US-Amerikas Politiker vergiften auch die eigenen Soldaten im Auslandseinsatz durch Burn Pits
Rücksichtslos sind die US-Politiker und Militärs nicht nur gegenüber anderen Völkern, gegen die sie Angriffskriege führen: Sie vergiften ihre eigenen Soldaten. Plastik, Chemie – sogar Körperteile: Auf ihren Stützpunkten im Ausland verbrennt die US-Armee jeden Tag tonnenweise Müll. Der giftige Rauch führt bei Hunderttausenden Soldaten zu schweren Krankheiten. Den USA droht eine riesige Gesundheitskrise. Auch Präsident Bidens Sohn starb wohl an den Folgen der Burn Pits. «Burn Pits 360» hat bisher 43 Krebsvarianten bei rund 7000 Mitgliedern festgestellt. Die Zahl der Todesopfer nimmt ständig zu. Rund 3,5 Millionen Angehörige der US-Streitkräfte waren seit Oktober 2001 bis heute meist über lange Monate und oft mehrfach an den Kriegsschauplätzen in Nahost stationiert. Neben der Organisation Burn Pits 360 erwarten grosse Veteranenverbände wie die American Legion und die Iraq and Afghanistan Veterans of America aufgrund von Meldungen ihrer Mitglieder, dass bis 90 Prozent der ehemaligen Armeeangehörigen Gesundheitsschäden nach Hause brachten. Es klingt bizarr, aber offenbar hat das Pentagon bei der Reaktion auf die Anschläge in New York in Nahost und Zentralasien exakt die gleichen Brandherde wie die Terroristen gelegt und seine eigenen Soldaten mit dem Rauch vergiftet. Möglicherweise stehen die USA und vermutlich auch Nato-Staaten aufgrund von Burn Pits heute erst am Anfang einer immensen Gesundheitskrise.

Angehörige der US-Marines vor einem Burn Pit in der Nähe von Taqaddum im Irak. (22. September 2008) Sgt. Jason W. Fudge Auszüge aus einem Bericht der Neuen Züricher Zeitung vom 31.7.2021
Edward war 15 Jahre bei den Marines, einer Eliteeinheit der US-Armee, und hat es nach 2003 mit vier langen Einsätzen im Irak bis zum Major gebracht. Danach war er ein Jahrzehnt für Militär und Geheimdienste als Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens in Übersee tätig. Im letzten März fühlte sich Edward plötzlich so schwach, dass er kaum mehr gehen konnte. «Die Notaufnahme seines Spitals hat an seinem Blutbild etwas anderes diagnostiziert: ein akuter, rasch voranschreitender Blutkrebs.» An der Ursache hatten sie keine Zweifel: Burn Pits.
Burn Pits – brennende Müllhaufen von riesigen Ausmassen. Seit den Terroranschlägen von 2001 hat das amerikanische Militär an rund 300 Stützpunkten im Irak, Afghanistan und anderen Schauplätzen des «Krieges gegen den Terror» gigantische Mengen Abfall aus ihren Camps verbrannt. Angefeuert haben sie die Müllberge mit dem Kerosin für Kampfjets.
Der hochgiftige Rauch legte sich über die Militärlager und wurde von den Armeeangehörigen und Zivilisten eingeatmet – monatelang. Die Folge waren bald schwere Atemwegserkrankungen bei den Truppen. Inzwischen kommen Krebserkrankungen dazu, mit stetig zunehmenden Fällen und Varianten. Die Zahl der von Gesundheitsschäden Betroffenen könnte laut Experten in die Millionen gehen.
Wie die amerikanische Armee mit ihrem Abfall umgeht, ist nicht ganz neu. Sie hat bereits in den sechziger Jahren in Vietnam Müll jeder Art mit Kerosin getränkt und verbrannt. Das heutige Umweltbewusstsein fehlte damals noch. Doch inzwischen verschlingt die amerikanische Kriegsführung sehr viel grössere Mengen an Material.
In Afghanistan, wo die Armee ebenfalls stark präsent war, fehlt diese Infrastruktur bis heute. Und so legten die Streitkräfte beim Camp Anaconda den grössten Burn Pit der Region an mit einer Grösse von 40 000 Quadratmetern. Das entspricht sechs Fussballfeldern. Sie verbrannten dort täglich bis zu 200 Tonnen Müll jeder Art – Unmengen von Plastikflaschen und Verpackungsstoffen, elektronisches Gerät, Farben, Uniformen, Medikamente, Pestizid-Container, aber auch obskure Materialien wie mit feuerresistenten Chemikalien imprägnierte Taucheranzüge. Dazu kamen Fäkalien und medizinische Abfälle bis hin zu amputierten Gliedmassen.
