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US-Politikberater Kennan warnt 1997: NATO-Osterweiterung bringt verhängisvollen neuen Kalten Krieg

Diese NATO-Erweiterung ist absolut nicht nötig und zerstört die neuen hoffnungsvollen Möglichkeiten für die Ost-West-Beziehungen



Eine Erweiterung der NATO wäre der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der gesamten Ära nach dem Kalten Krieg. Es ist zu erwarten, dass eine solche Entscheidung die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der russischen Meinung anheizen wird; dass sie negative Auswirkungen auf die Entwicklung der russischen Demokratie haben wird ; und dass sie die Atmosphäre des Kalten Krieges in die Ost-West-Beziehungen zurückzubringen und die russische Außenpolitik in Richtungen treiben wird, die uns entschieden mißfallen werden ....


Es ist natürlich bedauerlich, dass Russland mit einem solchen Schritt zu einer Zeit konfrontiert wird, in der sich seine Exekutivgewalt in einem Zustand hoher Unsicherheit und nahezu der Lähmung befindet. Und es ist doppelt bedauerlich, wenn man bedenkt, dass es für diesen Schritt überhaupt keine Notwendigkeit gibt. Warum sollten sich die Ost-West-Beziehungen bei all den hoffnungsvollen Möglichkeiten, die das Ende des Kalten Krieges hervorgebracht hat, auf die Frage konzentrieren, wer sich mit wem verbündet -und implizit gegen wen-in einem herbeiphantasierten, völlig unvorhersehbaren und höchst unwahrscheinlichen künftigen Konflikt......


Die Russen sind wenig beeindruckt von den amerikanischen Versicherungen, dass eine Erweiterung der NATO keine feindseligen Absichten widerspiegelt. Sie würden ihr Prestige (das in der russischen Meinung immer an erster Stelle steht) und ihre Sicherheitsinteressen als beeinträchtigt ansehen. Sie hätten natürlich keine andere Wahl, als die Expansion als militärische vollendete Tatsachen hinzunehmen. Aber sie würden es weiterhin als Zurückweisung des Westens betrachten und sich wahrscheinlich anderswo nach Garantien für eine sichere und hilfreiche Zukunft für sich selbst umsehen.


George Kennan, New York Times, 5. Februar 1997



Osterweiterung der NATO

Kennan war einer der ersten nachdrücklichen Warner vor einer Osterweiterung der NATO. Am 5. Februar 1997 schrieb er in einem Gastbeitrag für die New York Times, dass die Entscheidung der Regierung Clinton, die NATO bis zu den Grenzen Russlands zu erweitern, der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der Ära nach dem Kalten Krieg wäre (“expanding NATO would be the most fateful error of American policy in the entire post-cold war era”). „Diese Entscheidung kann erwarten lassen, dass die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der Meinung Russlands entzündet werden; dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung der Demokratie in Russland haben, dass sie die Atmosphäre des Kalten Krieges in den Beziehungen zwischen Osten und Westen wiederherstellen und die russische Außenpolitik in Richtungen zwingen, die uns entschieden missfallen werden“ („Such a decision may be expected to inflame the nationalistic, anti-Western and militaristic tendencies in Russian opinion; to have an adverse effect on the development of Russian democracy; to restore the atmosphere of the cold war to East-West relations, and to impel Russian foreign policy in directions decidedly not to our liking“).[15]


