Ich bin dagegen, wie der Westen durch die Einkreisung Russlands den Krieg in der Ukraine provoziert hat. Ich bin empört, dass der Tod von Hunderttausenden in Kauf genommen wurde und lange kein diplomatischer Ausweg durch Verhandlungen gesucht wurde. Ich bin empört, dass das Risiko einer atomaren Katastrophe durch Krieg oder Beschuss von Atomkraftwerden damit in Kauf genommen wird. Ich bin empört, dass in einer Welt, in der Hunderte Millionen Menschen hungern Milliarden für Waffen ausgegeben werden und das Geld für Programme fehlt, um den Hunger zu überwinden. Ich bin empört, dass mit Krieg und Aufrüstung zusätzlich massiv CO2 freigesetzt wird, obwohl die Erde sich immer mehr den Kipppunkten des Klimas nähert.
Doch habe ich politische Möglichkeiten, habe ich politische Macht, dies zu ändern?
Ja, die habe ich.
Ich habe eine Wahlstimme in meinem Wahlkreis und kann darüber die Entscheidungen des Parlaments durch Auswahl der Abgeordneten mitbestimmen. Ich habe in meinem Wahlkreis auch die Möglichkeit, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, Menschen, mit denen ich sowieso in Beziehung stehe: am Arbeitsplatz, in der Schule, der Familie, im Freundeskreis, dem Verein oder beim Gespräch auf der Straße. Sie kann ich als Wähler ansprechen, die mich beschäftigenden Fragen besprechen und sehen, mit wem ich gemeinsame Standpunkte habe. Etwa, ob sie auch so empört sind, wie man selbst oder warum sie es anders sehen.
Finden wir Gleich- oder Ähnlich-Denkende, können wir einen Pol im Wahlkreis bilden und sehen, wir er mehr Menschen anziehen kann. Wir sollten uns als Bürgerinnen und Bürger zusammentun, unabhängig von der Parteizugehörigkeit; Kritiker der bisherigen Sieg-über-Russland-Strategie gibt es in allen Parteien. Und wir alle bezahlen den Preis dafür, dass dieser Krieg nicht verhindert oder längst beendet worden ist; unser aller Einkommen schmelzen zusammen, uns alle belastet das Kriegsleid psychisch, wir alle leben im Risiko, dass der Krieg eskaliert, wir alle erleiden die Folgen des Klimawandels, als Staatsbürger werden wir alle zur Abzahlung der Schulden herangezogen, die jetzt durch die Aufrüstung und Kriegsunterstützung aufgenommen werden (das Wort 100 Milliarden Sondervermögen ist ein Betrug, es sind zusätzliche Schulden).
Unser gemeinsames Ziel sollte sein: Wir gewinnen eine politische Mehrheit im Wahlkreis für Friedenspolitik und schaffen damit den Boden dafür, bei der nächsten Wahl einen Friedenspolitiker oder eine Friedenspolitikerin in Parlament zu schicken. Und bis dahin und danach?
Die Wahl ist unser politisches Machtmittel. Aber wir haben danach keine Macht, wenn der Vertreter oder die Vertreterin genau entgegengesetzte Entscheidungen trifft. Und macht es heute schon Sinn, sich zu engagieren, weit vor den nächsten Wahlen?
Zum einen ist es nicht leicht, arbeitsfähige Teams aufzubauen; das braucht Zeit. Zum zweiten können auch jetzt Politiker nicht ignorieren, was in der Öffentlichkeit und vor allem der Öffentlichkeit in ihrem Wahlkreis diskutiert wird und das einfach übergehen: In Ihrer Partei wird es gesehen, wenn sich eine Kraft aufbaut, die die Politik der Partei ablehnt und die die Wiederwahl der oder des Abgeordneten gefährdet.
In der eigenen Region ist politisches Engagement mit dem geringsten Aufwand verbunden und es gibt ein stärkeres Interesse an Entwicklung in der eigenen Region als bei Ereignissen in anderen Teilen des Landes. Zudem kennt man sich von der ganzen Persönlichkeit, nicht nur der politischen Aktivität. Dieses Pfund kann man in seiner Region einbringen und damit auch der von Außen, von den Medien vor allem kommenden Beeinflussung etwas entgegensetzen.
Nutzen können wir das aber nur, wenn wir auch inhaltlich etwas entgegenzusetzen haben. Die Medien, die heute fast durchgängig den Krieg unterstützen, haben Journalisten, die ihre Zeit voll einbringen können. Sie werden von Denkfabriken (Thinktanks) unterstützt (In den USA wurde gerade enthüllt dass die Rüstungsfabriken, die am Krieg verdienen, viele von ihnen verdeckt finanzieren). Das sind wissenschaftlich ausgebildete Leute, die ihr Geld dafür verdienen, den Journalisten so zu arbeiten, dass sie die Kriegspolitik gut begründen können.
Was können wir dem entgegensetzen? Wir brauchen auch Denkfabriken oder Denker, Wissenschaftler, ev. auch ehemailige Militärs (wie Scott Ritter und Douglas Macgregor, Jacques Baud oder Harald Kujat), denen wir trauen, dass sie versuchen die Tatsachen zu ermitteln und dazu auch die Verbindungen haben, das zu können. Wir haben zum Glück für die Recherche das Internet und können auf diese Quellen zugreifen. Viele der starken Leute allerdings verbreiten ihr Wissen in Englisch. Es wäre toll, wenn wir mehr Kapazitäten haben, dies ins Deutsche zu übersetzen. Und über das Internet können wir auch journalistisch arbeiten, das Wissen im Wahlkreis weitergeben und dafür Plattformen über Homepages oder in den sozialen Netzwerken aufbauen. Gut wäre, wenn die die Bedeutung und Auswirkungen von Konflikten für das persönlichen Leben der Menschen deutlich machen können und daraus sie für eigenes Engagement begeistern können.
