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Michael von der Schulenburg: Hätte der Westen das Völkerrecht beachtet, hätte der Ukrainekrieg verhindert werden können. Russlands Angebote, den Konflikt friedlich zu lösen, hat die NATO ignoriert!

Warum die Europäische Union an ihrer

Ukraine-Politik zu zerbrechen droht - Die EU setzt ausschließlich auf Krieg - Die EU verliert den Bezug zur Realität - Die EU isoliert sich außenpolitisch - Die EU schadet sich nur selbst


Michael von der Schulenburg, Mitglied im Europäischen Parlament


Mit dem Ukrainekrieg müssen wir uns erneut die vielleicht wichtigste Frage für eine friedliche Zukunft der Menschheit stellen: kann es eine Welt geben, in der Frieden und eine internationale Ordnung durch gemeinsame Vereinbarungen unter Staaten garantiert wird, oder wird es nur eine Ordnung geben können, die durch die militärische, wirtschaftliche und politische Gewalt einer Hegemonialmacht durchgesetzt werden kann? Das ist eine Frage, ob wir in einer Welt des Völkerrechts oder doch in einer Welt des Rechts des Stärkeren leben werden. Hier dazu einige Gedanken.



Im Ukrainekrieg präsentieren sich die NATO-Länder als die Verteidiger des Völkerrechts und einer nicht näher definierten „internationalen Ordnung“ gegen ein Russland, das mit der Invasion in der Ukraine das Völkerrecht in eklatanter Weise gebrochen hat und damit die internationale Ordnung zerstöre. Nur ist das auch so einfach? Oder ist es nicht eher so, dass alle Kriegsparteien, und dazu gehören dann auch die USA und ihre NATO-Verbündeten, das Völkerrecht wiederholt gebrochen, ja missbraucht haben?


Und nicht nur das. Mit der Einhaltung des existierenden Völkerrechts durch alle

Konfliktparteien hätte dieser Krieg verhindert werden können. Unermessliches menschliches Leiden mit dem Tod sowie den physischen und seelischen Verstümmelungen hunderttausender Menschen auf beiden Seiten der Front wäre vermieden worden. Die Ukraine wäre nicht durch Zerstörung, interne Zerrissenheit, Verarmung, Verschuldung und einer verstärkt einsetzenden

Entvölkerung an den Rand des Kollapses getrieben worden und bestünde weiterhin in den Grenzen von 1991. Und die Menschheit sähe sich nicht dem vielleicht größten Risiko eines nuklearen Konflikts seit dem Kalten Krieg ausgesetzt.


In diesem Beitrag soll nicht entschieden werden, wann dieser Krieg begann, oder wer die Hauptschuld für diesen Krieg trägt. Doch soll hier am Beispiel des Ukrainekrieges auf die entscheidende Bedeutung eines auf der UN-Charta aufbauenden Völkerrechts zur Erhaltung einer friedlicheren Weltordnung hingewiesen werden. Wenn wir einen globalen Frieden ohne Waffengewalt erreichen wollen, geht das nur über den Weg eines allgemein akzeptierten

Völkerrechts.


Der Vorwurf des Völkerrechtsbruches


In den NATO-Ländern beherrscht der Vorwurf des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands und das daraus folgende Recht auf Selbstverteidigung alle Diskussionen zum Thema Ukrainekrieg. Es ist diese nicht weiter hinterfragte Berufung auf das Völkerrecht, mit der die NATO-Staaten ihre militärische Rolle im Ukrainekrieg rechtfertigen.


Der Vorwurf der Völkerrechtswidrigkeit bezieht sich auf die UN-Charta. Und es ist richtig; in der Charta haben sich alle Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, keine militärische Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele einzusetzen (Artikel 2/4) und im Falle eines Angriffs wird jedem Mitgliedsstaat das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung eingeräumt (Artikel 51). Die russische Invasion in der Ukraine war somit völkerrechtswidrig. Das berechtigt die

Ukraine, sich zu verteidigen und die NATO-Staaten, die Ukraine dabei militärisch zu unterstützen.


Nur: Kann man mit der UN-Charta auch rechtfertigen, über mehrere Jahre einen Krieg zu führen, der in der Zerstörung des angegriffenen Staates enden könnte? Und berechtigt dies auch zu einer Ausweitung des Krieges auf Russland mit dem Risiko, einen nuklearen Weltkrieg vom Zaun zu brechen? Und das alles, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, den Konflikt, der zu diesem Krieg geführt hat, friedlich zu lösen? Wohl kaum! Denn Sinn und Zweck der UN-

Charta ist es ja, der Menschheit den Frieden zu erhalten und nicht etwa Kriege zu rechtfertigen.


