Die Parteien, die die Westintegration und die Gegnerschaft zu Russland bisher vorangetrieben haben, wurden von den Rumänen abgewählt; ihre Kandidaten aber kamen nicht einmal in die Stichwahl. Jetzt soll die ganze Wahl des Präsidenten wiederholt werden. Vielleicht will man gar den Wählern die Chance nehmen, für den bisher führenden Kandidaten zu stimmen. Auf jeden Fall hat er die Debatte um die Ukrainepolitik geöffnet; dort können jetzt jetzt auch Gegenpositionen zur westlichen Ukrainepolitik offen formuliert werden. Gespräch von Hans Hederich, Friedensaktivist aus Rumänien und Wolfgang Lieberknecht von der Internationalen FriedensFabrik Wanfried.
Rumänien kopiert die Grünen: „Putin ist es gewesen“ – doch der Westen wird so nur verlieren
Stellen Sie sich vor, die AfD gewinnt die Bundestagswahlen 2029 – und eine Woche später erklären die höchsten deutschen Verfassungsrichter in Karlsruhe, die Wahl für ungültig, weil die Partei mit Hilfe von TikTok-Algorithmen in dem sozialen Medium hochgepusht worden sei. Weltweit würde man über die Bananenrepublik Deutschland sprechen, das Land würde wohl in die größte innenpolitische Krise des Jahrhunderts fallen, die Stimmung im Land sich weiter radikalisieren. Unklarheit wäre die neue Norm, Deutschland in Zeiten politischer Wirren. Was sich wie eine wilde Theorie anhört, ist gerade im EU- und Nato-Land Rumänien zu beobachten.
Im geopolitischen Trubel dieser Tage ist nämlich eine Meldung vom vergangenen Freitagnachmittag regelrecht untergegangen. Das oberste Gericht in Rumänien entschied, die Präsidentschaftswahlen in dem südosteuropäischen Land vollständig zu wiederholen. Wenige Tage zuvor holte noch Calin Georgescu völlig überraschend während des ersten Wahlgangs die meisten Stimmen. Der rechte Kremlfreund hätte deshalb am Sonntag gegen die konservativ-liberale Elena Lasconi antreten müssen. Doch das Verfassungsgericht in Bukarest schob dem ein Riegel vor. Ein beispielloser Vorgang.
Die Begründung der Richter: Dem rumänischen Geheimdienst zufolge sei die Wahl von einem „aggressiven russischen hybriden Angriff“ geprägt worden. Georgescu soll demnach mit Hilfe von koordinierten Konten, Empfehlungsalgorithmen und bezahlter Werbung auf der App TikTok massiv gefördert worden sein. Seine Kurzvideos sollen im Gegensatz zu den Clips seiner politischen Konkurrenten kaum geklickt worden sein.
TikTok bestreitet derweil die Vorwürfe des rumänischen Geheimdienstes. „Wir haben bislang keine Hinweise darauf, dass auf unserer Plattform eine koordinierte Kampagne stattgefunden hat“, so das Unternehmen in einem Statement.
Und nun? Unklar. Der amtierende Präsident Klaus Johannis – der nur zwei Amtszeiten als Staatsoberhaupt fungieren darf – ist gezwungen, seine Amtszeit zu verlängern. Währenddessen werden sich die Kandidaten und Parteien auf einen neuen Wahlkampf vorbereiten, die Wähler in Rumänien werden sich einen neuen Wahltermin für 2025 aufschreiben müssen. In einem aktuell sehr politikverdrossenen Land wie Rumänien sind Konflikte programmiert.
Fest steht nämlich – und das werden die Rumänen auch zu zeigen geben: Diese Entscheidung wird zu noch mehr Vertrauensverlust in staatliche Institutionen sorgen. Wahlen „rückgängig“ machen zu wollen, habe auf lange Sicht noch nie funktioniert. Allgemein gilt, dass in einer Demokratie Geheimdienste und umstrittene Verfassungsgerichtsentscheide am besten so wenig wie möglich mit eigenen Wahlen zu tun haben sollten. Selbst die verbliebene Georgescu-Konkurrentin Lasconi kritisiert die innenpolitischen Entwicklungen scharf: „Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist illegal, unmoralisch und zerstört das Wesen der Demokratie, das Wählen.“
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