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AutorenbildWolfgang Lieberknecht

Belgien verklagt: Wird der Staat für einige seiner brutalen Kolonialverbrechen in Afrika zahlen?

Aktualisiert: 10. Nov. 2021

Der Westen wird immer mehr mit seinen geschichtlichen und aktuellen Verbrechen konfrontiert, die er anderen Völkern angetan hat, die sich gegen seine militärische Gewalt nicht wehren konnten. Durch sie war es dem Westen möglich, sich Rohstoffe und Arbeitskraft anderer Völker zu beschaffen. Das machte seine Herrschaft über die Welt über einige Jahrhunderte möglich. Diese Verbrechen halten an, auch im rohstoffreichen Kongo. Nun schaut Belgien seiner Vergangenheit ins Auge – und soll für Verbrechen in Kongo aufkommen. Es ist ein Zeichen für das mögliche Ende der weißen Gewaltherrschaft über die Erde. Einfach aber wird das nicht, wie die vielen Kriege zeigen die westliche Staaten und vor allem die USA und Frankreich führen, um ihre Vorherrschaft aufrechtzuerhalten. Es wird Zeit zu den gleichberechtigten Beziehungen überzugehen, die die Staaten 1945 in der UNO-Charta beschlossen haben. Dazu ist das solidarische Engagement von Afrikaner:innen und Europäer:innen und Menschen aller Nationen nötig, um dieses dunkle Kapitel der Menschheitsgeschichte hinter uns lassen zu können. Im Westen werden wir erfahren, dass wir über die Ziele unserer Staaten und ihre Taten anderen Völkern gegenüber nicht richtig informiert worden sind und werden. Viele glauben deshalb immer noch an die kulturelle Überlegenheit des Westens. Hier erfahren wir etwa, dass Belgien die Rolle der Frauen in der afrikanischen Gesellschaft nicht gehoben hat, sondern verschlechtert hat. Hier erfahren wir, dass es dem Westen nicht um die Förderung und Entwicklung ging, sondern die nackte und mit Gewalt durchgesetzt Ausbeutung der Menschen. Wir brauchen eine Kampagne der Aufklärung im Westen über die wirklichen Beziehungen zu anderen Ländern. Das wird eintrainierte westliche Überheblichkeit überwinden helfen und uns frei machen, Andere als gleichwertig und gleichberechtigt zu verstehen. Ansonsten können die Vermögenseliten und Politikstrategen, die wissen, dass sie die Machtmittel haben, andere zu zwingen, immer weiter machen können, weil die Mehrheit der Westler das nicht versteht und sich als Soldaten und Steuerzahler weiter missbrauchen lässt, die Ausplünderung anderer Länder weiter möglich zu machen.

2020 zwang die «Black Lives Matter»-Bewegung Belgien, sich seiner kolonialen Vergangenheit zu stellen. Nun hat eine Sonderkommission ihren Bericht fertiggestellt. Die Experten fordern unmissverständlich, dass das Königreich für die Verbrechen in Kongo zahlen soll.


Der belgische König befahl eine Strafe in seiner Privatkolonie Kongo: Das Amputieren der Hände.


Mitte Oktober wurde in einem Gerichtssaal in Brüssel niemand Geringerem als dem belgischen Staat der Prozess gemacht. Die Anklägerinnen: fünf Frauen, die in den 1950er Jahren in der ehemaligen Kolonie Belgisch-Kongo zur Welt kamen.



Monique Bitu Bingi, Marie-José Loshi, Léa Tavares Mujinga, Simone Ngalula und Noëlle Verbeken wurden alle aus der Verbindung einer afrikanischen Mutter und eines europäischen Vaters geboren. In den Augen der Verwaltung waren die sogenannten Métisse-Kinder «weder schwarz noch weiss» und damit etwas, was in der ehemaligen Kolonie nicht existieren sollte.


Gewaltsam entriss sie der Staat ihren Müttern und brachte sie in weit entfernte Erziehungsheime. Gerade einmal zwei, drei oder vier Jahre alt waren die Mädchen zu diesem Zeitpunkt. Von den katholischen Missionaren erfuhren sie, dass sie «Kinder der Sünde» waren. Weil durch ihre Adern «weisses Blut» floss, sollten sie gleichwohl streng europäisch erzogen werden.


Nicht wenige weisse Europäer vergingen sich in den Kolonien an schwarzen Frauen oder hielten sich eine Geliebte, doch wehe, aus diesen Verbindungen gingen Kinder hervor. Die Métisses waren ein Risiko für die Herrschenden, denn sie stellten eine «Bedrohung für die Vorherrschaft der weissen Rasse und folglich eine Bedrohung für die belgische Kolonie» dar. So schilderte es der Anwalt der fünf Frauen.


Jahrzehntelanges Schweigen

Jahrzehntelang schwieg Belgien über das Leid gegenüber den Mischlingskindern, deren Zahl auf 12 000 geschätzt wird.


