Freiwillige kommen nicht mehr, andere desertieren! Die Ukraine wird immer schwächer. Ihre Führung aber erkennt die Realität nicht an und will immer noch keinen Waffenstillstand & keine Kompromisse
- Wolfgang Lieberknecht
- 1. März
- 2 Min. Lesezeit
Berliner Zeitung, Auszüge: Ukraine in der Mobilisierungskrise: „Die Verschärfung wird kommen“
Oleksandr Sykalchuk, ein 39-jähriger Wehrdienstbeamter, der neu mobilisierte Männer zu einem regionalen militärischen Ausbildungszentrum begleitete, wurde an einer Tankstelle ermordet.
Der Vorfall erschütterte die Ukraine. In der Folge kam es zu weiteren Angriffen auf ukrainische Militärs.
Solche Taten kommen für Präsident Wolodymyr Selenskyj zur Unzeit. Russische Truppen rücken langsam, aber allmählich vor. Die ukrainischen Streitkräfte hingegen leiden seit Monaten unter akutem Personalmangel; nicht wenige Soldaten, die teilweise seit 2014 an der Front im Donbass kämpfen, desertieren und flüchten illegal nach Europa. Hinzu kommt ein neuer US-Präsident, Donald Trump, der viele Aspekte der amerikanischen Ukraine-Unterstützung infrage stellt. Die USA bleiben jedoch vorerst der mit Abstand wichtigste Verbündete Kiews.
An der Frontlinie ersetzt Russland seine Verluste viel schneller als die Ukraine. 2024 hat Russland 430.000 neue Soldaten rekrutiert, ohne eine Generalmobilmachung auszurufen.
Selbst nach enormen Verlusten wuchs die Truppenstärke um etwa 140.000 Mann; ein ähnlicher Zuwachs ist für dieses Jahr geplant. Ein ranghoher ukrainischer Beamter spricht im Economist eine Warnung aus: „Ich garantiere, dass mindestens eine Million russischer Soldaten in diesem Krieg gegen uns kämpfen werden.“
Um die Lücke zu schließen, fordern westliche Verbündete der Ukraine „schwierige Entscheidungen“ von Selenskyj. Der amerikanische Vorschlag, das Mobilisierungsalter zu senken, ist in der ukrainischen Bevölkerung äußerst unbeliebt. Regierungsbeamte aus dem Westen meinen gegenüber dem Economist hingegen, die Maßnahme sei die letzte Chance für Kiew, einem schlechten Deal unter Trump zu entgehen.
Im Gegensatz zu den ersten Kriegswochen 2022 melden sich kaum noch Freiwillige für den Wehrdienst. Selenskyjs Programm ähnelt in gewisser Weise dem russischen Rekrutierungsschema: hohe Anmeldeboni, wettbewerbsfähige Bezahlung und die Möglichkeit, nach einem Jahr auszuscheiden. Die Zielvorgabe: mindestens 4000 junge Rekruten pro Monat.
Doch selbst das könnte zu wenig sein. Sollte der Krieg nicht – wie von Trump angekündigt – rasch enden, sondern ungemindert weitergehen, könnten die Mobilisierungsmaßnahmen, die der Ukraine jedwede Zukunft zerstören, ins Leere laufen. Hinzu käme die gesellschaftliche Spaltung für die ohnehin vom Krieg erschöpfte Nation. „Die Verschärfung wird weitergehen“, legt sich dann doch ein ranghoher ukrainischer Beamter fest, „weil niemand eine bessere Lösung hat“. Eine Exit-Strategie ist nicht in Sicht.
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