Der Westen führt in Mali einen Krieg um Rohstoffe. Er kostet immer mehr Menschen das Leben
Mali Afrikas drittgrößter Goldexporteur und fördert auch einige Diamanten. Zusätzlich besitzt Mali Bauxit (enthält Aluminium und Kupfer), Chrom, Eisen, Lithium, Mangan, Nickel, Niob, Palladium, Wolfram, Phosphor, Silber, Thorium, Zinn, Titan, Uran und diverse Baurohstoffe. Allesamt seien die, wie es im Geologenjargon so schön heißt, völlig „unentwickelt“. Um diesen Zustand zu ändern, agierten im Land zuletzt 21 Rohstoffunternehmen, darunter welche aus den USA, Kanada, Südafrika, Ghana, Großbritannien, Korea und Australien. Aus dem Nachbarland Niger holt sich der französische Atomkraft-Konzert AREVA das Uran.

Seit dem 11. Januar bombardiert die französische Luftwaffe den Norden von Mali. Ein Land, von dem die meisten Mitteleuropäer kaum mehr wissen, als dass es in Afrika liegt (wenn überhaupt). Noch viel weniger kann er sich vorstellen, was Frankreich hier zu tun hat – und mittlerweile auch die deutsche Bundeswehr. Es geht um Islamisten, liest man fast überall. Es geht um die Verteidigung der Demokratie, sagt der algerisch-stämmige Philosoph Bernard-Henri Lévy. Siedlungsraum der Tuareg und wichtige Bergwerke (Au=Gold, U=Uran) in Mali und Niger (CC-BY-SA 3.0 Mark Dingemanse / Wikimedia / Karl Urban)
Aber es kursieren auch Verschwörungstheorien: nämlich, dass es Frankreich eigentlich um Bodenschätze geht. Aber lässt sich das belegen? Rohstoffreich Mali ist ein nordafrikanischer Binnenstaat: einer der ärmsten der Welt, umgeben von anderen ärmsten Staaten der Welt, darunter Mauretanien, Senegal, die Elfenbeinküste, Burkina Faso und Niger. Dennoch ist Mali Afrikas drittgrößter Goldexporteur und fördert auch einige Diamanten. Zusätzlich besitzt Mali Bauxit (enthält Aluminium und Kupfer), Chrom, Eisen, Lithium, Mangan, Nickel, Niob, Palladium, Wolfram, Phospor, Silber, Thorium, Zinn, Titan, Uran und diverse Baurohstoffe. Allesamt seien die, wie es im Geologenjargon so schön heißt, völlig „unentwickelt“ [1]. Um diesen Zustand zu ändern, agierten im Land zuletzt 21 Rohstoffunternehmen, darunter welche aus den USA, Kanada, Südafrika, Ghana, Großbritannien, Korea und Australien [2]. Die waren fernab vom Gold bisher nur auf der Suche nach guten Standorten, explorierten also, ohne bereits abzubauen. Ein neues Bergwerk braucht immerhin viele Jahre, bis es einmal steht. Nun geht oben genannte Verschwörungstheorie so: Frankreich hat enorme Wirtschaftsinteressen in der Region, vor allem in Malis Nachbarland Niger und fürchtet um eine großräumige Destabilisierung. Niger ist der fünftgrößte Exporteur von Uran [2], 2007 sogar noch der drittgrößte nach Australien und Kanada, jede zehnte weltweit abgebaute Tonne kommt aus Niger [3]. In 36 Jahren hat das Land 100.000 Tonnen Uran exportiert: und zwar fast ausschließlich an den französischen Staatskonzern Areva. Der baut auch schlüsselfertige Atomkraftwerke und hat deshalb ein großes Interesse, die gesamte Wertschöpfungskette zu kontrollieren [4]. Allerdings hat Nigers Regierung (wie auch die von Mali) ihren Markt in den letzten Jahrzehnten stark geöffnet. Derzeit arbeiten auch Chinas Bergbaukonzern SinoU, ein indisches Unternehmen und das berüchtigte US-amerikanische Rio Tinto an neuen Uranbergwerken im Niger. Getrieben wurde diese Entwicklung auch durch anziehende Uranpreise. Rohstoffinteressen, Gewinner und Verlierer Mali und Niger sind also zwei erwachende Rohstoffriesen, getrieben von internationalen Bergbauunternehmen. Ihr Problem (und das der aktuellen Konflikte) liegt darin, wie der neue Reichtum verteilt wird – und wie gezielt deren Interessen ausgespielt werden, die am stärksten an den Umweltrisiken leiden. Das sind vor allem (aber nicht nur) die Tuareg. Und das nicht erst seit gestern. Die Tuareg