Sollten die Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Métisse-Kindern offiziell als Verbrechen des belgischen Staates benannt werden? Und sollten zum ersten Mal auch Entschädigungszahlungen geleistet werden, die im Zusammenhang mit der belgischen Kolonialzeit stehen? Sechs Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit der ehemaligen belgischen Kolonien in Afrika und ein Jahr nach den «Black Lives Matter»-Protesten käme das einer Sensation gleich.


Im Juni 2020 rief das Parlament schliesslich eine Wahrheits- und Versöhnungskommission ins Leben.

Als eine seiner ersten Aufgaben sollte die Kommission einen Historikerbericht erstellen lassen, der Belgiens Kolonialzeit minuziös unter die Lupe nehmen würde. Dieser Bericht, fast 700 Seiten lang, ist mittlerweile öffentlich und soll den Abgeordneten in den kommenden Monaten als Leitfaden dafür dienen, wie die Vergangenheit letztlich aufgearbeitet werden soll.


Mythen zerstört

Die zehn Experten beschreiben die insgesamt 75 Jahre währende belgische Kolonialzeit als ein Unternehmen zur Ausbeutung von Bodenschätzen, das durch Zwangsarbeit ermöglicht und von rassistischen Vorstellungen geleitet wurde. Auch dem Schicksal der Métisses wird in dem Bericht ein eigenes Kapitel gewidmet: Für die Entführungen von gemischtrassigen Kindern wurden eigene Beamte abgestellt, die die Dörfer inspizierten und nach Mischlingen Ausschau hielten.


Wirklich neue Erkenntnisse liefert die Sonderkommission nicht. Durch sein politisches Mandat aber birgt das Gutachten Zündstoff. So plädiert eine Expertin ganz unmissverständlich dafür, die Kolonialisierung des Kongos als Verbrechen anzuerkennen und damit einhergehend Reparationen zu zahlen. Dies sollte auch den «Afro-Nachkommen», also den Belgiern mit kongolesischen, rwandischen oder burundischen Wurzeln, zugutekommen, da die «zugefügten Wunden» von einer Generation zur nächsten weitergegeben würden.


Auch dass an belgischen Schulen die Propaganda der Kolonialzeit aufmerksamer behandelt werden muss und das öffentliche Gedenken «dekolonialisiert» werden sollte, empfehlen die Experten.

Ein Urteil wird für November erwartet.



Der Experten-Bericht zur belgischen Kolonialgeschichte: Voorstel (dekamer.be)


Belgien: Experten legen vernichtenden Bericht über die koloniale Vergangenheit des Landes vor


Der Bericht der Sonderkommission, der von den ersten Lesern bereits als vernichtend bezeichnet wurde, blickt auf 80 Jahre belgischer Kolonialgeschichte in Zentralafrika zurück, um die Dinge richtig zu stellen. In der belgischen Kolonialvergangenheit gibt es drei Länder, Kongo-Kinshasa von 1885 bis 1960 und das Doppelprotektorat Ruanda-Urundi nach der deutschen Niederlage 1918 bis 1962. Der belgische Kolonialismus war von Brutalität geprägt.


Die von der "Sonderkommission zur Untersuchung des unabhängigen Staates Kongo und der belgischen Kolonialvergangenheit in Kongo, Ruanda und Burundi, ihrer Folgen und der angemessenen Folgemaßnahmen" beauftragten Experten haben den Mitgliedern der Abgeordnetenkammer ihren Bericht vorgelegt.


Rassismus, Brutalität, Zwangsarbeit...

Auf den 689 Seiten ihres Berichts zeichnen die Historiker ein düsteres Bild der belgischen Präsenz in Zentralafrika: Zwangsarbeit, Brutalität, Gewalt, ständiger Zwang, die Auferlegung von Gesetzen, die die traditionellen Gesellschaften dauerhaft verändert haben, insbesondere die Abwertung der Rolle der Frau, und Rassismus als Grundlage der Kolonialverwaltung. Straßen und andere Infrastrukturen dienten nicht der Entwicklung der Kolonien, sondern der Ausbeutung der Ressourcen für den Export nach Belgien. Von der Ausplünderung in der frühen Kolonialzeit im 19. Jahrhundert bis hin zu Landwirtschaft und Bergbau 80 Jahre später ist nur noch von der Erschließung des Gebiets zum Nutzen der Metropole die Rede.

Der zweite Teil des Berichts enthält konkrete Empfehlungen für Wiedergutmachungsmaßnahmen, die Belgien ergreifen sollte, wie z. B. eine offizielle Entschuldigung, die über das von König Philippe persönlich geäußerte Bedauern hinausgeht, oder die Rückgabe von Tausenden von afrikanischen Gegenständen in belgischen Museen. Ein entsprechendes Gesetz ist für Anfang 2022 geplant.


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