Laut der Veteranen-Organisation Burn Pits 360 hat das Militär im Irak 152 und in Afghanistan 99 Burn Pits betrieben. Dazu kamen 56 weitere in 15 Staaten vom Balkan über Ägypten und die Türkei bis nach Saudiarabien, Djibouti und Somalia. Laut einer Pentagon-Studie von 2015 hat das Militär insgesamt bis zu 500 Tonnen Abfälle täglich verbrannt.
Und noch heute, nachdem sich die Truppen weitgehend aus der Region zurückgezogen haben, brennen neben US-Militärlagern die Müllhaufen. Laut Burn Pits 360 sollen es noch neun sein.
Die Folgen davon sickern nun immer stärker in die amerikanische Gesellschaft und Politik ein. Den USA drohen auf Jahrzehnte hinaus immense menschliche und finanzielle Kosten aus diesem «Krieg, der uns in die Heimat folgt». So lautet das Motto der Organisation Burn Pits 360. Sie kämpft seit 2009 dafür, dass die Regierung die Leiden, die von der Müllverbrennung entstanden sind, offiziell anerkennt. Die Ausmasse sind aber noch immer schwer überschaubar. Laut Betroffenen und Fachärzten liegt das an der beharrlichen Weigerung des Militärs, des Veteranen-Amts und der Regierung, die Krise anzupacken und zu lösen.
Dabei ist sogar der amerikanische Präsident persönlich von den Folgen der Burn Pits betroffen. Joe Bidens Sohn Beau war 2008 ein Jahr lang als Militärjurist im Irak stationiert und ist 2015 einem Glioblastom erlegen. Diese Gehirntumoren treten häufig bei Veteranen aus dem «Krieg gegen den Terror» auf. Joe Biden hat 2018 erklärt, sein Sohn sei mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Folgen von toxischen Stoffen aus den Burn Pits gestorben.
Das Mauern der Bürokratie treibt Veteranen wie Le Roy Torres auf die Barrikaden. Der Hauptmann in der US-Army kam 2008 mit schweren Schäden an Lungen und Gehirn aus dem Irak zurück. Nachdem ihm das Veteranen-Amt eine Anerkennung der Leiden als Kriegsschäden verweigert hatte, hat er mit seiner Frau Rosie die Organisation Burn Pits 360 gegründet.
Die US-Soldaten haben sich über die Burn Pits und den über die Landschaft ziehenden schwarzen Qualm bald nicht mehr gewundert: «Die Praxis war nicht nur für uns Alltag. Auch die Iraker haben ihren Abfall verbrannt, nachdem durch den Einmarsch vielerorts die Ortsverwaltung und die Müllentsorgung zusammengebrochen waren.» Sie hatten wichtigere Sorgen: «Auf uns wurde geschossen. In Anbar begann damals der Aufstand sunnitischer Stämme gegen die Besatzung.» Die Atembeschwerden vieler Kameraden gehörten auch zum Alltag. Dafür hatte sich die Bezeichnung «Desert Crud» eingebürgert. Resultat dieses «Wüsten-Hustens» war «Black Gunk» – schwarzer Schleim, den Militärs aus ihren Atemwegen hochkeuchten und ausspuckten.
Der Mediziner Anthony Szema war nach der Jahrtausendwende Leiter der Allergieabteilung an einem grossen Spital des Veteranenamts auf Long Island. Im Sommer 2004 schaute er nach seinen Ferien in die Wartezimmer: «Bis dahin waren weisse Senioren unser Klientel, Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg, Korea oder Vietnam. Jetzt sassen da kräftige, junge Militärs jeder Hautfarbe, auch Frauen.»
Alle hätten im Irak oder in Afghanistan gedient. Sie kamen wegen akuter Probleme am Herz, an den Atemwegen oder Gliederschmerzen, Depressionen und Müdigkeit. Wir haben bei diesem Soldaten unter dem Mikroskop eine enorme Zahl von Metallpartikeln in der Lunge entdeckt. Sie waren preussischblau, die Farbe von Eisen. Das Labor bestätigte den Befund: Eisen und Titan. Das Metall konnte nur aus den Burn Pits stammen.»
