20 Jahre Krieg: Pentagon nannte Afghanistan «Saudiarabien des Lithium" - Basis grüner Technologie
Auf ein bis drei Billionen Dollar schätzten US-Behörden nach ihren Untersuchungen des Bodens nach ihrer Besetzung Afghanistans den Wert der Rohstoffvorkommen des Landes. Während der Amtszeit von Barack Obama richtete das Pentagon eine Einsatzgruppe ein, die den Aufbau einer Bergbaubranche zum Auftrag hatte. Trump habe den Bergbau als Win-win-Situation gesehen, bei der die afghanische Wirtschaft profitiere, Jobs für Amerikaner entstünden und die USA vor allem bei den seltenen Erden gegenüber China, das in diesem Bereich dominant ist, punkten könnten. Wie schwierig die Ausbeutung des Bodenschatzes bisher war, zeigt ein chinesisches: Das Projekt der Kupferförderung wurde geplagt von Sorgen um die Sicherheit, mangelnder Stromversorgung und fehlenden Transportwegen. Zudem sah der geflohene Präsident Ashraf Ghani die Gefahr eines Ressourcenfluchs. Der frühere Weltbank-Mitarbeiter ist, was nicht einer grimmigen Ironie entbehrt, der Autor des Buchs «Fixing Failed States».
Afghanistan ist ein bitterarmes Land, obwohl es reich an Bodenschätzen ist. Viele Rohstoffe, die gerade für grüne Technologien notwendig sind, schlummern im Boden des asiatischen Landes. Vor rund zehn Jahren hatten amerikanische Behörden den Wert der noch nicht erschlossenen Bodenschätze des asiatischen Landes auf die Summe voin 1000 Milliarden geschätzt. Weitere Studien kamen gar zu einem Ergebnis von bis zu 3000 Mrd. $.
Auch wenn die Schätzungen den Schwankungen der Rohstoffpreise unterliegen und der Umfang der Vorkommen nur annäherungsweise bekannt ist: Die enormen Bodenschätze des Landes regen schon seit langem die Phantasie von Politikern auf der ganzen Welt, von Rohstofffirmen, Ökonomen und Kriegsherren an.
«Saudiarabien des Lithiums»
Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Nachdem die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten im Jahr 2001 das Taliban-Regime abgesetzt hatten, entwickelte sich keine prosperierende Wirtschaft. Das Land blieb vom Tropf internationaler Hilfszahlungen abhängig. Eine Studie der Weltbank vor vier Jahren kam zu dem Schluss, dass über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren einzig die Rohstoffbranche das Potenzial habe, namhafte Exporteinnahmen zu erzielen.
Afghanistan ist reich an Eisenerz, Kupfer, Gold, Erdöl, Marmor und Edelsteinen, aber auch an Lithium, Kobalt und seltenen Erden. Vor allem die letztgenannten Metalle und Mineralien haben es vielen angetan, denn es sind die Materialien, die grünen Technologien wie Batterien, Solaranlagen oder Windrädern zugrunde liegen.
Die Lithiumvorkommen wurden vom Pentagon geschätzt. In dieser Grössenordnung würden sie den weltgrössten Ressourcen in Bolivien entsprechen. Bei den anderen Rohstoffen wäre Afghanistan zwar bedeutend, aber nicht führend.
Das amerikanische Verteidigungsministerium nannte Afghanistan einmal gar das «Saudiarabien des Lithiums». Laut dem Pentagon sollen die Vorkommen in Afghanistan ähnlich hoch sein wie in Bolivien, dem Land mit den derzeit üppigsten Mengen an Lithium. Das afghanische Bergbauministerium hielt in einer Studie fest, dass das Land zwar in keiner Kategorie zu den grössten Anbietern zähle. Afghanistan könne aber bei manchen Rohstoffen eine bedeutende Rolle spielen.