So beginnt die Präambel der UN-Charta auch mit dem Aufruf:

„WIR, DIE VÖLKER DER VEREINTEN NATIONEN - FEST ENTSCHLOSSEN, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges

zu bewahren, …“. Das sollte doch auch für den Ukrainekrieg gelten.


Das Friedensgebot der UN-Charta


Es ist eben das Friedensgebot der UN-Charta, dass ein Gewaltverbot miteinschließt – und nicht umgekehrt. So heißt es auch gleich am Anfang der Charta, dass es das Ziel der Vereinten Nationen ist, „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren … und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche

Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen; …“. (Artikel 1/1). Ähnliche Aufforderungen, Konflikte durch Verhandlungen beizulegen, finden sich mehrfach in der Charta.


Das ist im Falle des Ukrainekonflikts allerdings nicht geschehen. Dabei handelt es sich hier um einen seit langem bekannten zwischenstaatlichen Konflikt gegensätzlicher Sicherheitsinteressen (und nicht um eine ‚Vorgeschichte‘, wie oft verharmlosend in Deutschland behauptet wird). Es ist daher ein typischer Konflikt, der im Sinne der UN-Charta diplomatisch hätte gelöst werden

sollen – und auch hätte gelöst werden können! Denn bereits seit 1997 hatte Russland wiederholt klar gemacht, dass es eine Ausweitung der NATO in die Ukraine und ins Schwarze Meer direkt an seinen Grenzen als existenzielle Bedrohung ansehe. Russische Verhandlungsangebote wurden aber von den USA und NATO-Staaten verweigert.


Im Gegenteil; seit 2008 hat die NATO mit allen Mitteln auf eine Mitgliedschaft der Ukraine hingearbeitet und dabei den Druck auf Russland erhöht. Alle Verträge über Rüstungsbeschränkungen und vertrauensbildende Maßnahmen mit Russland wurden gekündigt und Russlands nukleare Zweitschlagfähigkeit durch Raketenabwehrsysteme in Rumänien und Polen eingeschränkt.


Die NATO hielt wiederholt militärische Manöver auf ukrainischem Territorium und im Schwarzen Meer ab und unterstützte 2014 offen den bewaffneten Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten der Ukraine, um so eine pro-NATO Regierung in Kiew einzusetzen. Mit dem Minsker Abkommen hatten der Westen wohl auch keine Lösung des Konfliktes, sondern nur Zeit für die Aufrüstung der Ukraine gewinnen wollen. Damit hatten die NATO-Staaten einen Weg eingeschlagen, der eine friedliche Lösung, wie in der UN-Charta vorgeschrieben,

zunehmend unmöglich machte.


Das Argument, eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine sei kein Verhandlungsgegenstand, da die Ukraine ihre Sicherheitsvereinbarungen frei wählen könne, ist so ebenfalls nicht richtig. Denn in der OSZE-Charta von Paris für ein Neues Europa – auch das ist ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag – erklärten bereits im Jahr 1990 alle europäischen Staaten sowie die USA und Kanada:

„Sicherheit [auf dem europäischen Kontinent] ist unteilbar und die Sicherheit jedes Teilnehmerstaates ist untrennbar mit der aller anderen Staaten verbunden“. Im Istanbul Dokument der OSZE von 1999 wurde das noch weiter präzisiert: „Jeder Teilnehmerstaat wird diesbezüglich [gemeint sind Sicherheitsvereinbarungen] die Rechte aller anderen achten. Sie werden ihre Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen.“


Die Verhinderung einer friedlichen Lösung


Sollte es zu einem Krieg gekommen sein, sind UN-Mitgliedsstaaten ebenfalls verpflichtet, durch Verhandlungen eine friedliche Lösung zu finden. Im Falle des Ukrainekrieges haben Russland und die Ukraine sich daran auch gehalten. Bereits drei Tage nach Beginn der russischen Invasion hatten sich russische und ukrainische Verhandlungsteams getroffen und bereits sechs Wochen später hatten beide Seiten sich in Istanbul am 29. März 2022 auf ein Zehn-Punkte-Communiqué geeinigt, das das Grundgerüst für einen all-umfassenden ukrainisch-russischen Friedensvertrag darstellte.


Das Communiqué führte dann aber nicht zu einem Friedensvertrag. Denn bereits wenige Tage zuvor, am 24. März 2022, hatte die NATO auf einem Sondergipfel in Brüssel klargemacht, dass sie derartige Friedensverhandlungen nicht unterstützen werde. Als Präsident Selenskyj dennoch am Istanbuler Communiqué festhielt, machte der britische Premierminister Boris Johnson bei

einem Überraschungsbesuch in Kiew am 9. April 2022 den Ukrainern unmissverständlich klar, dass sie jede Unterstützung des Westens verlieren würden, sollten sie einen Friedensvertrag mit Russland unterzeichnen.


