Klaviatur der Unterdrückung: Vorgehensanalyse zur Entmachtung der politischen Opposition in gelenkten Demokratien wie Deutschland und USA
- Wolfgang Lieberknecht
- 10. Dez. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Autor: Andreas Keite, andreas_keite@web.de, www.zensurio.net 05.12.2024 EVAL-Kommentar: EVAL-Mitglied und Berliner Student Andreas Keite der Politikwissenschaften hat mit seinen 30 Jahren die nachfolgende, sehr beeindruckende und tiefgründige Analyse geschrieben Übersicht für eilige Leser:
Einleitung
1. Reichweiteneinschränkung Seite 3 2. Deplatforming Seite 4 3. Kündigung Konten und Arbeit Seite 5 4. Hausdurchsuchung Seite 6 5. Gerichtsprozess und ökonomischer Mord Seite 8 6. Inhaftierungen Seite 10 7. Mord Seite 12 8. Fazit Seite 13
Einleitung Wie stellt man sich einen typischen Unterdrückungsstaat vor? Brutale Festnahmen, nächtliche Hausdurchsuchungen, gewaltsames Niederschlagen von Protesten, inhaftierte Journalisten und Oppositionelle, die plötzlich spurlos verschwinden. Viel Einschüchterung, Polizei und Gewalt. Der Nachteil von Gewalt ist jedoch, dass sie bei den meisten Menschen Ablehnungsgefühle auslöst. Für ein stabiles und vor allem kostengünstiges Herrschaftssystem braucht es filigraner Methoden.
Illegitime Herrschaft kann am besten ausgeübt werden, wenn die Menschen ihr zustimmen – obwohl sie illegitim ist. Könnte genau das der Zweck von modernen repräsentativen Demokratien sein? Der Kognitionspsychologe Prof. Rainer Mausfeld zeigt auf, dass mithilfe der Sozialwissenschaften und Psychologie genau solche Herrschaftsmethoden entwickelt werden. Ziel sei es, das psychische Immunsystem gegen Fremdbestimmung zu unterlaufen.
Dazu werden natürliche psychische Mechanismen so ausgenutzt, dass sich die Menschen freiwillig einer Herrschaft unterwerfen. Zu diesem Zweck wird traditionelle rohe Gewalt durch unsichtbare psychische Gewalt ersetzt, wobei natürlich jederzeit Repression erneut eingesetzt werden kann, wenn nötig.1
Einerseits hat der Mensch ein Bedürfnis nach Autonomie und Freiheit. Doch andererseits hat er auch ein Bedürfnis nach Ordnung und Sicherheit und ist auch bereit, dafür Herrschaft zu akzeptieren. So entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Herrschaft und Souveränität, wobei die meisten Menschen von beidem etwas wünschen. Das Optimum ist ein Lagemaß, welches genau so liegt, dass das Bedürfnis nach Herrschaft sowie auch Souveränität der meisten Menschen geachtet wird. Wir können dieses Lagemaß auch Herrschaftsoptimum nennen. Legitime Herrschaft achtet neben anderen Faktoren daher auch das Herrschaftsoptimum. Solch eine Herrschaft ist günstig und stabil, da die meisten Menschen mit ihr einverstanden sind. Repression wird dann notwendig, wenn die Herrschaft das Herrschaftsoptimum nicht achtet. Das passiert zum Beispiel dann, wenn die Herrschenden zu viel Macht ausüben um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Zum Erreichen von etwa ideologischen Zielen weitet sich die Herrschaft in so einem Fall zu Lasten der Souveränität aus. Ein Herrschaftsüberhang entsteht. Die Beherrschten werden nun protestieren und versuchen, den Herrschaftsüberhang zurückzubauen und das Herrschaftsoptimum wieder herzustellen. Da sich die Mehrheit den Zustand nicht mehr gefallen lässt, wird nun Repression notwendig. Die Strategie kann dabei verschiedene Formen annehmen. Einerseits ist es möglich, den Herrschaftsüberhang nicht zu leugnen, ihn gar zur Schau zu stellen und den Widerstand mit physischer Gewalt, Polizei und Panzern niederzuschlagen. Das wäre ein klassischer Polizei- und Terrorstaat. Wie könnte man es jedoch auch machen? Man könnte die Beherrschten insofern täuschen, als dass es keinen Herrschaftsüberhang gebe. Man erzählt ihnen einfach, dass sie was zu sagen hätten, obwohl sie tatsächlich