Um ein gemeinsam agierendes Team zu schaffen, das politische Vorschläge diskutiert und gemeinsam vertritt, sind aber Diskussionen nötig, im Internet und auch bei persönlichen Treffen. Vielleicht können dazu auch außerparlamentarische Anhörungen organisiert werden. Gut wäre, wenn es gelingt, in dem Team arbeitsteilig zu agieren, Aufgaben zu verteilen und die Ergebnisse zusammenzubringen.
Diese Vorschläge kann das Team dann über Leserbriefe, Flyer, Plakate, Veranstaltungen oder Aktionen in die Öffentlichkeit des Wahlkreises einbringen. Es kann dann auch die öffentliche Diskussion suchen mit der oder dem jeweiligen Abgeordneten. Im Vorfeld sollte seine oder ihre Parlamentsarbeit beobachtet werden und auch die öffentlichen Stellungnahmen. Nicht nur die Tätigkeit der direkt gewählten Abgeordneten sollte beobachtet werden, sondern auch die der anderen Parlamentarier aus dem Kreis.
Unsere Botschaft an alle, die Frieden durchsetzen wollen: Wir müssen dazu eine in den Wahlkreisen aktive bundesweit vernetzte Struktur der Selbstorganisation aufbauen. Sie interessiert Menschen an der Arbeit für den Frieden und organisiert Selbstbildung für die Vielen, damit sie über die Wahlkreise in die politischen Entscheidungen in die Parlamente einbringen können.
Wir halten den Aufbau dringlich nicht nur wegen des Krieges in der Ukraine.
Wir stehen vor einer langen Periode harter Konflikte. Anders als in den Jahrzehnten nach 1945 werden die nicht mehr nur im Globalen Süden ausgetragen, in dem es in vielen Teilen bis heute nie Frieden gab und an denen in der Regel westlichen Staaten beteiligt war oder sind.
Von der Politik sollten wir einfordern, alle Konflikte nur mit friedlichen Mitteln zu lösen. Dieses Prinzip ist in der UNO-Charta beschlossen. Dazu ist es gut, Konflikte zuerst zu verstehen und Lösungsvorschläge zu diskutieren, ev. auch die von den Abgeordneten vertretenen.
Vor diesen Konflikten stehen wir als Menschheit: 1.) Seit dem Ende des Kalten Krieges beanspruchen die USA die globale Vorherrschaft und suchen sie durch Schwächung möglicher oder tatsächlicher Herausforderungen dauerhaft zu erhalten. Das widerspricht dem Völkerrecht, das alle Staaten gleichberechtigt sieht. Dieses Recht konnte bis heute auf rechtlichem Weg nicht gegen die USA durchgesetzt werden. Jetzt aber bildet sich um die wirtschaftlich und militärisch starken Staaten China und Russland eine Staaten-Koalition die die US-Dominanz nicht mehr hinnehmen will. Hier gilt es, dazu beizutragen, dass dieser Großkonflikt nicht zu weitern Kriegen eskaliert, sondern es einen friedlichen Übergang zu einer multipolaren Welt mit gestärkten gemeinsamen internationalen Institutionen gibt.
2.) Seit Jahrhunderten beherrschen die Regionen, in denen sich zuerst starke Nationalstaaten gebildet haben, die sich sich industrialisiert haben, die Regionen im globalen Süden. Die gegenseitige Selbstschwächung des globalen Nordens in zwei Weltkriegen hat es den Menschen des globalen Südens ermöglicht, formal politische unabhängige Staaten zu bilden. Allerdings konnten sie sich durch sie noch nicht als der kolonialen Wirtschaftsstruktur befreien: Sie führen weiter vor allem unbearbeitete Rohstoffe aus und führen verarbeitete Waren ein: Wertschöpfung und Arbeit bleibt dabei im globalen Norden (und inzwischen auch zunehmend in den Schwellenländern). Doch die inzwischen stärker gebildete und an der internationalen Kommunikation beteiligte Jugend drängt auf eine eigene bessere Zukunft und auch viele Politiker im globalen Süden fordern inzwischen selbstbewusster die Berücksichtigung der Interessen ihrer Länder. Sie können dazu über BRICS die Zusammenarbeit mit Russland und China suchen. Hier können wir zur Gestaltung von gerechten, friedlichen und solidarischen Nord-Süd-Beziehungen beitragen und der Eskalation zu Krieg und Gewalt entgegenwirken. Weniger Einfluss werden wir nehmen können auf Konflikte zwischen den Staaten oder in den Staaten des globalen Südens. Wir sollten aber darauf drängen, dass sie von unseren Staaten nicht geschürt oder verschärft werden.
3.) Bausteine für eine friedliche Welt sind Nationalstaaten mit Innerem Frieden. Der aber ist selbst in den USA, Frankreich oder Deutschland nicht mehr gesichert.
Ein Punkt ist schon einmal festzuhalten: Eine erprobte Methode inneren Missständen abzulenken und notwendige und eingeforderte innere Reformen zu verhindern, ist es einen äußeren Feind aufzubauen und auf ihn die Probleme zu schi3eben, bzw. gegen ihn "das Volk" zu vereinen.
(wird fortgesetzt).
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