Am 26. April 2022 erklärte dann noch der US-Verteidigungsminister, Lloyd Austin, dass das Ziel der USA im Ukrainekrieg nun sei: „Wir wollen Russland derart schwächen, dass es nie mehr in der Lage sein wird, Dinge zu tun, wie eine militärische Invasion der Ukraine“. Damit haben die USA nun auch ein politisches Ziel im Ukrainekrieg formuliert, dass sie mit militärischen Mitteln

durchsetzen wollen. Tun sie hier nicht genau das, was sie gerade Russland vorwerfen?


Die Konsequenz war nun aber, dass jede Möglichkeit eines frühen und umfassenden Friedens vertan war und die Ukraine in einen Krieg versank, der nun ihre gesamte Existenz gefährden könnte.


Hätten sich die NATO-Staaten im Sinne der UN-Charta hinter die ukrainisch-russischen Friedensverhandlungen vom März/April gestellt, hätte dieser Krieg spätestens nach zwei Monaten beendet werden können – und das zu erheblich besseren Bedingung für die Ukraine, als dies heute noch möglich wäre.


Das Prinzip gegenseitiger Souveränität


Die gegenseitige Anerkennung der staatlichen Souveränität war ein Eckpfeiler der Friedensregelungen des Westfälischen Friedens und ist es bis heute geblieben. In der UN-Charta ist das unter dem Begriff der „souveränen Gleichheit“ (im Originaltext: „principle of sovereign equality“ in Artikel 2/1) verankert. Das bedeutet, dass jeder Staat das Recht hat, seine

politische Ordnung selbst zu wählen und seine inneren Angelegenheiten dementsprechend selbst zu regeln ohne Einmischung anderer Staaten. Dieses Prinzip ist im Ukrainekonflikt eklatant verletzt worden.


Nach Aussage der damaligen amerikanischen Staatssekretärin für Außenpolitik Victoria Nuland hatten die USA bereits vor 2014 fünf Milliarden Dollar in die „West-Orientierung“ des Landes investiert. Für eines der ärmsten Länder Europas war das eine riesige Summe. Sehr wahrscheinlich ist sogar, dass es sich um viel höhere Beträge handelte, wie Gelder anderer westlicher Staaten sowie deren Geheimdienste und privater Stiftungen. Auch haben westliche

Politiker – der damalige deutsche Außenminister Westerwelle gehörte dazu – sich immer wieder unter die zum Teil bewaffneten Demonstranten auf dem Kiewer Maidan-Platz begeben und ihnen ihre Unterstützung zugesagt – ein geradezu einzigartiger Vorgang, den kein westliches Land für sich akzeptieren würde.


In einem abgehörten Gespräch von Nuland mit dem damaligen US-Botschafter in Kiew wurde sogar besprochen, welchen besonders US-freundlichen Politiker man nach einem gelungenen Umsturz zum ukrainischen Ministerpräsidenten machen solle. Und genauso passierte es dann auch. Dass mit Janukovych ein demokratisch gewählter Präsident abgesetzt wurde, der aus nationalen Wahlen hervorging, die von der OSZE und EU damals als frei und fair bezeichnet

wurden, schien im Westen niemanden zu stören. Ohne diese völkerrechtswidrige Einmischung in die internen Angelegenheiten hätte es wahrscheinlich zu keinem illegalen Umsturz, zu keinen Unruhen in vielen Teilen der Ukraine und zu keiner Abspaltung der Krim und des Donbas geführt.


Das Universalitätsprinzip


Aber das vielleicht Erstaunlichste am westlichen Vorwurf, Russland führe einen

völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, ist, dass gerade die USA und ihre NATO-Verbündeten seit dem Ende des Kalten Krieges wiederholt selbst völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt haben. Uns sind noch die völkerrechtswidrigen Kriege gegen Serbien (1999), gegen den Irak

(2003), gegen Libyen (2011) und gegen Syrien (2014) bekannt. Weniger bekannt ist, dass zwischen 1992 und 2022 die USA 251-mal militärisch in anderen Staaten interveniert hatten (nach Angaben des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses). Dabei sind CIA-Operationen und Unterstützungen in Stellvertreter-Kriegen nicht einmal eingerechnet. Es ist wohl fair anzunehmen, dass die überwiegende Mehrzahl dieser Interventionen nicht vom

Völkerrecht gedeckt war. Der Hegemonialanspruch der USA, der auf militärischer Stärke aufbaut, verträgt sich eben nicht mit einer UN-Charta, dass die souveräne Gleichberechtigung der Völker und das Friedensgebot zur Grundlage hat.


