Wir Europäer sollen die Kosten des Ukraine-Kriegs tragen, damit sich die USA dem Hauptrivalen China widmen können. Die Drohung, Staaten nicht schützen zu wollen, macht Druck für mehr Aufrüstung dafür.
- Wolfgang Lieberknecht
- 28. Apr. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Berliner Zeitung: Trump will, dass die Europäer die Kosten des Ukraine-Kriegs tragen, damit sich die USA dem Hauptrivalen China widmen können. Doch am vergangenen Wochenende gab es plötzlich einen Durchbruch im Unterhaus. Mit einer breiten Mehrheit von 311 zu 112 wurde der Antrag durchgewinkt. Eine Zustimmung im von den Demokraten kontrollierten Senat war nur noch Formsache. Biden unterzeichnete das Gesetz und teilte mit, dass die Ukraine „in den nächsten Stunden“ mit schweren Waffen versorgt werde. War die Zustimmung eine krachende Niederlage für Trump? Oder hat der Präsidentschaftskandidat der Republikaner einen Strategieschwenk für die Ukraine vollzogen?
Die engsten Trump-Getreuen in Repräsentantenhaus und Senat waren außer sich. Der Abgeordnete Thomas Massie fluchte über den republikanischen Parlamentspräsidenten Mike Johnson. Um die Ausgaben für die Ukraine zur Abstimmung zu bringen, sei dieser einen schmutzigen Deal mit den Demokraten eingegangen. Der Parlamentspräsident habe sich an den „Sumpf“ des Washingtoner Establishments verkauft.
Die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, auch eine enge Trump-Vertraute, nannte Johnson „einen Verräter an unserem Land“, der dem Kongress erlaubt habe, die „hart verdienten Steuergelder der Amerikaner in einen ausländischen Krieg zu stecken“. Greene hat zusammen mit zwei weiteren Abgeordneten des Repräsentantenhauses eine sogenannten „Räumungsantrag“ gestellt, durch den Johnson seines Amtes enthoben werden kann.
„Präsident Biden will die Welt glauben machen, dass das größte Hindernis für die Ukraine die Republikaner und unser mangelndes Engagement in der Weltgemeinschaft sind. Das ist falsch“, schrieb der Trump-Vertraute und Senator aus Ohio, J.D. Vance, in einem Gastbeitrag für die New York Times. Die Herausforderung für die Ukraine sei nicht die Republikanische Partei, „es ist die Mathematik“, so Vance. „Die Ukraine braucht mehr Soldaten, als sie aufstellen kann, selbst wenn sie eine drakonische Wehrpflicht einführt. Und sie braucht mehr Material, als die Vereinigten Staaten bereitstellen können.“ Diese Realität müsse jede künftige Ukraine-Politik bestimmen, von der weiteren Hilfe des Kongresses bis hin zum diplomatischen Kurs des Präsidenten.
Ähnlich wie in Deutschland hat sich die parlamentarische Linke für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen und wird dafür von den Wählern abgestraft. Hierzulande profitiert die AfD. In den USA wird Trump in Umfragen stärker und stärker.
Trump schien mit dem Ukraine-Deal im Parlament einverstanden zu sein. Er hatte Johnson im Vorfeld der Abstimmung nach Mar-a-Lago zitiert. Vor der ersten Abstimmung im Repräsentantenhaus gab Trump auf der von ihm gegründeten Social-Media-Plattform Truth Social seinen Segen für die Abstimmung: „Das Überleben und die Stärke der Ukraine sollte für Europa viel wichtiger sein als für uns, aber es ist auch für uns wichtig!“, schrieb Trump, und fügte hinzu: „Wenn ich Präsident wäre, wäre dieser Krieg niemals begonnen worden.“
Vor den nahenden Präsidentschaftswahlen will Trump es aber in der Ukraine nicht zu weit kommen lassen. Ein weiteres Vorrücken oder gar ein Sieg der russischen Armee scheint nicht in seinem Sinn zu sein, obwohl ihm Sympathien für Wladimir Putin nachgesagt werden. An einer Annäherung an die Regierung Selenskyj wird hinter den Kulissen bereits schwer gearbeitet.
Im März fanden mehrere Treffen der engsten europäischen Verbündeten der Ukraine mit Trumps Umfeld statt. „Wenn wir um unser Überleben kämpfen, können wir es uns nicht leisten, Biden oder Trump zu verärgern“, sagte Oleksandr Merezhko, der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des ukrainischen Parlaments, nach einem Treffen der New York Times. „Wenn wir die falsche Wette platzieren, riskieren wir, unser Land zu verlieren.“
Trump hatte im Februar erklärt, er werde als Präsident Nato-Mitglieder nicht vor einem russischen Angriff schützen, wenn diese ihre Militärausgaben nicht erhöhten. Er würde Russland sogar dazu ermutigen. Die stärksten Verbündeten der Ukraine wollen Trump die weitere Unterstützung schmackhaft machen. „Die Unterstützung der Ukraine schafft Arbeitsplätze für Amerikaner“, sagte Merezhko gegenüber Experten auf einem von der Heritage Foundation und dem America First Policy Institute veranstalteten Treffen – zwei Denkfabriken, die Trump nahestehen.
Der Organisator der Treffen, der Abgeordnete im litauischen Parlament Zygimantas Pavilionis, brachte es auf den Punkt: „Trump ist zwar ein bisschen verrückt und man weiß nie, wie er reagieren wird.“ Seine Rückkehr ins Weiße Haus könne jedoch für die Ukraine besser ausgehen, als viele erwarten.
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