Ähnliche Krankheitsbilder hatte Szema nach den Terroranschlägen von 2001 an Polizisten, Feuerwehrleuten und Helfern an Ground Zero festgestellt. Nachdem Al-Kaida-Terroristen die zwei Passagiermaschinen in das World Trade Center gelenkt hatten, strömten 100 000 Liter Düsentreibstoff in die Ruinen und sorgten dort 99 Tage lang für Brände. Dabei wurden toxische Schadstoffe aus Baustoffen, Glas, Metall, Plastik und zahlreichen anderen Materialien in den Doppeltürmen frei: «Das Militär und private Sicherheitsfirmen haben den gleichen Sprit in den Burn Pits verwendet», sagt Szema. Es klingt bizarr, aber offenbar hat das Pentagon bei der Reaktion auf die Anschläge in New York in Nahost und Zentralasien exakt die gleichen Brandherde wie die Terroristen gelegt und seine eigenen Soldaten mit dem Rauch vergiftet.
Pentagon wimmelt Erkrankte ab
Laut der Gesundheitsbehörde waren rund 400 000 Menschen den toxischen Stoffen am World Trade Center ausgesetzt. Doch es dauerte Jahre, bis der Gesetzgeber die Giftstoffe und daraus folgenden Leiden identifiziert hat. Erst 2011 hat der US-Kongress zunächst 7,4 Milliarden Dollar für die Versorgung von Erkrankten aufgewandt. Doch vor drei Jahren liefen die Mittel aus.
Es brauchte Demonstrationen von Betroffenen in New York und Washington, letztlich aber auch das Engagement von Jon Stewart in Kongressausschüssen, bis das Parlament 2019 schliesslich eine Krankenpflege und Invalidenrenten für bestimmte Krebs-, Kreislauf- und weitere Erkrankungen garantiert hat.
Bei aller Tragik sind diese Dimensionen überschaubar. Bei den Burn Pits sieht es anders aus. Der Arzt Anthony Szema zählt auf: Rund 3,5 Millionen Angehörige der US-Streitkräfte waren seit Oktober 2001 bis heute meist über lange Monate und oft mehrfach an den Kriegsschauplätzen in Nahost stationiert.
Neben der Organisation Burn Pits 360 erwarten grosse Veteranenverbände wie die American Legion und die Iraq and Afghanistan Veterans of America aufgrund von Meldungen ihrer Mitglieder, dass bis 90 Prozent der ehemaligen Armeeangehörigen Gesundheitsschäden nach Hause brachten.
Dazu kommen Hunderttausende Angestellte privater Sicherheitsfirmen, aber auch Nato-Truppen und Mitglieder von NGO – von den Einheimischen ganz zu schweigen. Im Irak hätten die häufigen Sandstürme den Qualm aus den Burn Pits Hunderte Kilometer weit in die ganze Region getragen, sagt Szema.
Doch obwohl die Gesundheitsschäden bei Militärs schon Monate nach der Invasion in den Irak 2003 zumindest durch Visiten an Veteranen-Spitälern aktenkundig wurden, führte das Pentagon die Burn Pits fort. Betroffene Militärs wurden abgewimmelt: Ursachen ihrer Leiden seien Sandstürme oder die Abgase von Explosionen.
Die wahre Zahl verstorbener Opfer bleibt daher unklar.
Die Regierung hat zudem weder die an den Burn Pits freigesetzten Gifte studiert und erfasst noch eine Liste der daraus folgenden Erkrankungen erstellt. «Eigentlich ist das kriminell», sagt Torres. «So viele Veteranen müssen die ruinösen Behandlungskosten selbst tragen. Sie fühlen sich verraten von ihrem Dienstherren.»
Die Motive von Regierung und Politik liegen für unsere Gesprächspartner auf der Hand: Die finanziellen Konsequenzen könnten immens sein. «Burn Pits 360» hat bisher 43 Krebsvarianten bei rund 7000 Mitgliedern festgestellt. Die Zahl der Todesopfer nimmt ständig zu.
Auch der Arzt Anthony Szema berichtet, dass auf Atemwegserkrankungen oft ein Krebs folge. «Das ist wie beim Rauchen: Da kommt der Krebs oft mit einer Verzögerung von zwei Jahrzehnten.» Möglicherweise stehen die USA und vermutlich auch Nato-Staaten aufgrund von Burn Pits heute erst am Anfang einer immensen Gesundheitskrise.
Immerhin haben Senatoren beider Parteien dank der Burn-Pits-Gruppe und anderen Veteranenverbänden das Thema in Washington aufgegriffen. Dem Senat liegt nun eine Vorlage vor, die mit den Nachweishürden Schluss machen soll. Lediglich eine Dienstzeit im «Krieg gegen den Terror» soll Voraussetzung für eine angemessene Versorgung sein. Ob der Kongress das Gesetz verabschiedet und dann auf Jahrzehnte hinaus finanziert, ist aber noch völlig offen.
nicht erst in den vergangenen Jahren:
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