200.000 Italiener protestieren nach neofaschistischer Verwüstung der Gewerkschaftszentrale der CGIL
Eine Woche nach dem Sturm auf eine Gewerkschaftszentrale in Rom haben am Samstag 200 000 Menschen in der italienischen Hauptstadt gegen neofaschistische Umtriebe demonstriert. Die drei grossen Gewerkschaftsbünde des Landes hatten zu der Kundgebung unter dem Motto «Nie wieder Faschismus» aufgerufen. «Diese Mobilisierung ist nicht parteiisch, sondern verteidigt die Demokratie für alle», rief Maurizio Landini, Chef der grössten italienischen Gewerkschaft CGIL, der Menge auf dem Platz vor der Lateransbasilika San Giovanni zu. Landini forderte eine rasche Auflösung aller Organisationen, die sich auf den Faschismus berufen.
Die Demonstranten antworteten damit auf den Angriff auf den Sitz der Gewerkschaft CGIL in Rom am vorvergangenen Samstag. Mit Schlagstöcken und Fahnenstangen hatte ein Mob die Polizei beiseitegeknüppelt, das Gebäude gestürmt und verwüstet. Die Eindringlinge zertrümmerten Möbel und Computer. Angeführt wurde der Mob von den Chefs der neofaschistischen Partei Forza Nuova, Roberto Fiore und Giuliano Castellino, sowie dem ehemaligen Rechtsterroristen Luigi Aronica. Sie sitzen zusammen mit weiteren Krawallmachern in Haft.
Italien schockiert über Gewalt
Die Neofaschisten, die offenbar den Sturm aufs Capitol in Washington imitieren wollten, hatten sich von einem Sit-in mit 10 000 Demonstranten gegen die weitere Verschärfung der Corona-Regeln auf der Piazza del Popolo abgelöst und waren zum CGIL-Sitz gezogen. Anschliessend lieferten sie sich stundenlang Strassenschlachten mit der Polizei im Regierungsviertel, wo sie das Parlament und den Regierungssitz zu stürmen versuchten. Die Ereignisse schockierten Italien und entfachten eine leidenschaftliche Debatte über den Umgang Italiens mit seiner faschistischen Vergangenheit.
Es wurde daran erinnert, dass vor genau 100 Jahren Mussolinis Anhänger Gewerkschaftssitze im ganzen Land gestürmt und niedergebrannt hatten, bevor die Faschisten 1922 mit dem «Marsch auf Rom» an die Macht kamen. Trotzdem war die Stimmung mehr von Sorge als von Wut geprägt. Über der Menschenmenge wogte ein Meer aus roten Fahnen, grünen und blauen Luftballons im Sonnenlicht.
Zum Abschluss sangen die Demonstranten das Partisanenlied «Bella ciao». Eingeladen hatten die Gewerkschaften zu der Kundgebung alle Antifaschisten. Die politischen Parteien waren aber aufgefordert worden, ohne Parteisymbole teilzunehmen. Sowohl der sozialdemokratische PD als auch die Fünf-Sterne-Partei erschienen mit ihren Spitzenpolitikern und Ministern. Die Mitte-rechts-Parteien folgten der Einladung nicht. Der Lega-Chef Matteo Salvini sagte: «Die Linke macht Wahlkampf, indem sie Faschisten jagt, die es nicht mehr gibt.»