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NZZ sieht argentinische Proteste schwächer als erwartet und damit Rückenwind für Mileis Reformpakete


NZZ. Auszüge:Der erste Streik gegen die Regierung von Javier Milei in Argentinien fällt schwach aus – das Reformprogramm nimmt Fahrt auf

Der frisch gewählte Präsident Milei hat weiterhin die Unterstützung der Mehrheit im Land. Er rückt bei seinem Wirtschaftsprogramm überraschend von seinen Maximalforderungen ab.

Er ist noch keine sechs Wochen im Amt, und schon haben die Gewerkschaften zum Streik gegen das Reformprogramm des libertären Präsidenten Javier Milei aufgerufen.

Doch die Proteste fielen deutlich schwächer aus als von den Organisatoren erwartet. Die Gewerkschaften sprachen von über einer halben Million Demonstranten, die sich vor dem Kongress versammelt hätten. Doch es dürften deutlich weniger gewesen sein. Die Polizei bezifferte die Demonstranten auf 130 000 Personen.

Es war der erste Streik seit fünf Jahren. Gegen die links-peronistische Regierung von Alberto Fernández hatten die Gewerkschaften nie zu Protesten aufgerufen, obwohl der Präsident passiv zusah, wie das Land mit wachsender Inflation und schwerer Rezession immer tiefer in die Krise rutschte.

Milei kann nun gestärkt mit dem Kongress verhandeln

Die schwächer als erwartet ausgefallenen Proteste dürften Mileis Position bei den Verhandlungen im Kongress über seine Reformen stärken. Milei hatte kurz nach seinem Amtsantritt am 11. Dezember letzten Jahres dem Abgeordnetenhaus zwei umfangreiche Reformpakete vorgelegt.

Mit einem Dekretpaket, das bereits seit einem Monat in Kraft ist, aber vom Kongress wieder gekippt werden könnte, will Milei vor allem die Wirtschaft privatisieren, öffnen und deregulieren. Ein Gericht hat davon bisher lediglich die Arbeitsgesetzreformen für ungültig erklärt. Mit einem umfangreichen Notstandsgesetz mit 664 Regelungen für eine Staatsreform will Milei auch die Gewaltenteilung verwässern und wesentlich mehr Macht an die Exekutive geben.

Dabei zeigte sich Milei, der bisher von keinen seiner Maximalforderungen zurücktreten wollte, überraschend pragmatisch. 141 Gesetzesvorlagen des Pakets strich die Regierung, um die Abstimmung unter den Abgeordneten zu ermöglichen und vor allem um die Essenz der liberalen Wirtschaftsreformen zu retten.

Die ehemalige Regierungschefin und ihre loyalen Peronisten werden jedoch in der Bevölkerung als die für das Desaster Argentiniens Verantwortlichen gesehen. Sie sind entsprechend unbeliebt – wie auch die mit ihnen eng verbundenen Gewerkschaften.

Viele Wähler Mileis geben ihm recht, wenn er die als korrupt eingeschätzten Gewerkschaften als Teil der «Kaste», also eines der Grundübel des argentinischen Systems, bezeichnet.

Milei muss sich jedoch weiter beeilen und die Gesetzespakete so schnell wie möglich durch den Kongress bekommen: Er muss die immer noch anhaltende Unterstützung der Bevölkerung nutzen, um die Reformen umzusetzen. Denn die Stimmung kann schnell drehen, falls die explodierende Inflation oder die verringerten Sozialausgaben seine Popularität schrumpfen lassen.

 
 
 

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