Der Standard.at: Der Überfall auf Israel hat in arabischen sozialen Medien viel Zustimmung erhalten. Die offiziellen Stellungnahmen fielen meist unverbindlich aus
/Gudrun Harrer 8. Oktober 2023, 17:50 Die Verherrlichung des Hamas-Angriffs in sozialen Medien arabischer und islamisch geprägter Länder trägt grausame Früchte: Im ägyptischen Alexandria schoss am Sonntag ein Polizist in eine israelische Touristengruppe. Er tötete nicht nur zwei Israelis, sondern auch einen Landsmann. Die einst multikulturelle Stadt am Mittelmeer ist auch deshalb ein beliebtes Ziel israelischer Besucher und Besucherinnen, weil es dort eine große jüdische Gemeinde gab. In arabischen und islamisch geprägten Staaten - wie in Tunesien - demonstrierten nach dem Angriff auf Israel Sympathisanten und Sympathisantinnen der Hamas. Die öffentliche Meinung Die Regierung in Kairo fährt, so wie andere in der Region, einen prekären Kurs zwischen dem politisch Offensichtlichen – dass Israel völkerrechtswidrig kriegerisch attackiert wird – und der Beschwichtigung der vorherrschenden öffentlichen Meinung. Wenn sie etwas gewusst hätten, hätten sie die Information wohl Israel zukommen lassen, schon aus Eigeninteresse. Eine Destabilisierung der Region kann man nicht brauchen. Für Präsident Abdelfattah al-Sisi waren die Ereignisse ein Anlass, sich am Samstag in das neue "Strategische Krisenmanagement-Zentrum" in seiner neuen Monsterhauptstadt zu begeben: frische Bilder für den Präsidentschaftswahlkampf. Den Wahlsieg im Dezember hat er zwar in der Tasche, aber der durch die schwere Wirtschaftskrise angeknacksten Popularität täte es auch nicht gut, würde er die Attacke auf Israel klar verurteilen. "Zurückhaltung" So geht es fast durch die Bank: Von beinahe überall in der Region, etwa auch aus der wichtigen Türkei, kommen Aufforderungen zur Zurückhaltung und zur Einstellung von Angriffen auf Zivilisten, "wo immer sie sind", so Marokko, der Friedenspartner Israels in den Abraham-Abkommen. Aber auch dort preist die Muslimbruderpartei PJD die Hamas offen für ihren "heroischen Akt": "eine natürliche und legitime Reaktion auf tägliche Übergriffe". Kein Wort der Kritik an der Hamas äußert auch Mahmud Abbas, der in die politische Bedeutungslosigkeit versunkene Palästinenserpräsident, der die Kontrolle über das Westjordanland längst verloren hat. "Das palästinensische Volk hat das Recht, sich gegen den Terror von Siedlern und die Besatzungstruppen zu verteidigen." "Tod Israel" aus Teheran Gänzliche Zustimmung zur Attacke kam aus dem Iran, inklusive "Tod Israel"-Gesängen aus dem Parlament in Teheran. Der Iran steht nicht nur hinter der Bewaffnung von Hamas und Islamischem Jihad im Gazastreifen, sondern auch der libanesischen schiitischen Hisbollah, die im Syrienkrieg massiv aufgerüstet wurde. Die Hisbollah erklärte, sie sei "in ständigem Kontakt mit der Führung des palästinensischen Widerstands".
Der israelisch-saudische Normalisierungskurs könnte einer der Beweggründe für das Handeln der Hamas gewesen sein, die damit demonstrierte, dass Frieden in der Region ohne die Palästinenser – beziehungsweise ohne Hamas – nicht möglich sei. In Riad schien fast eine Art Schockstarre zu herrschen. Mehr als der Ruf nach Zurückhaltung und einer Waffenruhe fiel aber auch dem ersten Partner Israels in den Abraham-Abkommen, den Vereinigten Arabischen Emiraten, nicht ein. Die öffentliche Meinung ist in diesen Staaten jedoch besser kontrolliert. (Gudrun Harrer, 8.10.2023)
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