich antworte den Führern der Kooperativen Republik Guyana, dass dies so gelöst wird, wie Präsident Nicolás Maduro gesagt hat: mit Dialog, mit Diplomatie, durch Gespräche, um zu einer für beide Seiten zufriedenstellenden Einigung zu kommen", betonte Padrino. Unterdessen laufen in Venezuela die Vorbereitungen für das Referendum am 3. Dezember, mit dem die Unterstützung der Bevölkerung für den seit Jahrhunderten bestehenden Anspruch des Landes auf den Esequibo-Streifen festgestellt werden soll. Der Streit zwischen Venezuela und Guyana über die 160.000 Quadratkilometer große, rohstoffreiche Esequibo-Region geht auf die Kolonialzeit zurück und "ruhte", bis das US-Unternehmen ExxonMobil 2015 in der Region bedeutende Ölreserven entdeckte. Seitdem haben die Regierungen Guyanas Ausschreibungsverfahren für die Ölexploration in den Hoheitsgewässern des Streifens gestartet. Dies verstößt nach Ansicht von Caracas gegen den ungelösten Rechtsstreit. Guyana behauptet, dass der Esequibo-Streifen durch einen Schiedsspruch aus dem Jahr 1899 dem Vereinigten Königreich Großbritannien, der ehemaligen Kolonialmacht des Landes, zugesprochen wurde. Venezuela hält den Schiedsspruch aufgrund der Abwesenheit venezolanischer Verhandlungsführer für unrechtmäßig und verteidigt das von den Vereinten Nationen vermittelte Genfer Abkommen von 1966, das nach der Unabhängigkeit Guyanas im selben Jahr eine Verhandlungslösung zwischen den beiden Ländern vorsah. infografik-territorialkonflikt-venezuela-guyana-jan-kuehn-hell.png

Die umstrittenen Land- und Seegebiete des Esequibo QUELLE:JAN KÜHN LIZENZ:CC BY-NC-SA 4.0 2018 ersuchte Georgetown den Internationalen Gerichtshof (IGH), die Gültigkeit der vom Pariser Tribunal 1899 gezogenen Grenze zu bestätigen. Caracas protestierte mit der Begründung, dass das in Den Haag ansässige Gericht in dieser Angelegenheit nicht zuständig sei. Dies wurde jedoch zurückgewiesen. Am 13. November wurden Vertreter beider Länder in den Sitz des IGH geladen, nachdem Guyana das Gericht ersucht hatte, das Referendum in Venezuela zu suspendieren. Während der Anhörung verteidigte Venezuelas Vizepräsidentin Delcy Rodríguez das Recht, diesen Wahlprozess durchzuführen und lehnte eine ausländische Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes ab. Bei dem Referendum werden den Venezolanern fünf Fragen gestellt: Ob sie das Schiedsverfahren von 1899 ablehnen, das Abkommen von 1966 als einzigen verbindlichen Mechanismus zur Lösung des Problems anerkennen sowie die Zuständigkeit des IGH und die einseitige Aneignung der Hoheitsgewässer des Esequibo durch Guyana für die Ölförderung abehnen. Die abschließende Frage ist, ob sie mit der Gründung eines neuen Bundesstaates namens Guayana Esequiba in der umstrittenen Region einverstanden sind und dass den Bewohnern die venezolanische Staatsbürgerschaft zuerkannt und Sozialprogramme für die rund 125.000 dort lebenden Menschen durchgeführt werden. Besonders die letzte Frage kritisiert die Regierung von Guyana und behauptet, sie ebne den Weg für eine "einseitige und illegale" Annexion des Gebiets. Das Referendum ist indes nicht bindend und wird sich nicht auf den Rechtsstreit um den Esequibo-Streifen auswirken. Einige Analysten gehen davon aus, dass die Abstimmung dazu dient, die Unterstützung der Bevölkerung auszuloten und ein potenziell wichtiges Wahlkampfthema im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2024 zu besetzen. Caracas wirft nun der Regierung Guyanas vor, sich mit dem US-Südkommando zusammenzutun, die regionale Stabilität zu bedrohen und von ExxonMobil Finanzmittel im Austausch gegen Lizenzen für die Ölexploration erhalten zu haben, um das Verfahren vor dem IGH durchzuführen. Präsident Maduro erklärte am Dienstag bei einem Treffen mit Schülern und Studenten, ExxonMobil sei "Eigentümer" der Regierung und des Kongresses von Guyana, "die den Reichtum des Esequibo unter den schlechtesten Bedingungen weitergegeben haben". Der Ölkonzern habe "die gesamte politische Klasse in Guyana und sogar einige politische Sektoren hier" gekauft und eine Kampagne gestartet, um die Menschen glauben zu machen, dass Venezuela in dem Konflikt eine aggressive oder kriegerische Haltung einnehme. Das Referendum solle sabotiert werden. "Wir weisen die 150 Jahre des Übergriffs durch das britische Imperium und jetzt durch ExxonMobil und das US-Südkommando zurück. Venezuela muss respektiert werden", betonte Maduro.



Anglo-Amerikanische Diplomatie und die Wiederaufnahme des Streits um die Grenze zwischen Guyana und Venezuela, 1961-1966

Zusammenfassung

In diesem Buch geht es um die anglo-amerikanische Beteiligung an der Wiedereröffnung der Grenzkontroverse zwischen Guyana, dem ehemaligen Britisch-Guayana, und Venezuela. Der Streit um die Grenze begann Mitte des 19. Jahrhunderts, als Venezuela Anspruch auf etwa zwei Drittel des Territoriums der britischen Kolonie erhob. Die Weigerung Großbritanniens, die Grenzziehung einem Schiedsgericht zu unterwerfen, entwickelte sich 1895 zu einer schweren Krise in den anglo-amerikanischen Angelegenheiten. Die Vereinigten Staaten hatten das Thema als eine große Herausforderung für die Monroe-Doktrin eingeschätzt und es würde die beiden englischsprachigen Mächte zu einem militärischen Konflikt provozieren. 1899 tagte ein Schiedsgericht in Paris und einigte sich einstimmig auf die Grenzlinie zwischen Britisch-Guayana und Venezuela. Diese Grenzlinie ist allgemein anerkannt worden. 1962, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, lehnte Venezuela die Auszeichnung mit der Begründung ab, es handele sich um einen "politischen Deal". Fidel Castro hatte die Macht in Kuba übernommen, und es gab Ängste über die Ausbreitung des Kommunismus in Amerika, insbesondere in Britisch-Guayana, während der marxistisch orientierten Premierministerin Cheddi Jagan vor der Unabhängigkeit. Cedric Joseph untersucht die wichtigsten Dokumente zur Diplomatie der Regierungen von John F. Kennedy, Lyndon Johnson und dem britischen Premierminister Harold Macmillan. Er untersucht ihre besonderen Beziehungen, Sympathien und ihre akute Veranlagung gegenüber Venezuela, die die Wiedereröffnung der Grenzfrage ermöglichten und letztlich die territoriale Integrität Guyanas opferten. Er stellt auch die geheime Absprache zwischen Surinams Anspruch auf Territorium in Guyana und dem venezolanischen Anspruch her.

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