sind ein Volk, das lange Zeit vom Handel durch die Sahara lebten. Mit dem europäischen Schiffsverkehr verloren sie Marktanteile im Transportbusiness und mussten sich stärker auf Viehzucht und Ackerbau konzentrieren. Schwierig in ihrem Siedlungsgebiet, in der südlichen Sahara zwischen Mali, Niger, Algerien und Libyen. Die nomadische Lebensweise ermöglichte ein Auskommen, bis erst die kolonialistische Grenzziehung, später ungerechte Landreformen sie immer weiter einschränkten. Nach großen Dürren in den 1970er Jahren gab es kaum humanitäre Unterstützung ihrer Staatsregierungen und machte sie zu Gegnern ihrer jungen Nationalstaaten. Mit dem Rohstoffboom gibt es in Mali und Niger nun zusätzlich verseuchtes Trinkwasser und durch verwehten Uranstaub auch verseuchte Böden. Die Bergbauerlöse fließen in den reicheren Süden beider Länder, die Tuareg (und andere Wüstenstämme) gehen leer aus. Hungersnöte, Fehlgeburten und genetische Defekte nehmen dagegen zu. Seit den 1990ern kommt es zu Aufständen, später zu Verträgen über mehr Beteiligung an Rohstofferlösen, die nicht eingehalten wurden [4]. Der Aufstand der Tuareg (gemeinsam mit Islamisten) seit 2011 ist eine Reaktion darauf. Siedlungsraum der Tuareg und wichtige Bergwerke (Au=Gold, U=Uran) in Mali und Niger (CC-BY-SA 3.0 Mark Dingemanse / Wikimedia / Karl Urban) Mali heute Derzeit ist die Lage in Mali verworren, was mit den politischen Wirren um den libyschen Machtwechsel zusammenhängt. Gaddafis Waffen gelangten irgendwie in islamistische Hände, die Tuareg (gemeint sind: von Gadafi ausgebildete und geförderte Tureg-Stämme) schlossen sich ihnen an, wenn sie auch selbst einem moderaten Islam anhängen. Zumindest die Tuareg könnten allerdings (wieder einmal) zum eigenen Nachteil ausgenutzt worden sein. Denn was die französische Armee derzeit gegen Islamisten und rebellierende Tuareg verteidigt, ist das postkoloniale Nationalstaats-Gebilde in Nordafrika. Dieses Gebilde fördert derzeit die Rohstoffströme ins Ausland zu günstigsten Preisen und unter niedrigen Umweltstandards. Der britische Anthropologe Jeremy Keenan fasste diese Entwicklung 2008 zusammen. Er bescheinigte nicht nur dem Atomkonzern Areva ein unmoralisches Vorgehen, das Untersuchung von Radionukliden im Grundwasser verhindern ließ – auf Druck der französischen Regierung. Auch die neueren Bergbauinteressenten wie Chinas Konzerne CNPC und SinoU setzte voll auf die korrumpierbaren Behörden Nigers. Die Rebellen hätten deshalb all diesen Firmen Konsequenzen angedroht [3]. Ob sich der Angriff der Rebellen gegen den Abbau der „unentwickelten“ Bodenschätze richten, ob sich Frankreich neue Uranquellen in Mali sichern will, ob die Tuareg sich stärker an den (eher außerhalb ihres Stammesgebiets liegenden) Goldminen in Südmali beteiligen wollen, lässt sich von außen kaum beurteilen. – Zumal auch diverse Geheimdienste ihre Finger im Spiel haben dürften, wie Jerimy Keenan vermutet. Und vielleicht geht es auch um die Verteidigung der Demokratie. Disclaimer: Dieser Beitrag geht bewusst wenig auf politische, ethnische und religiöse Details ein, weil das ein Fass ohne Boden ist und den hier geworfenen Blick auf die Rohstoffe verstellt. Natürlich sind diese Aspekte aber wichtig, um den Konflikt in Gänze zu verstehen. [1] Soto-Viruet, Y.: The Mineral Industries of Mali and Niger, U.S. Geological Survey Minerals Yearbook (2010) [2] Bermúdez-Lugo, O.: The Mineral Industries of Mali, Mauritania and Niger, U.S. Geological Survey Minerals Yearbook (2004) [3] Keenan, J.: Uranium goes critical in Niger: Tuareg Rebellions Threaten Sahelian Conflagration, Review of African Economy (2008) [4] Abdalla , M. A.: Understanding of the natural resource conflict dynamics, ISS Paper 194 (2009)
https://scilogs.spektrum.de/astrogeo/ein-rohstoffkrieg-in-mali/