top of page

Warum der Chef des US-Generalstabs Mark Milley jetzt zu Verhandlungen mit Russland aufruft

26. November 2022

Eine Stimme der Vernunft (Verhandlungen mit Russland anstreben) kommt jetzt ausgerechnet aus dem Pentagon, von Joe Bidens oberstem Militärberater, General Mark Milley. Letzterer machte der Administration den obigen Vorschlag und holte sich wohl eine Abfuhr – dann brach er das Schweigegebot und ging, über die New York Times, an die Öffentlichkeit. Obwohl er damit seine Karriere riskiert, wollte er doch nicht den Dingen ihren Lauf lassen bis hin zu dem Punkt, an dem die NATO nur die Wahl hätte, eine Kröte zu schlucken oder nuklear zu eskalieren. Mehr als die Russen fürchtet er offenbar die Inkompetenz und Hybris der Bidens, Blinkens, Nulands, Selenskis und Baerbocks dieser Welt. Der ehemalige Pentagon-Berater Colonel Doug Macgregor (DMG) versucht im Interview mit dem US-amerikanischen Journalisten Aaron Maté, unsere Sinne für die militärische Realität zu schärfen.

Aaron Maté (AM): Was ist Ihre Reaktion auf die neue Entwicklung von Ende letzter Woche? Wie aus dem Nichts erscheint plötzlich der oberste Offizier des US-Militärs, General Mark Milley, Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff (JCS), und spricht sich für Verhandlungen mit Russland aus.

Doug Macgregor (DMG): Im Wesentlichen sagte er, glaube ich, die Ukrainer hätten alles getan, was man sinnvollerweise erwarten kann, und es sei jetzt Zeit zum Verhandeln. Ziemlich genau das hat er gesagt und höchstwahrscheinlich auch an die Adresse von Präsident Biden gerichtet. Natürlich wollten Biden, Sullivan, Blinken und die anderen nichts davon wissen. (...)

Milley weiß alles über diese Dinge und ist beunruhigt, weil er mit Leuten redet, die keinen Bezug zur Realität zu haben scheinen. Und darin liegt die Gefahr. Er möchte nicht eines Tages zum Präsidenten gehen und sagen müssen: Herr Präsident, unsere konventionellen Streitkräfte stehen kurz vor der Vernichtung, weil wir dort hineingetaumelt oder irgendwie hineingezogen worden sind, und jetzt können wir nur noch entweder die Russen um freien Abzug bitten oder nuklear antworten, aber das möchte er nicht erleben.

Niemand in Washington, der bei Sinnen ist, möchte das erleben. Das Thema stand auch im Zentrum der Gespräche zwischen China und Washington, oder zwischen Xi und Biden, und es wurde klar gesagt, dass keine Atomwaffen irgendwo eingesetzt werden sollten, unter keinen Umständen. Ich glaube, dass General Milley sich Sorgen macht, große Sorgen wegen seiner Ansprechpartner und deren Ahnungslosigkeit in Bezug auf die Realität der Kriegsführung.

AM: Nur um Sie richtig zu verstehen: Milley kommt anderen Kollegen im Weißen Haus zuvor, die Ihrer Meinung nach eine volle amerikanische Kriegsbeteiligung wünschen?

DMG: Ich halte das für möglich (...)

Nun, es gibt da ein kleines Problem. Russland kann man nicht zum Gehorsam zwingen, ebensowenig China. Wenn wir es trotzdem versuchen, verlieren wir in Osteuropa. Milley hat das ausgerechnet, versteht es und macht sich Sorgen, dass Blinken, Sullivan und Biden es nicht verstehen, weil sie von Kool-Aid [1] besoffen sind. Was meine ich mit Kool-Aid? Seit dem 24. Februar haben du und ich und alle Leute der ukrainischen Siegesrede gelauscht: „Die Ukrainer gewinnen, sieh doch, sie gewinnen…“