Kennans Rolle für die Truman-Doktrin

Anfang Januar 1947 hielt Kennan einen Vortrag vor der Gesellschaft für Auswärtige Politik (englisch Council on Foreign Relations). Hamilton Fish Armstrong, Chefredakteur der Zeitschrift Foreign Affairs, fragte ihn nach dem Manuskript, aber Kennan hatte frei gesprochen. Es existierte aber eine andere Aufzeichnung, die für den Marineminister Forrestal bestimmt war. Dieser gab seine Zustimmung, und auch das Auswärtige Amt stimmte einer Veröffentlichung routinemäßig zu. Ende Juni erschien der Aufsatz ohne Nennung eines Verfassers (Mr. X.). Als Arthur Krock in der New York Times Vermutungen über den wahren Verfasser des „X-Artikels“ anstellte, sprach sich in der Hauptstadt herum, dass es sich um Kennan handelte, den Chef des Planungsstabes. Für Presse und Öffentlichkeit wurde der Begriff der „Eindämmung“ (engl. containment), aber nicht der "Gegenschlag mit allen militärischen Mitteln" (engl. counterstrike with all military means), zum Kern der kurz zuvor veröffentlichten Truman-Doktrin. Kennan kam es vor, als ob er ungewollt eine Lawine ausgelöst hätte, und auch George C. Marshall war entsetzt.


Die Weltöffentlichkeit ging nun von der Annahme aus, die USA wollten die UdSSR zurückdrängen. Das eine Missverständnis war also, dass die USA militärische Kräfte für eine Eindämmung einsetzen könnten; das andere lag darin, dass die USA sich weltweit durch die UdSSR vital bedroht fühlen würden. Kennan ging es im Gegenteil um die innere Lage der UdSSR: Er glaubte, wenn die USA nur geduldig genug wären, würde der Zeitpunkt kommen, wo sich die Truppen der Roten Armee aus Polen, Tschechien u. a. zurückziehen würden und zugleich auch die USA aus Westeuropa.


Gründung der NATO

Kennan erlebte während seiner Zeit in Washington die Gründung der NATO mit. Anfang 1948 berieten die Außenminister des Vereinigten Königreiches und Frankreichs über die politischen und militärischen Strukturen in Europa, und der britische Außenminister Ernest Bevin ließ die USA am 13. Januar wissen, man wolle gemeinsam mit den Benelux-Staaten handeln. Frankreich stand unter zweifachem Druck: Es war von durch Kommunisten mitorganisierte Streiks betroffen; gleichzeitig sah man in Paris mit Besorgnis, dass die USA im Rahmen des Marshallplans die deutsche Industrie wieder aufbauen wollten. Am 22. Januar forderte Bevin die Gründung einer Westeuropäischen Union; schon am 16. März wurde die Brüsseler Union gegründet, und Präsident Truman sicherte ihr seine Unterstützung zu.

Am 11. Juni verabschiedete der Senat der Vereinigten Staaten die sogenannte Vandenberg-Resolution, die besagte, dass jedes europäische Land für die Zusage der USA, es zu verteidigen, auch zusagen müsse, die USA zu verteidigen. Kennan befürchtete, dass es damit zu einem multilateralen Bündnis-Vertrag kommen werde, worin er keinen Sinn sah. Am 23. November legte er ein Memorandum vor, in dem er warnte, dass man den militärischen Fragen nicht zu viel Gewicht beimessen dürfe und keine Länder außerhalb des Nordatlantik (also weder Italien, Griechenland noch die Türkei) auffordern solle, dem entstehenden Bündnis beizutreten. Da das Verteidigungsministerium jedoch in allen drei Ländern Stützpunkte einrichten wollte, wurde Kennans Standpunkt nicht übernommen.


George Frost Kennan (* 16. Februar 1904 in Milwaukee, Wisconsin; † 17. März 2005 in Princeton, New Jersey) war ein US-amerikanischer Historiker und Diplomat. Sein Name ist verbunden mit dem Marshallplan sowie der Containment-Politik in der Zeit des Kalten Krieges. Er wird zu den Vertretern des klassischen Realismus in den Internationalen Beziehungen gezählt.[1]

Er studierte an der Princeton University und später an der Universität Berlin. Zwischen 1926 und 1961 arbeitete er für das Außenministerium der Vereinigten Staaten, unter anderem in Moskau, Berlin, Prag, Lissabon und London. Von 1947 bis 1949 war George F. Kennan im US-Außenministerium als Planungschef tätig.

Im Jahr 1957 erhielt er den Pulitzer-Preis, 1976 den Pour le Mérite[2] und 1982 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.


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