Konfliktreiche Entwicklungen in Südamerika: Kolumbien, Peru, Brasilien, Chile, Venezuela, Honduras
Kolumbien: ELN-Guerilla verkündet Waffenruhe über Feiertage - Neue Regierung von Peru wird international zu Dialog mit der Bevölkerung aufgefordert - Opposition in Venezuela im Umbruch, Guaidó verliert Unterstützung - Wegen Putschversuch: Großeinsatz in Brasilien gegen Bolsonaro-Anhänger:innen - Trotz US-Blockade: Kubanische Lehrkräfte sollen in Honduras bei der Alphabetisierung helfen
Kolumbien: ELN-Guerilla verkündet Waffenruhe über Feiertage
Von Simon Hemkes amerika21 Bogotá. Die kolumbianische Guerillaorganisation Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional, ELN) hat anlässlich der anstehenden Weihnachts- und Neujahrsfeiertage eine einseitige Waffenruhe verkündet. Diese gelte gegenüber Einsatzkräften von Militär und Polizei und solle zu einem friedlichen Weihnachtsfest im Land beitragen. Die in einem Video am Montag verbreitete Meldung folgt auf die kürzlich abgeschlossene erste Runde der Friedensverhandlungen zwischen Regierung und ELN. In Reaktion darauf sagte Kolumbiens Innenminister und Regierungssprecher, Alfonso Prada, die ELN habe damit auf "die Gemeinschaft gehört, die den totalen Frieden unterstützt". Er forderte andere bewaffnete Gruppen im Land auf, es ihr gleichzutun. Der Präsident der Friedenskommission des Senats, Iván Cepeda, begrüßte den Waffenstillstand als positiven Beitrag im Friedensprozess. Der vom 24. Dezember bis 2. Januar geltende Waffenstillstand schließe eine Selbstverteidigung bei etwaigen Angriffen gegen die Guerilla nicht aus, erklärte die ELN. Sie erinnerte daran, dass die vorherige einseitige Waffenruhe zwischen dem 25. Mai und dem 3. Juni dieses Jahres von der Regierung und den Sicherheitskräften für offensive Operationen genutzt wurde, bei denen am 3. Juni der Guerillakommandant Gustavo getötet wurde.
Kolumbien: ELN-Guerilla verkündet Waffenruhe über Feiertage | amerika21
Neue Regierung von Peru wird international zu Dialog mit der Bevölkerung aufgefordert
Trotz harter Repression rufen soziale Bewegungen weiter zu Protesten auf. CIDH bedauert fehlende Erklärung des peruanischen Staats zum Tod von Demonstranten
Von Benjamin Grasse amerika21

Die Familie des gewählten und jetzt abgesetzten und inhaftierten Präsidenten Perus, Pedro Castillos, ist in Mexiko aufgenommen worden Lima. In Peru setzen staatliche Sicherheitskräfte unvermindert Gewalt gegen die anhaltenden Proteste ein. Diese entzündeten sich nach der Absetzung und Festnahme des 2021 gewählten Präsidenten Pedro Castillo. UNO-Generalsekretär António Guterres rief die neue Regierung des Landes zur Dialogbereitschaft mit der Bevölkerung auf. Castillo hatte sich bei den letzten Präsidentschaftwahlen in der Stichwahl gegen die Tochter des ehemaligen Diktators Alberto Fujimoris durchgesetzt. Am 7. Dezember wurde er vom peruanischen Kongress abgesetzt und festgenommen, nachdem er selbst die Blockadepolitik des Kongresses durch dessen Auflösung und die Einsetzung einer Notstandsregierung beenden wollte. Von Anfang an war Castillos Amtszeit von mangelnder Unterstützung des Kongresses und des Polizei- und Justizapparats, von Versuchen der Amtsenthebung und Flügelkämpfen in seiner Partei Perú Libre geprägt. Castillo verließ schließlich seine Partei im Juli dieses Jahres, um einem Parteiausschlussverfahren zuvorzukommen. Er war bereits der fünfte Präsident in sechs Jahren, der seine reguläre Amtszeit in dem politisch instabilen Andenstaat nicht beenden konnte. Die seither landesweit ausgebrochenen Proteste und Straßenblockaden fordern seine Wiedereinsetzung, sofortige Neuwahlen des Parlaments sowie eine verfassungsgebende Versammlung. Die neu eingesetzte Regierung unter der ehemaligen Vizepräsidentin Dina Boluarte beschuldigen sie des Putsches. Die Boluarte-Regierung hat den Ausnahmezustand und Ausgangssperren verhängt und setzt Polizei und Militär zur Unterdrückung der Proteste mit äußerster Härte ein. Bei Zusammenstößen zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften sowie Unfällen im Zusammenhang mit den Straßenblockaden, insbesondere auf der internationalen Hauptverkehrsader Carretera Panamericana, sind bis zum 22. Dezember in den Regionen Ayacucho, Apurímac, Junín, La Libertad, Cusco und Arequipa mindestens 28 Demonstranten ums Leben gekommen, viele von ihnen durch Schusswaffeneinsatz der Sicherheitskräfte. Die Zahl der Verletzten stieg auf Seiten der Protestierenden auf über 350. Auch knapp 300 Mitglieder der Sicherheitskräfte mussten bisher ärztlich behandelt werden. Das Zugeständnis der neu eingesetzten Präsidentin Boluarte und des Kongresses, die Neuwahlen, wie auch von der UNO gefordert, vorzuziehen, konnte die Auseinandersetzungen nicht beruhigen. Dazu trägt auch die Aussicht auf eine Regierungsneubildung erst in 2024 und die fehlende Bereitschaft Boluartes, die selbsternannte Übergangsregierung aufzulösen, bei. Soziale Bewegungen rufen in vielen Regionen weiter zu Streiks und Protesten auf.