völlig machtlos sind. Wenn man das Gefühl hat, frei zu sein, wird sich kein Widerstandswunsch bilden. Man kann also entweder den Körper unterdrücken, sodass ein freier Geist es nicht zu Taten bringt oder man kann den Geist unterdrücken, sodass ein freier Körper nutzlos bleibt. In diesem Beitrag behandle ich den Ansatz der weichen Repression, die vornehmlich Einfluss auf das Denken nimmt. Diese Form der Unterdrückung beobachte ich vor allem in Deutschland und Europa. Ziel dieser Strategie ist es, die Menschen glauben zu lassen, sie hätten mehr Souveränität, als sie tatsächlich haben. Der Herrschaftsüberhang soll durch Täuschung unsichtbar gemacht werden, um den Widerstandswillen zu neutralisieren. In diesem Format ist es förderlich, den beherrschten Menschen ein Gefühl der Souveränität zu geben und sie über ihre tatsächliche Unterwerfung im Unklaren zu lassen. Das Problem für den Staat ist dann, dass er jetzt nicht mehr so einfach Gewalt einsetzen kann. Gewaltexzesse gegen Oppositionelle machen nämlich unmissverständlich klar, von wem tatsächlich Herrschaft ausgeht. Man kann ja schlecht den Leuten erzählen, sie wären die Chefs und gleichzeitig jeden verprügeln der es anders sieht. Ein Repressionssystem, das auf Täuschung beruht, hat daher kein Interesse daran, sich mit übermäßiger Gewalt zu demaskieren. Solch ein Unterdrückungssystem versucht so wenig Gewalt wie möglich anzuwenden, damit die Allgemeinheit weiterhin blind für die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse bleibt. So wird ihre psychische Resistenz gegen Fremdbestimmung unterlaufen. Oder anders gesagt: Nur ein närrischer Herrscher würde fortwährend mit Kanonen auf Spatzen schießen. Stattdessen setzt man Unterdrückungstechniken ein, die zwar die Opposition entmachten, für die Allgemeinheit jedoch unsichtbar bleiben. In so einem System entstehen drei Gruppen von Menschen: 1) Einerseits jene, die die gleichen Interessen wie die Herrschenden haben und daher nicht unterdrückt werden. 2) Die zweite Gruppe ist mit den Herrschaftsverhältnissen nicht einverstanden und hat das Potential aufzubegehren. Diese Gruppe wird über die tatsächlichen Verhältnisse erfolgreich getäuscht. Diesen Menschen macht man weiß, dass es den Herrschaftsüberhang nicht gebe. Bei einem Großteil funktioniert das erfolgreich. 3) Übrig bleibt eine kleinere Gruppe von Menschen, die nicht einverstanden ist und nicht getäuscht wird. Sie sehen, wie der Staat immer übergriffiger wird und wie die Bürger immer weiter entmachtet werden. Bei ihnen entsteht tatsächlich ein Widerstandswille der droht, zu einer Gefahr für die Herrschaftsverhältnisse zu werden. Aus Herrschaftssicht müssen diese Leute weg. Jetzt kann man diese Gruppe theoretisch einfach erschießen. Warum wird das nicht gemacht? Das würde die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse offensichtlich machen und die sorgfältig aufgebaute Souveränitätsillusion in der Bevölkerungsmehrheit zerstören. Das System würde in einen offenen Unterdrückungsstaat kippen. Das will man vermeiden. Deswegen muss Unterdrückung so ablaufen, dass sie für die getäuschte Mehrheit unsichtbar bleibt. Am besten verpackt man das sogar noch als Schutz der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. So ein System nenne ich gelenkte Demokratie. Man gaukelt der Mehrheit der Menschen vor, sie hätten das zu sagen. Man sagt ihnen, wir hätten eine Demokratie. Das ist jedoch eine Täuschung. In Wahrheit wird die Politik von anderen Akteuren gelenkt. Und alle, die nicht mitmachen, werden heimlich stumm gestellt. In die Richtung kommentierte auch die bekannte DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley. Sie warnte davor, dass die gründliche Untersuchung der Stasi-Strukturen in die falschen Hände geraten wird. Man wird mit dem Wissen Organisationen