Globale Finanz-Apartheid: Wie die reichen Länder die armen ruinieren: Viel höhere Zinsen für Kredite
Wie die reichen Länder die armen ruinieren: Zu Recht fordern die weniger entwickelten Staaten ein Ende der globalen Finanz-Apartheid. Das Problem liesse sich auf zwei Arten lösen
Jeffrey Sachs (Auszüge aus: Wie die reichen Länder die armen ruinieren: Zu Recht fordern die weniger entwickelten Staaten ein Ende der globalen Finanz-Apartheid. Das Problem liesse sich auf zwei Arten lösen (weltwoche.ch) Der Schlüssel zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Überwindung der Armut sind Investitionen. Im Prinzip sollte die Welt als ein zusammenhängendes System funktionieren. Die reichen Länder sollten den armen Ländern, die dringend ihr Human-, Infrastruktur-, Natur- und Wirtschaftskapital aufbauen müssen, reichlich Finanzmittel zur Verfügung stellen. Das Geld sollte von den reichen in die armen Länder fliessen. In dem Maße, in dem die Schwellenländer reicher werden, werden Gewinne und Zinsen als Rendite in die reichen Länder zurückfließen. Das ist eine Win-win-Situation. Sowohl reiche als auch arme Länder profitieren davon. Arme Länder werden reicher; reiche Länder erzielen höhere Renditen, als wenn sie nur in ihre eigene Wirtschaft investieren.
Endstation Notaufnahme Seltsamerweise funktioniert das internationale Finanzwesen nicht so. Reiche Länder investieren hauptsächlich in reiche Volkswirtschaften. Die ärmeren Länder erhalten nur ein Rinnsal an Mitteln, das nicht ausreicht, um die Armut zu beseitigen.
Die Regierungen müssen langfristig investieren, aber kurzfristige Kredite zwingen die Regierungen zu kurzfristigem Denken und Investieren. Ausserdem zahlen die armen Länder sehr hohe Zinssätze. Während die US-Regierung für einen Kredit mit dreissig Jahren Laufzeit weniger als 4 Prozent pro Jahr zahlt, muss die Regierung eines armen Landes für einen Kredit mit fünf Jahren Laufzeit oft mehr als 10 Prozent zahlen. Der ärmeren Hälfte der Welt wird von der reicheren Hälfte gesagt: Dekarbonisiert euer Energiesystem, garantiert eine universelle Gesundheitsversorgung, Bildung und Zugang zu digitalen Diensten, schützt eure Regenwälder, sorgt für sicheres Wasser und sanitäre Einrichtungen und vieles mehr. Und doch sollen sie all dies mit einem Rinnsal von Fünf-Jahres-Krediten zu 10 Prozent Zinsen erreichen! Damit die Banken aufgestockt werden können, müssen die G-20-Länder (darunter die USA, China und die EU) viel mehr Kapital in diese multilateralen Banken stecken. Die grossen Länder werden in diesem Jahr vier Treffen zum Thema globale Finanzen abhalten: im Juni in Paris, im September in Delhi, ebenfalls im September bei der Uno in New York und im November in Dubai. Wenn sie zusammenarbeiten, können sie das Problem lösen. Das ist ihre eigentliche Aufgabe, anstatt endlose, zerstörerische und katastrophale Kriege zu führen.
Jeffrey Sachs ist Professor und Direktor des Center for Sustainable Development an der Columbia University und Präsident des UN Sustainable Development Solutions Network. www.jeffsachs.org