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AutorenbildWolfgang Lieberknecht

Eine Eskalation bis zur nuklearen Ebene ist sehr real. Zu glauben, dass es möglich ist, einer nuklearen Supermacht eine strategische Niederlage beizubringen, ist Wahnsinn. Wie wird der Krieg enden?

Nachdenkseiten: „Einen Weltkrieg mit Atomwaffen unter allen Umständen verhindern!“ – Exlusiv-Interview mit Dmitri Trenin

25. September 2024 um 11:08Ein Artikel von Éva Péli

Russland kann sich nirgendwohin zurückziehen, weil der Westen einen existenziellen Kampf gegen das Land führt. Diesen Kampf will Moskau intelligenter führen als zu Zeiten der Sowjetunion. In einem Interview erläutert der renommierte russische Politikwissenschaftler und ehemalige Leiter des Carnegie-Instituts Moscow Dmitri Trenin die maßgeblichen russischen Ansichten über die Fortsetzung des Krieges und die möglichen Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahlen. Das Interview mit Dmitri Trenin hat Péli Éva geführt und übersetzt.Die anstehende Stationierung der US-amerikanischen Raketen in Deutschland provoziert Russland auf eine bisher nie gesehene Weise. Deutschland ist nicht gewillt, sich für ein neues Abkommen zur Verringerung der russischen Bedrohung einzusetzen. Das kann zu Reaktionen führen, die keiner haben will. Auf die möglichen Folgen macht der Politologe Dmitri Trenin aufmerksam, er gehört zu Russlands führenden Außenpolitik-Experten.

Éva Péli: Wie schätzen Sie die aktuelle Situation in der Ukraine ein, etwa zweieinhalb Jahre nach dem Einmarsch der russischen Truppen?

Dmitri Trenin: Es ist ein Zermürbungskrieg im Gange. Russische Truppen „zermalmen“ die ukrainische Armee und rücken langsam, aber stetig im Donbass vor; russische Luft- und Raumfahrtkräfte „schalten“ die militärisch-industriellen Einrichtungen und Energieanlagen der Ukraine aus. Die ukrainischen Streitkräfte leisten hartnäckigen Widerstand und schlagen an verwundbaren Stellen der russischen Position zu – zum Beispiel in der Region Kursk. Ukrainische Drohnen beschädigen russische Energieanlagen und Infrastrukturelemente. Die Ukrainer greifen auch zivile Einrichtungen an und organisieren Sabotageakte, um die russische Moral zu untergraben. Trotz der enormen und umfassenden Unterstützung des Westens für Kiew ist Russland nach wie vor im Vorteil und hat auf dem Kriegsschauplatz weitgehend die Initiative inne. Es handelt sich nicht um eine „Pattsituation“: Die Intensität der Militäraktivitäten ist hoch, und die Bestrebungen des Westens, eine Niederlage der Ukraine zu verhindern, führt logischerweise zu einer weiteren Eskalation der Feindseligkeiten. Generell ist klar, dass die Ukraine ohne eine immer umfangreichere Unterstützung durch den Westen verliert, aber die immer stärkere Einmischung des Westens in den Krieg birgt die Gefahr eines direkten militärischen Zusammenstoßes zwischen dem Westen und Russland, das heißt eines Weltkrieges mit dem fast unvermeidlichen Einsatz von Atomwaffen.

Sie sind also der Meinung, dass die atomare Abschreckung nicht hält?

Eine Eskalation bis zur nuklearen Ebene ist sehr real. Zu glauben, dass es möglich ist, einer nuklearen Supermacht eine strategische Niederlage beizubringen, ist Wahnsinn. Die alte Strategie der nuklearen Abschreckung hat sich in einem Umfeld, in dem der Feind (die USA) seine Angst verdrängt hat und von seiner eigenen Nachgiebigkeit überzeugt ist, als fehlerhaft erwiesen. Früher war es kaum vorstellbar, dass man Atomkraftwerke beschießen kann, wie es die Ukraine ständig tut, ohne dass der Westen dies nicht nur verurteilt, sondern auch vor den Gefahren solcher Aktionen warnt. Ich habe auch zunehmend den Eindruck, dass die USA die Option eines begrenzten Atomkrieges in Europa als grundsätzlich akzeptabel ansehen – vorausgesetzt, dass dieser Krieg die USA nicht selbst betrifft.

Wie wird aus Ihrer Sicht dieser Krieg enden? Welche Chancen gibt es auf Verhandlungen heute? Ex-Bundeswehrgeneral Harald Kujat sagte neulich in einem Interview, eine Lösung könne darin bestehen, dass die Kriegsparteien ohne Vorbedingungen an den Verhandlungstisch zurückkehren und an den Ergebnissen der Verhandlungen in Istanbul im Frühjahr 2022 anknüpfen. Was halten Sie davon?



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