schaffen, die noch viel besser und effizienter arbeiten, als die Stasi. Man wird Dissidenten nicht unbedingt einsperren, sondern brandmarken, isolieren, ausgrenzen und mundtot machen. Wer sich nicht anpasst, wird auf viel feinere Art kaltgestellt.2 Leider sollte sie Recht behalten. Damit ist der Inhalt dieses Beitrags umfangreich abgegrenzt: Es handelt sich um eine Analyse von Methoden zur Repression von Oppositionellen. Und zwar besonders in Herrschaftssystemen, die das Herrschaftsoptimum missachten und dies mit der Täuschung der Mehrheitsgesellschaft kompensieren. Dazu zeige ich im Folgenden verschiedene Eskalationsstufen auf. Die Unterdrückung beginnt heimlich im Kleinen. Die Hoffnung: Der Dissident soll stumm gestellt werden, ohne dass die Öffentlichkeit jemals etwas davon erfährt. Sonst bekäme die Fassadendemokratie Risse. Wenn der Dissident sein Tun zügig unterlässt und den Weg in die Verschwiegenheit findet, droht ihm meist auch nichts Weiteres, will man doch die Öffentlichkeit nicht verunsichern. Sollten sanfte Methoden nicht funktionieren, können die Daumenschrauben schrittweise angezogen werden. Mein Versuch ist es, dekontextualisierte Einzelereignisse in ein kontinuierliches Sinnganzes einzubetten und so ein erklärendes Denkmodell anzubieten. Dazu werde ich jeweils Fallbeispiele nennen. Aus meiner Sicht gibt es deutliche Indikatoren dafür, dass es sich um politische Fälle handelt. Ob dieser Interpretationsvorschlag richtig ist, überlasse ich Ihrer Urteilskraft. Zur eigenständigen Analyse lade ich mit den Quellverweisen ein. Genug der Vorrede. Beginnen wir mit dem kleinen Finger der unsichtbaren Hand, die sich anschickt, die öffentliche Meinung zu formen.
(...............................)GESE61-T22-Klaviatur-der-Unterdrueckung-Keite-1.pdf
8. Fazit
Damit will ich zum Fazit kommen. Dass in Deutschland weniger Journalisten inhaftiert sind als in anderen Ländern ist erfreulich. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass es weniger Zensur und Meinungskontrolle gibt. Die Meinungslenkung erfolgt filigraner und zwar dynamisch der Notwendigkeit angepasst. Auf diese Weise kann Herrschaft kostengünstiger ausgeübt werden, da es nur einen kleinen Gewaltapparat braucht. Mit einem feinen und doch umfangreichen Netz gelingt die Narrativkontrolle weitestgehend unsichtbar. Daraus folgt, dass in der allgemeinen Bevölkerung für die aktuellen
Herrschaftsverhältnisse Zustimmung organisiert werden kann. Der Widerstandswille wird unterbunden, indem eine Illusion der Souveränität erfolgreich behauptet wird. Menschen, die diesem System nicht ins Netz gehen, werde durch einen umfangreichen Werkzeugkasten eingeschüchtert und ruhiggestellt. Von Reichweiteneinschränkung, harter Zensur, Kündigung von Konten und Arbeitsverhältnissen über Gerichtsprozesse und ökonomischen Ruin bis hin zu Inhaftierungen und Mord. Wenn es keine Informationsfreiheit gibt, kann auch die Meinung nicht frei geformt werden. Ohne freie Meinungsbildung sind dann auch Wahlen nutzlos und entschärft, selbst wenn sie formal frei sind. Freie Wahlen haben keine Bedeutung, wenn der Prozess der Meinungsbildung nicht frei ist. Das ist er in Deutschland nicht, weswegen die repräsentative Demokratie ihre angebliche Funktion nicht erfüllen kann.
1 Wolin, Umgekehrter Totalitarismus mit einem Vorwort von Rainer Mausfeld, S. 30
50 Tommy Robinson im Interview "Why the Establishmet Hates This Man", Zeit: 1:19:10, zuletzt aufgerufen am 25. Juli 2024, https://www.youtube.com/watch?v=jnhwBoFxaDI 51 Deutschlandfunk, zuletzt aufgerufen am 11. August 2024, https://www.deutschlandfunk.de/un-sonderberichterstatter-zum-fall assange-man-hat-mir-die-100.html
Literatur: Reitschuster: Boris Reitschuster, Meine Vertreibung, 1. Auflage, 2023, Achgut Edition, ISBN: 978-3 9822771-8-9
Comments