Demokratie à la EU - Die moldawische Regierung kündigt vor den Wahlen das Verbot fast aller Oppositionsparteien an & schließt auch eine Annullierung des Wahlergebnisses nicht aus.
- Wolfgang Lieberknecht

- 12. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
In Moldawien stehen entscheidende Parlamentswahlen an, die die pro-europäische Regierung verlieren dürfte. Nun hat der Regierungschef erklärt, die Regierung wolle vor der Wahl fast alle Oppositionsparteien verbieten und schloss auch eine Annullierung des Wahlergebnisses nicht aus, sollte die Opposition der Wahl gewinnen.
Vor knapp einer Woche habe ich berichtet, wie die moldawische Regierung versucht, die am 28. September anstehenden Parlamentswahlen zu manipulieren. Nun ist die pro-europäische Regierung noch einen Schritt weiter gegangen und hat angekündigt, noch vor der Wahl die wichtigsten Oppositionsparteien gerichtlich verbieten zu lassen. Auch eine Annullierung des Wahlergebnisses drohte sie für den Fall an, dass die Opposition die Wahlen gewinnen sollte.
Warum die Wahlen so wichtig sind
Die pro-westliche Regierung in Moldawien hat das ohnehin bettelarme Land seit ihrer Machtübernahme 2021 heruntergewirtschaftet, indem sie die traditionell engen Wirtschaftsbeziehungen zu Russland faktisch gekappt und vor allem, indem sie billige russische Energieträger abgelehnt hat. Zwischenzeitlich steig die Inflation deswegen auf über 30 Prozent, die Wohnnebenkosten sind um das Siebenfache gestiegen und im Land gab es Proteste, gegen die die Regierung lange Zeit den Notstand ausgerufen hat, was sie damit begründete, Russland stehe hinter den Protesten gegen die Wirtschaftspolitik der moldawischen Regierung.
Im Zuge des Notstandes hat die Regierung auch alle regierungskritischen Medien unter dem Vorwand verboten, sie würden „russische Propaganda“ verbreiten, und sie hat auch die damals stärkste Oppositionspartei Schor verboten, die die Proteste unterstützt hat.
Moldawien ist eine parlamentarische Republik, was bedeutet, dass das Parlament die Regierung wählt und dass die pro-westliche Präsidentin Sandu, die derzeit de facto die Politik bestimmt, im Falle eines Wahlsieges der Opposition praktisch machtlos wäre. Daher sind die für den 28. September angesetzten Parlamentswahlen so wichtig, denn sie werden bestimmen, welchen Kurs das Land danach einschlägt.
Da die pro-westliche Regierungspartei die Wahl allen Umfragen zufolge verlieren wird, geht die moldawische Regierung gegen die Opposition vor und bereitet – mit offener Unterstützung der EU – massive Manipulationen der Wahl vor, die Details dazu können Sie hier nachlesen.
Die Oppositionsparteien haben sich für die Wahl in dem parteiübergreifenden Wahlblock „Sieg“ zusammengeschlossen, dem die Wahlkommission vor einigen Tagen die Teilnahme an der Wahl untersagt hat. Danach erklärten, die darin vereinten Parteien, sie würden dann eben einzeln und nicht als einheitlicher Block zur Wahl antreten.
Die Opposition verbieten
Wie verzweifelt die Regierung sein muss, wurde am Montag deutlich. An dem Tag hat das moldawische Justizministerium erklärt, es beabsichtige, die Parteien des Blocks „Sieg“ gerichtlich aufzulösen, da ihnen Verbindungen zur bereits aufgelösten Partei Schor vorgeworfen werden, die auf Betreiben der moldawischen Regierung schon im Sommer 2023 verboten wurde.
Das Justizministerium erklärte am Montag, es habe beim Berufungsgericht Klage gegen die Parteien „Renaissance“, „Chance“, „Die Kraft der Alternative und Rettung Moldawiens“ und „Sieg“ eingereicht. Basierend auf einer Erklärung der Zentralen Wahlkommission fordert das Justizministerium „die Anerkennung dieser vier politischen Parteien als Rechtsnachfolger der Partei Schor und deren Auflösung“, berichtete die Pressestelle des Ministeriums.
Kurz darauf legte der moldawische Ministerpräsident Dorin Recean in einem Interview mit der Zeitung Ziarul de Gardă nach und erklärte, die moldawische Regierung werde Parteien, die im Verdacht stehen, gegen das Gesetz zu verstoßen, die Teilnahme an den Parlamentswahlen am 28. September verweigern und könnte sogar, wie in Rumänien, die Wahlergebnisse annullieren.
Auf die Frage, ob die Behörden Wahlergebnisse annullieren können, wenn diese der Regierungspartei nicht gefallen, erinnerte er an ein Gesetz, das „sehr klar festlegt, unter welchen Bedingungen die Wahlergebnisse anerkannt werden“ und fügte hinzu:
„Wie ich bereits sagte, müssen die Behörden Verstöße dokumentieren (…) Wir beobachten Versuche der illegalen Finanzierung verschiedener Parteien aus dem Ausland durch die kriminelle Gruppe Schor.“
Weiter behauptete er „Russland unterstützte bei den aktuellen Wahlen verschiedene Parteien in Moldawien, darunter auch pro-europäische, um die Wähler zu täuschen.“
Frühere Wahlmanipulationen in Moldawien
Die pro-europäische Regierung Moldawiens hat bereits reichhaltige Erfahrung in der Manipulation von Wahlen, denn dank ihrer für das Land ruinösen Wirtschafts- und Sozialpolitik hat sie keine Chance, faire Wahlen zu gewinnen. Aufgrund der Erfahrungen mit den letzten Wahlen war zu erwarten, dass die Regierung vor der Wahl wieder mit Tricksereien beginnt. Ein offenes Verbot der Opposition ist jedoch ein neues Niveau, obwohl auch die Manipulationen der Wahlen der letzten Jahre bereits ausgesprochen dreist waren.
Bei den Kommunalwahlen im Herbst 2023 hat die Regierung zwei Tage vor der Wahl 8.605 Kandidaten der Opposition von den Wahllistengestrichen streichen lassen, die Wahlen aber trotzdem verloren.
Bei der Präsidentschaftswahl im Herbst 2024 hat Präsidentin Sandu die Wahl im Inland verloren und konnte nur im Amt bleiben, weil sie dank der Stimmen der Exilmoldawier in Europa doch noch mit einigen Zehntelprozent Vorsprung einen knappen Sieg einfahren konnte. Das war jedoch nur möglich, weil sie für die etwa 400.000 Exilmoldawier in Europa über 230 Wahllokale öffnen ließ, für die ebenfalls etwa 400.000 Exilmoldawier in Russland, die gegen die Regierung gestimmt hätten, jedoch nur zwei Wahllokale öffnen ließ.
Nach diesen Erfahrungen bei den letzten Wahlen darf also sehr gespannt sein, was sich die moldawische Regierung in den bis zur Wahl Ende September verbleibenden Wochen noch alles ausdenkt.
Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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