Rohstoff für Konflikte
Bisher haben die bewaffneten Konflikte, die instabile Politik, die mangelnde Infrastruktur, die Binnenlage des Landes, die weitverbreitete Korruption und die schwachen staatlichen Institutionen den Aufbau einer erfolgreichen Rohstoffwirtschaft verhindert. An der Misere sind zu einem Grossteil die Taliban schuld. Die Bodenschätze haben bereits ihr Potenzial gezeigt, den Konflikt anzuheizen: So finanzierten sich die Taliban bisher teilweise über den Bergbau, etwa mit dem Verkauf illegal abgebauten Marmors oder des Halbedelsteins Lapislazuli.
Hochfliegende Pläne, triste Wirklichkeit
Auch Washington hatte stets ein Auge auf den Rohstoffschatz in Afghanistan. Im Jahr 2006 liess die US-Regierung unter Präsident George W. Bush Luftbildvermessungen durchführen. Die wichtigste Grundlage waren aber immer noch die Schätzungen sowjetischer Geologen. Während der Amtszeit von Barack Obama richtete das Pentagon eine Einsatzgruppe ein, die den Aufbau einer Bergbaubranche zum Auftrag hatte. Trump habe den Bergbau als Win-win-Situation gesehen, bei der die afghanische Wirtschaft profitiere, Jobs für Amerikaner entstünden und die USA vor allem bei den seltenen Erden gegenüber China, das in diesem Bereich dominant ist, punkten könnten.
Wie schwierig die Ausbeutung des Bodenschatzes bisher war, zeigt aber nicht ein amerikanisches oder westliches Projekt, sondern ausgerechnet ein chinesisches: Unter der Federführung des staatlich kontrollierten Unternehmens Metallurgical Corp. of China erwarb ein Konsortium die Abbaurechte für das Kupfervorkommen Mes Aynak südöstlich von Kabul, das als das zweitgrösste der Welt bezeichnet wird.
Das Drei-Milliarden-Dollar-Projekt galt als die bis anhin grösste ausländische Direktinvestition in Afghanistan. Nur, Kupfer wurde bis heute noch nicht abgebaut. Das Projekt wurde geplagt von Sorgen um die Sicherheit, mangelnder Stromversorgung und fehlenden Transportwegen. Die Firmen begründeten Verzögerungen auch damit, dass Überreste einer schützenswerten buddhistischen Siedlung gefunden worden waren. Das Konsortium könnte bestrebt sein, neue Konditionen auszuhandeln. Eine ähnliche Enttäuschung ist das Erdölfeld Amu Daryan, für das der chinesische Staatskonzern CNPC 2011 eine Lizenz erhalten hatte. Das Unternehmen hat das Projekt bereits aufgegeben.
Vorsicht vor der Rohstofffalle
Dass die Bodenschätze noch nicht vermehrt ausgebeutet wurden, liegt neben den praktischen Überlegungen auch daran, dass der geflohene Präsident Ashraf Ghani, der von 2014 bis zum August dieses Jahres im Amt war, die Gefahr eines Ressourcenfluchs sah. Der frühere Weltbank-Mitarbeiter ist, was nicht einer grimmigen Ironie entbehrt, der Autor des Buchs «Fixing Failed States». Dort werden Wege beschrieben, wie gescheiterte Staaten repariert werden können.
Die Theorie des Ressourcenfluchs besagt, dass Rohstoffreichtum die Quelle der Probleme vieler Entwicklungs- und Schwellenländer ist. Bodenschätze fördern Konflikte, ineffizientes Regieren und Korruption. Mit dem Rohstoffreichtum sind Regierungen nicht so sehr auf Steuerzahler und die Zustimmung der Bevölkerung angewiesen.
Der Ressourcenfluch ist aber nicht gottgegeben. Neben Ländern wie Norwegen, Kanada oder Australien haben es auch Staaten wie Botswana, Chile oder Malaysia geschafft, nicht in die Rohstofffalle zu tappen. Voraussetzung dafür sind jedoch politische und gesellschaftliche Institutionen, die eine vernünftige Verwendung der Rohstoffeinnahmen zulassen. Ghani wollte zunächst die richtigen Institutionen für einen wachstumsförderlichen Rohstoffabbau schaffen. Er ist jedoch gescheitert.
https://www.nzz.ch/wirtschaft/afghanistan-die-konfliktreichen-bodenschaetze-ld.1642056