Nun, sieh dir die Landkarte an. Sie gewinnen mitnichten. Und sie haben schon mehr als 100.000 Tote und noch mehr Verletzte. Und eine große Menge an Ausrüstung ging verloren – zerstört oder gestohlen. Sie pfeifen momentan auf dem letzten Loch. Sie haben nichts mehr aufzubieten – sie warten nur noch, bis der Hammer erscheint, der sie zermalmen wird, und deshalb sagt Milley: „Sie haben ungefähr alles getan, was man erwarten kann, ich finde, sie sollten jetzt verhandeln“ und welche Antwort bekommt er? „Auf keinen Fall. Wir müssen die Russen kleinkriegen, sie besiegen, sie müssen begreifen, wir müssen ihnen diese Lektion erteilen“. Es ist verrückt. (...)

Daher glaube ich, unsere Generäle haben endlich reinen Tisch gemacht und sich gegen die Regierungslinie positioniert. Wie weit sie unter vier Augen gegangen sind, weiß ich nicht, aber ich glaube, Milley befürchtet, man werde sie zu Fehlentscheidungen zwingen, also hat er seine Stimme hören lassen, und nachdem er mit der Antwort sehr unzufrieden war, beschloss er, es durchsickern zu lassen. (...)

Diese SMO ("Militärische Spezial-Operation") begann sehr begrenzt, sehr gezielt und sollte ein bestimmtes Ergebnis liefern. Doch dazu kam es nicht. Die zugrundeliegenden Annahmen waren fehlerhaft. Die Russen konnten nicht ahnen, dass wir militärische Ausrüstung im Wert von so vielen Milliarden Dollar liefern würden. Ich glaube auch nicht, dass sie damit rechneten, dass wir Angestellte britischer oder US-amerikanischer Firmen, ehemalige oder sogar aktive Soldaten in ziviler Kleidung, an die Front schicken würden, um komplexe Systeme wie den HIMARS-Raketenwerfer zu bedienen. Wir kennen nicht einmal das volle Ausmaß dieser Aktivitäten. Ich glaube auch nicht, dass sie damit rechneten, dass auf Kommandeursebene NATO-Personal zur Unterstützung des ukrainischen Personals eingesetzt werden würde. Und sie ahnten nicht, dass NATO-Hauptquartiere die ukrainische Kriegsführung aus der Ferne lenken würden.

So haben die Russen den Gegner falsch eingeschätzt, diese Einschätzung müssen sie nun korrigieren und unbarmherzig werden, um diesen Krieg zu einem Ende zu bringen. Und ich glaube, General Milley weiß über diese Dinge Bescheid. Und Milley kann nicht der Einzige sein, und deshalb glaube ich, er ging ins Weiße Haus, sagte dort die Wahrheit und war nicht zufrieden mit der Antwort, die man ihm gab (...)

Ich glaube, sein [Putins] größtes Problem war, nicht zu verstehen, was uns derzeit in Washington regiert, diese Bande die *entschlossen ist*, auf Teufel komm raus, Russland zu ruinieren, das Land und seine Regierung zu zerschlagen, und zweitens glaube ich, er unterschätzte, in welchem Ausmaß wir tatsächlich in Kiew das Sagen hatten.

Selenski als Spielball des Westens

AM: Und wie weit reicht diese Kontrolle, zum Beispiel…

DMG: Absolut. Sie ist absolut. Wenn der US-Präsident Verhandlungen zu einer Friedenslösung wollte, würde er Selenski anweisen, die Klappe zu halten. Nun gibt es die Theorie, dass Selenski von Ultranationalisten umgeben ist, die ihn töten wollen, wenn er so etwas tut. Ich weiß nicht … dazu kann ich nichts sagen. Aber wenn ihm die Ukraine am Herzen liegt, sollte er vielleicht dieses Risiko eingehen, um Menschenleben zu retten. Bis jetzt konnte ich jedoch keine Ansätze in dieser Richtung erkennen (...)



10 Ansichten0 Kommentare
bottom of page