Die Westmächte weigerten sich die jüdischen Flüchtlinge in ihren Staaten aufzunehmen und so vor der Ermordung zu retten. Auf der Konferenz von Évian, die vom 6. bis 15. Juli 1938 auf Initiative des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt zusammenkam, berieten die Vertreter von 32 Staaten und 71 Hilfsorganisationen, wovon jedoch nur 24 Vertreter kurz Stellung beziehen durften, über die aufgrund nationalsozialistischer Unterdrückung rapide ansteigenden Flüchtlingszahlen von Juden aus Deutschland und Österreich.
Da die Schweiz befürchtete, ein Treffen am Sitz des Völkerbunds in Genf könne ihr Verhältnis zum nationalsozialistischen Deutschland belasten, trafen sich die Delegierten im nahegelegenen Évian-les-Bains in Frankreich. Die Konferenz endete weitgehend ergebnislos, da sich außer der Dominikanischen Republik alle Teilnehmerstaaten weigerten, mehr jüdische Flüchtlinge aufzunehmen. Das nationalsozialistische Regime Adolf Hitlers schlachtete das Scheitern der Konferenz für seine antisemitische Propaganda aus. Viele Zeitzeugen und Historiker sehen in Évian ein moralisches Versagen der westlichen Demokratien, da ein anderer Ausgang viele Juden vor der Ermordung im Holocaust hätte bewahren können. Wie viele Juden bei einem erfolgreicheren Ausgang der Konferenz vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten im Holocaust hätten bewahrt werden können, ist eine hypothetische Frage, die sich nicht endgültig beantworten lässt. Zwar war der Bau von Massenvernichtungslagern wie Auschwitz, der nur zwei Jahre später im besetzten Polen erfolgte, 1938 weder absehbar noch vorstellbar. Dennoch wussten die Regierungen der Teilnehmerstaaten, dass die Juden in Deutschland und Österreich nahezu vollständig entrechtet und dass bereits damals Tausende von ihnen ermordet oder in den Tod getrieben worden waren.
Ob die internationale Staatengemeinschaft durch ihre mangelnde Aufnahmebereitschaft in Évian versagt habe, wird von Historikern unterschiedlich bewertet. Der These des Schweizer Historikers Ralph Weingarten, dass „alle Völker der Welt auch an der Endlösung und deren Ausmaß voll mitschuldig“ geworden seien,[3] ist lebhaft widersprochen worden. Demnach interpretiere Weingarten die Geschichte vom Ende her und stelle Täter und Außenstehende auf eine Stufe.[4] Walther Hofer argumentierte, er verharmlose letztlich die nationalsozialistische Verantwortung.[5]
Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass der Ausgang der Konferenz eine moralische Katastrophe darstellte. Worin diese bestand, wird aus der Gegenüberstellung zweier zeitgenössischer Aussagen deutlich. Der „Völkische Beobachter“ veröffentlichte nach der Konferenz einen hämischen Kommentar: Deutschland biete der Welt seine Juden an, aber keiner wolle sie haben. Der Kommentator unterstellte den Konferenzteilnehmern also, ebenso antisemitisch zu handeln wie das eigene Regime. Die Konferenzbeobachterin Golda Meïr dagegen sah das eigentliche Versagen in der Unfähigkeit der Delegierten, die Größe und Dringlichkeit des Problems zu begreifen. Sie schrieb später: „Dazusitzen, in diesem wunderbaren Saal, zuzuhören, wie die Vertreter von 32 Staaten nacheinander aufstanden und erklärten, wie furchtbar gern sie eine größere Zahl Flüchtlinge aufnehmen würden und wie schrecklich leid es ihnen tue, dass sie das leider nicht tun könnten, war eine erschütternde Erfahrung. […] Ich hatte Lust, aufzustehen und sie alle anzuschreien: Wisst ihr denn nicht, dass diese verdammten ‚Zahlen‘ menschliche Wesen sind, Menschen, die den Rest ihres Lebens in Konzentrationslagern oder auf der Flucht rund um den Erdball verbringen müssen wie Aussätzige, wenn ihr sie nicht aufnehmt?“ Konferenz von Évian – Wikipedia Britische Mandatszeit Palästina: Zusammenfassung | StudySmarter
Palestine 1920: The Other Side of the Palestinian Story | Al Jazeera World Documentary
Comments