Ein Völkerrecht macht aber nur Sinn, wenn es universell ist – also für alle Staaten gleichermaßen gilt. Durch die vielfachen völkerrechtswidrigen Interventionen von NATO-Staaten wurde das Völkerrecht schon lange vor Russlands Angriff auf die Ukraine ausgehebelt und so scheint der heutige Vorwurf an Russland unehrlich und fragwürdig.


Im Westen haben wir uns leider daran gewöhnt, unterschiedliche Standards für uns und „die anderen“ zu akzeptieren. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass man in NATO-Staaten gerne von einer fiktiven „regelbasierten internationalen Ordnung“ und nicht mehr von einem Völkerrecht spricht.


Führt eine Zeitenwende zurück zum Völkerrecht?


Nun haben sich die Zeiten aber geändert und die USA sind längst nicht mehr die alleinige militärische, wirtschaftliche, technologische und damit politische Supermacht, die sie vor 30 Jahren noch waren. Heute werden die USA – und mit ihr ihre europäischen Alliierten – die Macht mit anderen Staaten der Welt teilen müssen. Die Welt ist bereits multipolarer geworden.


Und der damals herrschende Glaube, die USA würden als eine Kraft des Guten und des Fortschritts durch ihre militärische Macht eine globale Ordnung schaffen, in der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftlicher Aufschwung herrschten, hat sich nicht erfüllt. Keine der 251 militärischen Interventionen, keine der CIA-Operationen und keine der Waffenlieferungen

in Stellvertreterkriegen haben je Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder wirtschaftlichen Wohlstand geschaffen. Sie haben nur Chaos, Anarchie, wirtschaftlichen und sozialen Ruin und unermessliches menschliches Leiden hervorgerufen. Der Ukraine steht wohl ein ähnliches Schicksal bevor.


Hegemonialansprüche und Waffen bringen eben keine Ordnung und keinen Frieden.

Vielleicht wird gerade dieser sinnlose und unmenschliche Ukrainekrieg uns zu der Überzeugung bringen, dass die UN-Charta, die in dem gemeinsamen Gelöbnis aller 193 Mitgliedsstaaten von „Nie wieder Krieg“ und „Menschlichkeit“ gipfelt, eine gleichberechtigtere, bessere und friedlichere Zukunft für die gesamte Menschheit verspricht. Wir alle müssen uns nur noch daran auch halten wollen!


Michael von der Schulenburg, Mitglied des EU-Parlaments für das Bündnis Shara Wagenknecht, Unterstützer der deutschen Friedensbewegung und ehemaliger Assistant Secretary-General der Vereinten Nationen, floh 1969 aus der DDR, studierte in Berlin, London und Paris, arbeitete und lebte über 34 Jahre in Friedens- und Entwicklungsmissionen der Vereinten Nationen und kurz der OSZE in vielen Ländern, die durch Kriege, durch Konflikte mit

bewaffneten nichtstaatlichen Akteuren oder durch ausländische Militärinterventionen geschwächt und zerrissenen waren. Seit 1992 war er in leitender Funktion dieser Friedensmissionen. Zu diesen gehörten langfristigen Einsätzen in Haiti, Pakistan, Afghanistan, Iran, Irak und Sierra Leone sowie kürzere Einsätze in Syrien, in Somalia, auf dem Balkan, in der Sahelzone und in Zentralasien.


Seit seiner Pensionierung hat Schulenburg viele Vorträge in akademischen Institutionen gehalten und Artikel zu Themen wie UN-Reformen, nicht-staatliche bewaffnete Akteure, Kriege innerhalb von Staaten aber auch über die Kriege in Afghanistan, Irak und Ukraine veröffentlicht.


2017 erschien sein Buch On Building Peace – Rescuing the Nation-State and Saving the United Nations, AUP. He is active in the German peace movement. (www.michael-von-der-





Warum die Europäische Union an ihrer

Ukraine-Politik zu zerbrechen droht


12 min


Am 1. September gedenken wir des Zweiten Weltkrieges vor 85 Jahren, der

mit dem Angriff Nazi-Deutschlands auf Polen begann. Er entwickelte sich

zum grausamsten und blutigsten Krieg der modernen Geschichte, der um die

75 Millionen Menschen das Leben kostete – verbunden mit unermesslichem

Leiden und unvorstellbarer Zerstörungen. Wie schon der Erste Weltkrieg,

ging auch dieser Krieg vom europäischen Boden aus und erfasste nach und

nach die ganze Welt. Man sollte hoffen, dass wir Europäer – und eben wir

Deutsche insbesondere – aus einer daraus erwachsenen Verantwortung eine

strikte Friedenspolitik im Sinne der nach den beiden Weltkriegen

entstandenen UN-Charta verfolgen würden. Dem ist aber leider nicht so!

