In Israel erreicht die Repression gegen Solidaritätsbekundungen mit der palästinensischen Bevölkerung einen neuen Höchststand. Zahlreiche Menschen werden belästigt, angegriffen, entlassen oder inhaftiert, weil sie es wagen, den Kurs der Regierung zu kritisieren. Journalist, der zum Gebet sowohl für israelische als auch palästinensische Kinder aufgerufen hat, wird verfolgt und muss sich
Seit Beginn des Krieges in Gaza hat die israelische Regierung ihr Vorgehen gegen abweichende Meinungen im Land erheblich verschärft. Aktivistinnen, Akademiker, gewöhnliche Bürgerinnen und Bürger sind Opfer von Doxxing, Kündigungen, Bedrohungen und Verhaftungen geworden. Besonders betroffen sind Angehörige der palästinensischen Minderheit in Israel.
Repressionen sind in Kriegszeiten nicht ungewöhnlich, aber die Situation in Israel mit ihrer ohnehin schon autoritären Regierung und ihrem rechtsradikalen Personal wie Polizeiminister Itamar Ben-Gvir sowie die riesige Trauer nach den Anschlägen vom 7. Oktober in der gesamten Bevölkerung haben den Boden für ein besonders hartes Vorgehen gegen Andersdenkende bereitet.
Ähnlich wie einige westliche Staaten gegen palästinensische Proteste vorgehen, verbietet die israelische Polizei praktisch jeden Ausdruck von Solidarität. Nach der gewaltsamen Auflösung von propalästinensischen Demonstrationen in Haifa und Umm al-Fahm erklärte der zuständige Polizeipräsident, dass »diejenigen, die sich mit Gaza identifizieren, gerne in Bussen dorthin gebracht werden können«. Mehrere Personen, die lediglich passiv an den Veranstaltungen teilnahmen, darunter Minderjährige und ein Journalist, wurden tagelang in Gewahrsam genommen.
Doch das Solidaritätsverbot geht weiter als Angriffe gegen die Versammlungsfreiheit bei Demonstrationen. Eine Konferenz jüdischer und arabischer Aktivisten, die vom High Follow-Up Committee for Arab Affairs organisiert worden war, wurde von der Polizei verhindert. Berichten zufolge hatten die Behörden dem Eigentümer des Veranstaltungsortes im Vorfeld gedroht, ihm werde Betriebsverbot erteilt, wenn er den Veranstaltern nicht absagt. »Seit dem 7. Oktober befinden wir uns in einem eindeutigen und unmittelbaren Demokratienotstand«, kritisierte der ehemalige Knessetsprecher Avraham Burg in einer Rede nach der Absage der Konferenz (deren Co-Vorsitzender er hatte sein sollen).
»Wenn sogar Mitglieder der Knesset wegen ›Schädigung des öffentlichen Interesses‹ zensiert werden, ist es für Aktivistinnen und Aktivisten schlicht unmöglich, ohne die Gefahr harscher Konsequenzen zu handeln.«
Die Polizei ist mit ihren Bemühungen, israelische Solidarität mit den Palästinenserinnen und Palästinensern zu unterdrücken, allerdings nicht allein. Hunderte rechte Demonstranten tauchten Mitte Oktober vor dem Haus des ultraorthodoxen Journalisten Israel Frey in Bnei Brak auf, nachdem dieser am Vortag ein Gebet für getötete israelische und palästinensische Kinder gehalten hatte. Randalierer wurden dabei gefilmt, wie sie Feuerwerkskörper auf seine Wohnung abfeuerten. Nachdem die Polizei Frey und seine Familie aus der Wohnung gebracht hatte, ließ sie ihn sich selbst überlassen, während der Mob immer noch tobte. Er floh in ein Krankenhaus, wo die Rechtsextremen ebenfalls nach ihm suchten. Erst am frühen Morgen gelang es ihm schließlich, eine sichere Zuflucht zu finden. Seitdem hält er sich versteckt.
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Besonders im Fokus: arabische Bürger Israels
Die größte Zielgruppe der aktuellen Repressionswelle sind allerdings palästinensische Bürgerinnen und Bürger Israels. Bereits am 16. Oktober wurden mehr als 100 Personen verhaftet oder zu Ermittlungen wegen Social-Media-Posts vorgeladen, darunter Schauspieler, Sängerinnen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Während der Vorwurf lautete, mit den Posts seien die Angriffe der Hamas befürwortet worden, zeigte sich, dass die Menschen in Wirklichkeit lediglich Solidarität mit der palästinensischen Zivilbevölkerung äußerten, sich gegen den Krieg aussprachen, religiöse Texte rezitierten oder schlicht den aktuellen Stand des Krieges analysierten.
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