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Klimaforscherin: Wir werden Klimaschutz nur hinbekommen, wenn er auch sozial verträglich ist

Das Vertrauen in den Staat ist entscheidend, ob er gelingen kann


Wer muss zahlen? «Der Klimawandel ist jetzt da – und er wird teuer» Flut, Hitzewelle und Dürren: Wie stark trifft die Klimakrise Europa? Und wer muss am Schluss dafür aufkommen? In «NZZ Standpunkte» spricht Klimaexpertin Brigitte Knopf über innovative Ideen, Naturkatastrophen und darüber, wer am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden wird. Video mit dem Interview:

https://www.nzz.ch/international/wer-muss-zahlen-der-klimawandel-ist-jetzt-da-und-wird-teuer-ld.1646642

Eigentlich zählt er zu den drängendsten Problemen der Menschheit: der Klimawandel. Und tatsächlich wurde zuletzt viel darüber geschrieben – spätestens seit das schlechte Gewissen um das Klima ein Gesicht bekommen hat: Die mittlerweile 18-jährige Aktivistin Greta Thunberg reiste um die Welt, prangerte Land um Land als Klima-Schurken an. Tausende Jugendliche folgten ihrem Protest, zogen in Massen durch die Städte Europas. Politiker versprachen Wandel. Doch tatsächlich passiert ist wenig.


In Abstimmungen sagt das Schweizer Stimmvolk Nein zu teurer Energie. Zwar verabschiedet die Politik immer schärfere Klimaschutzziele, doch die liegen alle in ferner Zukunft. Es gilt: Alle wollen den Klimaschutz, doch Nachteile will keiner in Kauf nehmen. Gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma? Darüber sprechen NZZ-Chefredaktor Eric Gujer und die deutsche Klimaforscherin Brigitte Knopf in der jüngsten Ausgabe von «NZZ Standpunkte». Denn wie die Klimakrise abgewendet werden soll, darüber streiten Politiker wie Aktivisten bis heute. Statt neue Ideen und Lösungen zu finden, werde der Klimaschutz zu oft populistisch ausgenützt, sagt die Expertin.

Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass der Klimawandel in Europa und dem Westen angekommen sei, sagt Knopf. Nun sei jedem klar, dass durch die steigenden Temperaturen nicht nur Dürren in Afrika entstehen oder Teile Asiens überschwemmt würden, sondern die Folgen vor der eigenen Haustüre zu sehen seien. «Der Klimawandel ist jetzt da – und er wird teuer», sagt Knopf.

Sie zählt die Hitzewelle 2018 in der Schweiz und Europa auf, die Waldbrände in den USA und – vor einigen Wochen – die Jahrhundertflut in Deutschland. Das hat Konsequenzen: «Ich glaube, dass der gesamten Wirtschaft durch den Klimawandel der Boden unter den Füssen weggezogen wird», sagt sie. Durch die Wetterextreme könnten Unternehmen nicht mehr sicher planen. «Das stellt unser gesamtes Wirtschaftsmodell infrage.»


Zusätzliche Kosten von bis zu 400 Milliarden Franken

Tatsächlich sind die Kosten des Klimawandels immens. Die Schweiz benötigt in Zukunft eigentlich 30 bis 50 Prozent mehr Strom. Doch dafür müssten entsprechende Kraftwerke, Windräder und andere Energie-Quellen gebaut werden – das kostet. So kommt eine neue Studie von verschiedenen Schweizer Institutionen unter Federführung der ETH zum Schluss, dass bis 2050 Mehrkosten von 100 bis 400 Milliarden Franken anfallen werden.


Doch das ist nur das eine Problem: «Wir werden Klimaschutz nur betreiben können, wenn er auch sozial verträglich ist», sagt Knopf. «Es wird nicht ehrlich gesagt, wo die Kosten entstehen.» Besonders die ärmeren Haushalte würden unter den Folgen leiden, wie bei der Flut in Deutschland zu sehen gewesen sei. Viele Betroffene könnten sich keine Versicherung leisten. Wenn dann das ganze Haus weggespült werde, stünden sie vor dem Nichts.

Deshalb sei es Aufgabe der Politik, die anfallenden Kosten, aber auch die möglichen Entlastungen, zu vermitteln. Die Wirtschaft sei glücklicherweise oft schon weiter, sagt Knopf. Einige Unternehmen hätten sich bereits auf den Weg gemacht und neue Geschäftsmodelle entwickelt. So geht die Expertin beispielsweise davon aus, dass ein völlig neuer Strommarkt entstehen wird, mit flexiblen Anbietern. «Das Schlimmste, was jetzt passieren kann, ist, dass sich die Politik – anders als die Wirtschaft – nicht klar zu den nötigen Klimazielen bekennt.»

Natürlich würden dadurch manche Unternehmen auf der Strecke bleiben, die nicht schnell genug nachkämen und es verpassten, in die Zukunft zu investieren, sagt Knopf. Doch das sei ein gewöhnlicher Vorgang: «Heute fährt man auch nicht mehr in Kutschen, sondern in Autos.»


Kann die Schweiz wirklich etwas tun?

Trotz allen Massnahmen stelle sich allerdings eine andere Frage, sagt Gujer: «Wie sinnvoll sind nationale Aktionspläne zum Klimaschutz, wenn das Problem doch nur international gelöst werden kann?» Schliesslich verursache die Schweiz lediglich 0,1 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, die USA und China hingegen rund 45 Prozent. Was habe es da für einen Sinn, dass sich ein einzelnes Land wie die Schweiz besonders anstrenge, fragt Gujer seinen Gast.


Die Schweiz strenge sich ja nicht alleine an, entgegnet Knopf. Natürlich sei der Klimawandel ein globales Problem, doch wenn jeder nur auf den anderen warten würde, dann würden die Probleme nie gelöst werden. Das Pariser Klimaabkommen zeige, dass Staaten aus aller Welt durchaus ein gemeinsames Ziel verfolgen könnten. Wenn die Politik den nötigen Rahmen schaffe, dann könnten die Bürgerinnen und Bürger auch im Alltag nachziehen.



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