"Einheitsregierung" kann das Land nicht einigen nach Zerstörung des libyschen Staates durch die NATO
Der Versuch der UNO, über eine aufgestülpte "Einheitsregierung" das gespaltene Libyen wieder zusammenzuführen scheint keine Chance zu haben. Weder gegen die islamistischen Milizen im Westen des Landes noch gegen das von General Haftar im Osten des Landes kann sich sich durchsetzen. Die bewaffneten Gruppen haben die Macht und sind nicht bereit, sie an die Einheitsregierung abzugeben. Ebenso weinig scheinen die Kräfte, die hinter den bewaffneten Kräften stehen dazu bereits zu sein; besonders pikant, Frankreich und Italien stehen als zwei EU-Staaten auf je einer Seite der sich bekriegenden Parteien.
Das Menschrechtsverbrechen der NATO, den libyschen Staat zu zerstören, hat und wird noch vielen Menschen das Leben und die Zukunft kosten.

"Am Montag wollte die neue Einheitsregierung zu einer Sitzung in Benghasi – einer Haftar-Hochburg im Osten des Landes – zusammenkommen. Dazu schickte Dbaiba am Sonntag ein eigenes Sicherheitsteam voraus. Doch Haftar und seine Milizen verweigerten dem Flugzeug aus Tripolis die Landeerlaubnis.
Das Kommando von Haftars sogenannter Nationalarmee veröffentlichte danach eine Erklärung, die tiefe Einblicke in die Zerrissenheit des Landes gibt. Man heisse die Regierung in Benghasi gerne willkommen, aber nur, wenn deren Sicherheit durch eigene Kräfte garantiert sei. Dafür müssten solche Reisen mit dem Innenministerium in Benghasi koordiniert werden."
Die gegenwärtige Episode bestätigt jene Experten, die sich von Beginn an pessimistisch zu den Erfolgsaussichten der neuen Einheitsregierung äusserten. Ihr Grundproblem scheint vor allem darin zu liegen, dass ihrer Bildung keine echte Versöhnung zwischen den Kriegsparteien vorausgegangen ist. Wie Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin in einer neuen Analyse unterstreicht, fruchteten die Vermittlungen der Uno aus den zwei folgenden Gründen: Erstens sorgte die türkische Intervention für eine militärische Pattsituation. Zweitens hatten die Konfliktparteien sich gegenseitig den Zugang zu den Erdöleinkommen blockiert. Die Bildung einer Einheitsregierung war der einzige Weg, um diese Ressourcen wieder anzapfen und die eigenen finanziellen Probleme lösen zu können.
Noch immer ist die Küstenstrasse zwischen West und Ost nicht geöffnet. Und während die Uno die Hauptaufgabe der Einheitsregierung darin sieht, für den nächsten Dezember demokratische Wahlen vorzubereiten, geht es den libyschen Akteuren vor allem darum, sich einen möglichst grossen Teil der Erdöleinkommen zu sichern. Eine gerechte Verteilung dieser Mittel wird jedoch ebenso wenig möglich sein wie die Durchführung von fairen Wahlen, bevor das staatliche Gewaltmonopol im Rahmen einer neuen Verfassung wieder hergestellt ist. Dies indes scheint ein frommer Wunsch zu sein. Libyen bleibt wohl auf längere Sicht ein zerrissener, dysfunktionaler und vielleicht auch gescheiterter Staat."
https://www.nzz.ch/international/libyen-haftar-demuetigt-die-neue-einheitsregierung-ld.1614630
Von Frankreichs Präsident Sarkozy angetrieben, entschied sie die NATO, Libyen anzugreifen und das Gewaltmonopol des libyschen Staates zu zerstören. Die Begründungen waren aufgebauscht und nicht stichhaltig. Der Krieg der NATO war ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg: Nach dem Nürnberger Urteil gegen Deutschland das schlimmste Verbrechen gegen die Menschenrechte, weil es alle anderen Menschenrechtsverbrechen nach sich zieht. Genau das erleben die Libyer seit dem Sturz der libyschen Regierung: Tod und Zerstörung, Folter, Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren, und, und...
Die libysche Regierung war der NATO und vor allem Frankreich ein Dorn im Auge, weil sie Afrika vereinigte, um dem Kontinente mehr Gewicht gegenüber den Industrieländern zu verschaffen: Gaddafis Regierung war die entscheidende Kraft bei der Unterstützung Mandelas, als der vom Westen noch als "Terrorist" diffamiert wurde. Er ist der Gründer der Afrikanischen Union, bezahlte den Satteliten, der den Afrikanern einen viel günstigeren Internetzugang ermöglicht, wolle ein Afrikanisches Parlament, eine afrikanisch Investitionsbank und eine afrikanische Währung schaffen. Das war alles für das Jahr konkret geplant, als die NATO ihn stürzte und Libyen ins Chaos trieb.
Wenn wir wirklich Völkerrecht durchsetzen wollen, sollten wir zuerst die Verantwortlichen der NATO und v.a. Frankreichs, Großbritanniens und der USA vor dem Internationalen Strafgerichtshof anklagen. Nichts mehr sollten wir von dem im September zu wählenden Bundestag verlangen.
Wolfgang Lieberknecht