In der Ukraine herrscht nun wieder ein Krieg auf europäischem Boden. Es ist

der weitaus größte und gefährlichste Krieg seit den beiden Weltkriegen, und

auch er birgt das Risiko, sich zu einem Weltkrieg ausweiten zu können –

dieses Mal gar zu einem Nuklearkrieg. Die Folgen für die Menschheit

könnten so noch verheerender werden. Und dennoch setzt die EU weiterhin

ausschließlich auf eine militärische “Lösung" des Ukraine Krieges und nimmt

alle damit entstehenden Gefahren für uns Europäer und die gesamte

Menschheit billigend in Kauf und stößt damit international auf immer mehr

Ablehnung.


Die EU setzt ausschließlich auf Krieg

Eine im Juli dieses Jahres im EU-Parlament mit großer Mehrheit

angenommene Resolution „zur Unterstützung der Ukraine“ legt eine

kompromisslose Ausrichtung der EU auf eine Weiterführung des Krieges fest.

In Zügen liest sich diese Resolution gar wie ein Aufruf zu einem „totalen

Krieg“.Im Hinblick auf die sich verschlechternde militärische Lage sollen

auch hier noch einmal alle Ressourcen mobilisiert werden, um dennoch einen

militärischen Sieg der Ukraine über Russland zu ermöglichen.


So wird in dieser Resolution von allen EU-Mitgliedstaaten eine

„unerschütterliche“ Unterstützung der Ukraine bis zum Sieg über Russland

verlangt. Dementsprechend werden alle EU- und NATO-Staaten

aufgefordert, 0,25% ihres jeweiligen BIP der Ukraine für militärische Zwecke

zur Verfügung zu stellen. Laut einer Kalkulation der konservativen EPP-

Fraktion würde sich das jährlich auf 127 Milliarden Euro summieren – was

mehr als das Doppelte des diesjährigen Verteidigungshaushalts Deutschlands

wäre und bisherige militärische Unterstützungen weit übertreffen würde.

Der Einsatz der zur Verfügung gestellten westlichen Waffen gegen

militärische Ziele im Hoheitsgebiet Russlands wird ausdrücklich befürwortet

und eine baldige NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als „unumkehrbar“

bezeichnet. Weiterhin wird die Errichtung eines internationalen

Sondergerichts für russische Kriegsverbrechen sowie die Einziehung aller

eingefrorenen russischen Vermögenswerte zugunsten der Ukraine gefordert.

Hingegen gibt es in der dreieinhalbseitigen Resolution keinen einzigen

Hinweis auf Verhandlungen oder andere diplomatische Bemühungen.

Gespräche könne es erst dann geben, wenn Russland kapituliert und sich aus

allen besetzten Gebieten zurückzieht.In diesem Zusammenhang werden die

Bemühungen des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán, Gespräche

zwischen der Ukraine und Russland zu initiieren, in der Resolution auf das

Schärfste kritisiert.

Bereits im Juni hatte der Europäische Rat die ehemalige estnische

Ministerpräsidentin Kaja Kallas für das Amt der Hohen Vertreterin der

Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik nominiert. Damit

vertraut die EU dieses wichtige Amt einer der streitbarsten Anti-Russland

Politikerinnen an. Noch vor kurzen meinte sie, dass eine Zerschlagung

Russlands in mehrere kleine Staaten „keine schlechte Sache sei“ und forderte,

sich bei der Unterstützung der Ukraine nicht von russischen Nuklearwaffen

einschüchtern zu lassen. Sie soll nun diese in der Resolution geforderten

Kriegsziele außenpolitisch durchsetzen. Nur, kann sich die EU eine solche

Politik überhaupt leisten oder erliegt sie hier nicht einer gefährlichen

Selbstüberschätzung?

weiter:

Die EU verliert den Bezug zur Realität

Die EU isoliert sich außenpolitisch

Die EU schadet sich nur selbst

Ruth Firmenich ist Politikwissenschaftlerin. Sie war 20 Jahre lang

Büroleiterin von Sahra Wagenknecht und ist Gründungsmitglied der neuen

Partei Bündnis Sahra Wagenknecht. Seit 2024 ist sie Mitglied des

Europäischen Parlaments.



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