weiter: Neue Regierung von Peru wird international zu Dialog mit der Bevölkerung aufgefordert | amerika21
Peru, der Aufschrei der ewig Unterdrückten
Das Parlament ist zum größten Feind des demokratischen Lebens geworden. Erst hat es Castillo nicht regieren lassen, jetzt verhindert es eine friedliche Lösung der Situation
Der einzige erkennbare Ausweg aus einer Krise, die sich von Stunde zu Stunde verschlimmert, führt über die Forderung nach sofortigen allgemeinen Wahlen und einer verfassungsgebenden Versammlung, die in der Lage ist, eine Magna Carta auszuarbeiten, die der Nation ein funktionierendes, lebensfähiges und den sozialen Erfordernissen entsprechendes politisch-institutionelles Konzept gibt.
Peru, der Aufschrei der ewig Unterdrückten | amerika21
Opposition von Venezuela im Umbruch, Guaidó verliert Unterstützung
Von Marta Andujo amerika21
Caracas. Mehrheiten innerhalb der venezolanischen Opposition haben die Absetzung der Übergangsregierung von Juan Guaidó gefordert. 2019 ernannte sich der Oppositionsführer zum Übergangspräsidenten und installierte in der Folge Schatteninstitutionen, um den Sturz der Regierung von Präsident Nicolás Maduro zu betreiben. Nach Einschätzung der größten Oppositionsparteien im Land ‒ Acción Democrática, Un Nuevo Tiempo und Primero Justicia ‒ hat Guaidós Gebilde inzwischen "die nationale und internationale Unterstützung verloren". Im Namen von 69 der 112 im Jahr 2015 gewählten Parlamentarier, die Guaidó unterstützt haben, erklärte der ehemalige Abgeordnete Alfonso Marquina auf einer Pressekonferenz, dass die "Figur der Übergangsregierung nicht dazu beiträgt, die Ziele des venezolanischen Volkes zu erreichen". Er rief dazu auf, die Strategie "neu zu definieren" und "die Kräfte wieder zu vereinen". Drei der vier wichtigsten Parteien des Oppositionsbündnisses Plataforma Unitaria unterstützen die Entscheidung, das sogenannte "Interim" zu beenden und Guaidó nicht mehr als "amtierenden Präsidenten" Venezuelas anzuerkennen.
Opposition von Venezuela im Umbruch, Guaidó verliert Unterstützung | amerika21
Wegen Putschversuch: Großeinsatz in Brasilien gegen Bolsonaro-Anhänger:innen
Von Mario Schenk amerika21
Brasília. Die brasilianische Bundespolizei hat landesweit zum Schlag gegen mehr als 100 radikale Anhänger:innen des abgewählten Präsidenten Jair Bolsonaro ausgeholt. Diese sollen sich nach dem Wahlsieg des linken Präsidentschaftskandidaten Luiz Inácio Lula da Silva an "staatsgefährdenden Aktionen" wie gewaltsamen Protesten und Straßenblocken beteiligt haben. Laut dem Obersten Gerichtshof (STF) wollten sie damit die Verhängung des Ausnahmezustand provozieren, um Bolsonaro an der Macht zu halten und den Amtsantritt da Silvas am 1. Januar 2023 zu verhindern. In der landesweiten Operation durchsuchten Polizeikräfte 103 Wohnungen, beschlagnahmten etliche Waffen, luden Personen zu Vernehmungen vor und nahmen vier Personen wegen des Verdachts der Beteiligung an Umsturzversuchen fest. Zudem entzog die Polizei auf Anordnung des STF mehreren Personen den Waffenschein, blockierte Bankkonten und 168 Profile in sozialen Medien. Unter den beschuldigten Personen befinden sich Offiziere, Abgeordnete und Politiker:innen aus Bolsonaros Liberaler Partei. Zudem ging die Polizei erneut gegen Unternehmer:innen vor, die eine Fortsetzung der autoritären und neoliberalen Regierung von Bolsonaro fordern und die Proteste nach Lulas Wahlsieg mitfinanziert und damit ermöglicht haben. Sie sollen Busse, Camps und Verpflegung gestellt haben, wie aus der Anklageschrift hervorgeht. Die Blockaden vieler Autobahnen führten Anfang November teilweise zu Versorgungsengpässen im Land.
Wegen Putschversuch: Großeinsatz in Brasilien gegen Bolsonaro-Anhänger:innen | amerika21
"Yo, sí puedo": Kubanische Lehrkräfte in Honduras eingetroffen
Von Irene Wied amerika21
Tegucigalpa. Am 20. Dezember sind in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa 123 Lehrkräfte aus Kuba eingetroffen. Sie bereiten vor Ort die landesweite Alphabetisierungskampagne nach der erfolgreichen kubanischen Methode "Ich kann das" ( Yo, sí puedo) vor. Diese Aktion findet im Rahmen des bilateralen Bildungsabkommens statt. Der Einsatz kubanischer Pädagogen in Honduras sei trotz der verschärften Blockademaßnahmen gegen Kuba seitens der USA möglich gemacht worden, hob der ehemalige Präsident und jetzige Präsidentschaftsberater Manuel Zelaya hervor. Ziel ist es, die Analphabetenrate in Honduras in den nächsten vier Jahren von aktuell zwölf auf fünf Prozent zu senken.
"Yo, sí puedo": Kubanische Lehrkräfte in Honduras eingetroffen | amerika21